Social Media
Was ist "Gamification"?
Im aktuellen Rote-Fahne-Magazin 8/25 ist eine kürzere Version dieses Artikels abgedruckt. Er ist mit einem QR-Code versehen, damit Interessierte zur ungekürzten Fassung hier auf Rote Fahne News gelangen können.
Jugendliche nutzen selbstverständlich "Social Media", tauschen sich darüber aus und bleiben in Verbindung. Aber sie werden davon auch manipuliert. Das geschieht unter anderem durch „Gamification“ – die Integration von Spielmechanismen in eigentlich spielfremde Kontexte.
„Messwert“ für Freundschaft?
Snapchat und TikTok geben jedem Nutzer ungefragt einen Messwert, welcher repräsentativ für dessen Freundschaft mit einem anderen Nutzer stehen soll: einen sogenannten "Streak". Eine Zahl, welche zeigt, wie viele Tage man sich kontinuierlich mit einem anderen Menschen geschrieben hat. Vergisst man einen Tag oder ist krank, wird die Zahl auf Null zurückgesetzt. Viele jugendliche Menschen messen anhand dieser Zahl den Wert ihrer Freundschaft, und selbstverständlich gibt es eine Option, einen verlorenen Streak wieder herzustellen — gegen Geld. So wirken diese Mechanismen als enormer Druck, als Messlatte für das Selbstwertgefühl. Man weiß, dass ein Snapchat-Streak eigentlich keinen realen Wert hat – und fühlt sich trotzdem „schlecht“, wenn man ihn verliert. Andere Plattformen wie Reddit vergeben einen "Streak" dafür, wie viele Tage man hintereinander die Plattform genutzt hat.
Ganz spielerisch und unterbewusst werden Abhängigkeiten geschaffen und geradezu Sucht nach Anerkennung erzeugt. Die WHO bezeichnet eine vermehrte Social-Media-Nutzung bereits als Sucht. In der digitalen Welt ist Gamification der Zwang zur scheinbar freiwilligen Selbstunterwerfung. Wer nicht mitspielt, fliegt raus.
Was hat das mit Herrschaft zu tun?
In erster Linie wird das Prinzip des selbstermächtigten Menschens vollkommen aus dem Fenster geworfen.
„Es gibt einige, die vielleicht verwirrt sind angesichts [der] Vorstellungen von den fabelhaften Vorteilen ihres kapitalistischen Wirtschaftssystems, ausgehend von dem armseligen Standpunkt, daß der Mensch ein Tierchen sei, das sich nur dann in Bewegung setzt, wenn man ihm eine Möhre vor die Nase hält oder ihn mit der Peitsche antreibt.”
— Fidel Castro, 03.02.1999, Eine Revolution kann nur die Tochter von Kultur und Idealen sein
Es braucht also eine Firma, welche Dich an Deine Interessen erinnert, eine Firma, welche Dir spielerisch klarmacht, dass Du mit Freunden interagieren oder dich doch bitte nochmal auf ihre Plattform begeben sollst. Alles mit dem Vorwand, Dich sozial zu erziehen; doch letztendlich soll das nur Deine Abhängigkeit von einer Plattform festigen, welche Geld damit verdient, Deine sozialen Prozesse von der echten Welt auf sich verlagert zu haben.
Plattformen wie Facebook, Twitter, oder YouTube verdienen nicht, weil sie uns mit Freundinnen und Freunden verbinden und damit dem „sozial” in Soziale Netzwerke gerecht würden, sondern weil sie unsere Interaktionen monetarisieren – durch Werbung, durch Datenhandel, durch algorithmisch erzeugte Abhängigkeit und anderen Methoden wie der Gamification.
Wer die Interaktion kontrolliert, kontrolliert die Kommunikation. Und wer die Kommunikation kontrolliert, kontrolliert das Bewusstsein. Die Filterblasen, die Empörungsschleifen, die Algorithmen, die uns Hasskommentare zeigen, weil sie „engagieren“ – all das ist nicht bloß ein Nebeneffekt, sondern struktureller Kern des Geschäftsmodells.
Was tun?
Ein einfacher kompletter Ausstieg ist schwer – aus strukturellen Gründen. Wer nicht bei WhatsApp ist, verpasst Schulkommunikation. Wer nicht bei Instagram ist, verliert soziale Sichtbarkeit. Wer keine Streaks pflegt, „ist nicht mehr da“.Ein selbstbewusster, souveräner Umgang mit sozialen Medien kann sich auf digitale kollektive Alternativen wie den Kurznachrichtendienst Mastodon, den Messaging-Service Matrix oder die Bilder-Community Pixelfed stützen. Social Media mit kritischem Geist zu nutzen, ist wichtig. Vor allem braucht man aber auch sein reales soziales Leben - echte menschliche Kontakte, persönliche Freundschaften, Solidarität und Klarheit im Kopf.