Ruf nach Freiheit
500 Jahre Bauernkrieg – zweierlei Gedenken
Vor 500 Jahren versammelten sich Delegierte rebellierender Allgäuer Bauern in der Kramerzunft Memmingen. Dort verabschiedeten sie die berühmten zwölf Artikel. Revolutionär war das Begehren der Bauern, dass sie künftig ihre Pfarrer selbst wählen und absetzen wollen, dass die Felder und Wälder wieder in Allgemeinbesitz überführt werden und die Leibeigenschaft abgeschafft wird. In vielen damaligen Zentren der Rebellion finden zur Zeit Ausstellungen und Gedenkveranstaltungen statt.
In Memmingen eröffnete am 12. März Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und Kulturministerin Claudia Roth die offiziellen Gedenkwochen mit Ausstellung. Steinmeier würdigte die mutigen Vorkämpfer von 1525 als Wegbereiter unserer „heutigen freiheitlichen Demokratie“. In dieser dürfe angeblich „im entscheidenden Unterschied zu damals, jeder friedlich seinen Protest äußern.“ Die Rote Fahne Redaktion wird dazu weiter berichten.
Der deutsche Bauernkrieg war Klassenkampf
Monate vor der Memminger Versammlung 1525 entlud sich die Wut über die weltlichen und kirchlichen Fürsten in regionalen Aufständen. Die Fürsten führten gegeneinander Kriege um Besitzansprüche und überboten sich gegenseitig um die prunkreichsten Schlösser und Regierungssitze. Die Kirchenführer mit dem Papst an der Spitze mischten voll mit und rechtfertigten das mit ihrem Segen. Bezahlen musste das die Masse der Bauern, die immer tiefer ins Elend gedrückt wurden. „So kann es nicht weitergehen,“ das war die verbreitete Stimmung auf dem Land. Memmingen gab das Signal für einen flächendeckenden bewaffneten Aufstand von insgesamt über 200.000 Bauern. Ihm vorausgingen Aufstände des wirtschaftlich und politisch heruntergekommenen Ritterstandes, der immer mehr Privilegien an die großen Fürsten verlor. Allein konnte der niedrige Adel gegen die Macht der Fürsten nichts ausrichten, einige wie der fränkische Ritter Florian Geyer oder Götz von Berlichingen gingen zu den Bauern über und stellten ihnen ihre militärischen Kenntnisse in den Dienst. Die meisten erwiesen sich als unzuverlässige Bundesgenossen.
Die Bauern nehmen ihre Sache selbst in die Hand
Es waren gebildete Bauern, arme Prediger, Handwerker, die sich an die Spitze der Masse der Bauern stellten. Sie bildeten lokal organisierte Haufen, die sich zu größeren zusammenschlossen. Sie nannten sich nach ihrer Region: am Bodensee der „Seehaufen“, im Oberallgäu der „Allgäuer Haufen“, usw. Andere nach ihrer Kleidung, „Lichter Haufen“, „Schwarzer Haufen" usw. Jedes Dorf war stolz, seine wehrfähigen Einwohner an den Haufen abzugeben. Sie eroberten Klöster und Burgen, in die sich die Fürsten, der hohe Klerus und deren Anhänger mit schlotternden Knien zurückzogen. Im schwäbisch-fränkischen Raum waren rund 40.000 Bauern unter Waffen. Ähnlich entstanden große Bauernhaufen in Thüringen, Hessen, im Elsass, in Österreich und in den Alpen. Sie waren waffentechnisch den von den Fürsten zusammengestellten Heeren weit unterlegen. Entscheidend für die Niederlage war aber, dass die Bürger der Städte aus Angst vor der Rache der Fürsten feige den Bauern die Unterstützung entzogen.
Karte über die Ausweitung der Bauernaufstände 1525
Das weltanschauliche Vorgefecht lieferten vor allem zwei Männer: Martin Luther und Thomas Müntzer! Beide waren Prediger in Thüringen. Luther übersetzte die Bibel ins Deutsche. Die lesekundigen Prediger auf dem Lande berichteten den erstaunten Bauern, dass der Besitz von Boden und Naturschätzen nicht mit „Gottes Wort“ vereinbar sei. Luther griff vor allem das Papsttum und die Privilegien der Kirche an. Das passte einigen Fürstentümern voll in den Kram. Die Botschaft des Lutherschen Evangeliums war ihnen moralische Rückendeckung, die katholische Konkurrenz in die Schranken zu weisen. Luther wurde ihr Mann. Er kämpfte mit Fürsten gegen andere Fürsten, was die bürgerliche Geschichtsschreibung als „Religionskriege“ umdeutete. Als die Bauern Ernst machten, wurde Luther zum Wendehals und hetzte die Fürsten auf, ohne Gnade die „räuberischen Bauern“ abzuschlachten. Anders Thomas Müntzer: Anfangs mit Luther befreundet, folgte er seiner Vision, die Erlösung der Menschheit auf Erden zu verwirklichen. In den damaligen Bergbaurevieren fand er unter den Knappen feste Verbündete. Statt zu kuschen, prangerte er mutig in seiner berühmten „Fürstenpredigt“ die Ausbeutung von Mensch und Natur an. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ war sein berühmter Kampfspruch.
Die Unterdrückten müssen lernen, rechtzeitig zu klären, wo und wie die Fronten verlaufen und wer Feind und Freunde sind. Die Bauernrevolte vor 500 Jahren endete mit einer Niederlage und einer furchtbaren Rache der Sieger. Sie standen erstmals vor dem Abgrund und aus diesem Schrecken haben sie alles Revolutionäre und Fortschrittliche ihrer Zeit niedergemacht, in der Hoffnung, dass es keiner mehr wagen sollte, sich gegen die Obrigkeit zu erheben. Das hat die Entwicklung in Deutschland zurückgeworfen und auf Jahrhunderte gebremst. Aber die Forderungen der Bauern waren in der Welt - viele sind erst 300 Jahre später, in der Novemberrevolution 1918, und manche sogar bis heute noch nicht erfüllt. Die Zeit für eine sozialistische Gesellschaft ohne Unterdrückung und Ausbeutung war noch nicht reif. Dass der Aufstand nicht umsonst war, kündigt eine Zeile in dem berühmten Lied der Bauern1:
„Geschlagen ziehen wir nach Haus, die Enkel fechten's besser aus …“
Die Enkel von heute, das ist die revolutionäre Arbeiterbewegung. Zusammen mit der Masse der Bauern, der kleinen und mittleren bäuerlichen Betriebe. Es gibt eine Reihe Initiativen unter ihnen, das Gedenken an den Deutschen Bauernkrieg selbst zu organisieren. In der Diskussion kamen Überlegungen auf, eigene Gedenken der Bauern zu machen. „Irgendwie geht es uns heute auch so, dass es reicht mit der Verarscherei durch die alte und neue Regierung“, meinte kürzlich ein Milchbauer beim Bauernabend in Reutberg (mehr dazu hier). Die wichtigste Lehre aus dem Bauernkrieg von damals für heute ist: Nur im Bunde mit der Masse der Arbeiter haben die Bauern für ihre berechtigten Interessen eine Zukunft. Deshalb gilt es für die Bauern mit einem kämpferischen Geist wieder revolutionär und klassenkämpferisch zu werden. Dabei gilt es auch, gegen rechte und faschistische Strömungen, demokratische Errungenschaften zu verteidigen. Aber nicht, um im Sinne von Steinmeier, Söder & Co die Diktatur der Monopole zu stärken, die in Wirklichkeit die heutige „Obrigkeit“ und herrschende Klasse im sogenannten sozialen Rechtsstaat bilden, sondern für eine Vision einer von Ausbeutung von Mensch und Natur befreiten Menschheit.