Gastbeitrag

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Chatyn - ein faschistisches Massaker

Chatyn (Хатынь): Ein ganzes Dorf in der Weißrussischen SSR in der Minskaja Woblasz wurde von deutschen Faschisten und deren ukrainischen Kollaborateuren ausgelöscht.

Von Raimon Brete, Chemnitz
Chatyn - ein faschistisches Massaker
Die Gedenkstätte „Friedhof der Dörfer“, an der Stelle, wo einst das Dorf Chatyn lag (foto: Veenix (CC BY 3.0))

Am frühen Morgen des 22. März 1943 beschossen die Partisanen der Abteilung „Mstitjelj“ auf der Kreuzung von Pleschtschenizy-Logojsk und Kossyri-Chatyn einen leichten Kraftwagen. Das war nichts Besonderes; ein gewöhnlicher Zusammenstoß mit deutschen Truppen im Hinterland. Doch in diesem Wagen befand sich der Kommandeur einer der Kompanien des 118. Bataillons der Schutzpolizei, Hauptmann Hans Woellke, ein Schützling Hitlers und Olympiasieger von 1936, der bei der Attacke getötet wurde.


Die Partisanen zogen sich erfolgreich zurück. Doch dann rief die örtliche Polizei eine Spezialeinheit, das Bataillon des SS-Sturmbannführers Oskar Dirlewanger, zu Hilfe. Als die Deutschen aus Logojsk abfuhren, wurde von den ukrainischen Angehörigen eines Strafkommandos eine Gruppe örtlicher Waldarbeiter verhaftet und erschossen. Einfach so. Nur um irgendwie von sich reden zu machen. Und schon am 22. März fuhren die ukrainischen Angehörigen des Strafkommandos gegen Abend zum Dorf Chatyn. Einer von ihnen, derjenige, der auch die Ermordung der Zivilisten befehligte, war der Stabschef des 118. ukrainischen Polizeibataillons, der Nationalist Grigorij Wasjura.


Die faschistischen Vernichtungskommandos trieben die wehrlosen Menschen in eine Scheune, sperrten sie ein und setzten die Scheune in Brand. Diejenigen, die versuchten, sich aus dem Feuer zu retten, wurden von den Nazis und ihren Helfershelfern erschossen. Dabei kamen 149 Dorfbewohner, einschließlich 75 Kinder unter 16 Jahren, ums Leben.


Nur einige wenige Zeugen dieses ungeheuerlichen und unmenschlichen Massakers konnten sich wie durch ein Wunder retten: Vier Kinder – die beiden Jungen Anton Baranowskij und Wiktor Schelobkowitsch sowie zwei Mädchen – konnten sich aus der brennenden Scheune retten; die beiden Mädchen fielen einem späteren Massaker bei der Zerstörung des Dorfes Chwaraszjani zum Opfer. Drei weitere Kinder, die Geschwister Wolodja und Sonja Jaskewitsch und Sascha Schelobkowitsch, konnten sich rechtzeitig verstecken und blieben unentdeckt. Der damals 56-jährige Dorfschmied Josif Kaminskij überlebte das Feuer und entdeckte, nachdem die Täter den Ort verlassen hatten, seinen sterbenden Sohn Adam unter den Opfern." 

 

Die brutale Ermordung von Zivilisten war eine Rache der Nazi-Verbrecher an Partisanen. Die Tragödie von Chatyn ist einer der vielen Beweise dafür, dass die Nazis und ihre Kollaborateure die gezielte Politik des Genozids gegenüber den Völkern der Sowjetunion betrieben.

 

Der 1969 an der Stelle der verbrannten Siedlung errichtete Gedenkkomplex wurde zu einem Symbol des Gedenkens an die Opfer dieses schrecklichen Massakers. Hier befindet sich der „Friedhof der Dörfer“ - 185 Urnen mit Erde aus Siedlungen, die zusammen mit ihren Bewohnern vernichtet wurden. Dieses Denkmal soll die Nachkommen daran erinnern, dass viele hunderte von Dörfern während der Nazi-Besatzung das tragische Schicksal von Chatyn teilten. 


In Deutschland wurde nie jemand für diesen Massenmord strafrechtlich belangt. Ende 1975 stellte die Staatsanwaltschaft Itzehoe, der der Bundesgerichtshof den Fall übergeben hatte, ein Ermittlungsverfahren dazu ein. Der Prozess gegen den Stabschef des 118. Polizeibataillons, den Ukrainer Hryhorij N. Wasjura, fand 1986 statt. Er nahm an mehreren Strafoperationen teil, die das Leben vieler unschuldiger Menschen kosteten. Im November / Dezember 1986 fand in Minsk ein Prozess gegen einen der Henker, Grigori Wasjura, statt. 14 Bände des Falls Nr. 104 widerspiegelten viele Tatsachen der blutigen Tätigkeit dieses faschistischen Verbrechers. Nach dem Urteil des Kriegsgerichtes des Belorussischen Militärbezirks wurde Wasjura für die Verbrechen schuldig erklärt und zum Tode verurteilt.


In der DDR war Chatyn Bestandteil des Geschichtsunterrichts, insbesondere die von den deutschen Soldaten selbst produzierten Filmaufnahmen des Einsatzes wurden als Beleg für die Grausamkeit des NS-Regimes genutzt.