Tarifrunde öffentlicher Dienst

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Verhandlungsergebnis: Fauler Kompromiss – Jetzt sind die Mitglieder gefragt

Seit gestern Mittag berichten die Medien von einer "Tarifeinigung" im öffentlichen Dienst für die Beschäftigten bei Bund und den Kommunen. Dabei gibt es erst ein Verhandlungsergebnis zwischen Bund, der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und den Gewerkschaften und eine Empfehlung der Bundestarifkommission von Ver.di zur Annahme des Verhandlungsergebnisses.

Von gp
Verhandlungsergebnis: Fauler Kompromiss – Jetzt sind die Mitglieder gefragt
Ver.di-Streikungebung in Krefeld im Februar (rf-foto)

Jetzt schon von einem "Tarifergebnis" zu sprechen, erweckt den Eindruck, als wäre die Sache schon gelaufen. Das degradiert die Ver.di-Kolleginnen und -Kollegen zu reinen Abnickern. Dass sie die eigentlchen Akteure sind, haben sie mit ihren wirkungsvollen und selbstbewussten Warnstreiks eindrucksvoll bewiesen.

 

Das Verhandlungsergebnis folgt weitgehend der vorherigen Schlichtungsempfehlung.

  • Nach drei Nullmonaten eine Entgelterhöhung ab 1.4.2025 um 3 Prozent und 2,8 Prozent ab 1.5. 2026 bei einer Laufzeit von 27 Monaten mindestens aber 110 Euro. Das sind für 2024 gerade Mal 2,25 Prozent brutto. Ver.di fordert 8 Prozent bei einer Laufzeit von 12 Monaten, mindestens aber 350 Euro. Allerdings sollten Zulagen für Schichtarbeit Teil des Volumens sein.
  • Auszubildende, Studierende und Praktikanten sollen ab 1.4.2025 und 1.5. 2026 jeweils monatlich 75 Euro mehr bekommen. Ver.di fordert 200 Euro.
  • Erhöhung der Schichtzulagen von 40 auf 100 Euro, bei Wechselschicht von 105 auf 200 und in Krankenhäusern von 155 auf 250 ab 1.7.2025, ab 1.1. 2027 dynamisiert. Ver.di hat keine konkrete Forderung gestellt.
  • Ein zusätzlicher Urlaubstag ab 1.1.2027, Ver.di fordert drei Tage.
  • Erhöhung der Jahressonderzahlung, Beschäftigte können ab 2026 Teile der Jahressonderzahlung in bis zu drei freie Tage zu tauschen. Für kommunale Krankenhäuser gelten Sonderregelungen.
  • „Freiwillige“ Verlängerung der Arbeitszeit auf 42 Stunden.
  • Übernahme von Auszubildenden bis zur Note befriedigend, wenn Bedarf ist. Ver.di fordert unbefristete Übernahme.
  • Angleichung der Kündigungsschutzbestimmungen in Ost, allerdings nur für den Bund. Ver.di fordert dies auch für die Kommunen.

Wie ist das Verhandlungsergebnis zu bewerten?

Die geschäftsführende Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kommentierte das Ergebnis: "Wir sind an die Grenze dessen gegangen, was wir bei schwieriger Haushaltslage verantworten können". Und Ver.di-Chef Frank Werneke erklärte, die Annahme des Ergebnisses sei der Gewerkschaft nicht leicht gefallen: „Es ist ein schwieriges Ergebnis in schwierigen Zeiten.“ Beide scheinen erleichtert zu sein, mit dem Verhandlungsergebnis einen unbefristeten Streik verhindert zu haben.

 

Für die Kolleginnen und Kollegen gilt zunächst mal: Sie haben wichtige Kampferfahrungen gemacht, die ihnen nicht zu nehmen sind und ihr Selbstbewusstsein gestärkt haben. Mit ihren Streiks haben sie gezeigt, welche Kraft sie haben und dass sie im Kampf um ihre berechtigten Interessen und Forderungen am längeren Hebel sitzen können. Sie haben damit auch ein politisches Statement abgegeben gegen die Behauptung, es sei angeblich kein Geld da, man müsse „sparen“ und kürzer treten. Zu dem Positiven zählt auch, dass die Streikaktionen und Forderungen der Beschäftigten meist auf große Zustimmung und Unterstützung der Bevölkerung gestoßen sind. Die Tarifauseinandersetzung hat aber auch weitergehende Fragen aufgeworfen. „Warum sollen für die Kolleginnen und Kollegen, die für einen Großteil der gesellschaftlichen Daseinsfürsorge verantwortlich sind, immer nur Krümel und warme Worte der ‚Wertschätzung‘ übrig bleiben?“

 

Ohne die große Kampfbereitschaft vieler Berufsgruppen bis hin zu mehrtägigen Warnstreiks wären die im Verhandlungsergebnis erreichten Zugeständnisse nicht möglich gewesen. So z. B. die Verbesserungen für die unteren Lohngruppen, die Anhebung der Schichtzuschläge bzw. mehr Urlaubstage. Bund und Kommunen hofften, mit der Flucht in die Schlichtung einen unbefristeten Streik mitten in der offenen politischen Krise und den zäh verlaufenden Koalitionsverhandlungen verhindern zu können. Denn solch ein Streik wäre eine Kampfansage an die neue Regierung, noch ehe sie überhaupt im Amt ist! Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen!

Warum ist das Verhandlungsergebnis ein fauler Kompromiss?

  • Das Verhandlungsergebnis wird als 5,8 Prozent verkauft. Hört sich gar nicht schlecht an, bei einer Forderung von 8 Prozent. Die Zahlen kann man aber nur vergleichen, wenn dieselbe Laufzeit und die drei Nullmonate berücksichtigt werden. So liegt die tatsächliche Lohnerhöhung 2025 mit 2,25 Prozent weit unter den geforderten 8 Prozent. Deshalb würde das Ergebnis Reallohnabbau bedeuten.
  • Die Laufzeit von 27 Monaten verpflichtet die Beschäftigten zur Friedenspflicht. Die neue Regierung bekommt dagegen freie Hand bei der Kürzung von Sozialleistungen und Vernichtung von Arbeitsplätzen. Notfalls müssen die Kolleginnen und Kollegen also selbständig für ihre Interessen streiken.
  • Die erweiterten Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Arbeitszeit bis hin zur Möglichkeit, „freiwillig“ bis auf 42 Stunden in der Woche länger arbeiten zu können verschärfen die Arbeitshetze und außerdem ist es mit „Freiwilligkeit“ meist nicht weit her.
  • Im Ver.di Flugblatt zum Verhandlungsergebnis vom 6.4. heißt es: „Ein Tarifergebnis ist immer ein Ausdruck von Kräfteverhältnissen. Deshalb war auch die Frage entscheidend: sehen wir Spielraum, mit diesen Arbeitgebern zu dieser Zeit vor dem Hintergrund neuer politischer Verhältnisse noch mehr rauszuholen?“

 

Wie ist es aber mit dem „Kräfteverhältnis bestellt, wenn die gewerkschaftlichen „Kräfte“ durch einen unbefristeten Streik gar nicht voll zum Einsatz kommen? All diese belegt, dass das Verhandlungsergebnis ein fauler Kompromiss ist.

 

Die Entscheidung der Mehrheit der Bundestarifkommission, hat sich ganz offensichtlich aber nicht an der Kampfbereitschaft der Mitglieder orientiert, sondern ist vor einer Kraftprobe mit der neuen Regierung zurückgewichen.

 

Jetzt ist es an den Mitgliedern, das Verhandlungsergebnis kritisch zu diskutieren und zu bewerten, dabei aber auch die politischen Herausforderungen im Kampf gegen die Rechtsentwicklung der neuen Regierung einzubeziehen.

 

Bis 9. Mai können die Mitglieder digital über das Verhandlungsergebnis abstimmen, die Bundestarifkommission fasst dann am 12.5. einen Beschluss. Die MLPD empfiehlt, das Ergebnis als faulen Kompromiss abzulehnen und damit für eine Urabstimmung über einen unbefristeten Streik zu stimmen.