Parolenverbot durch Faeser rechtswidrig

Parolenverbot durch Faeser rechtswidrig

Wie ein deutsches Gericht einen gläubigen Juden über Antisemitismus aufklärt

Am 2. November 2023 hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Parole „From the river to the sea“ verboten in der Folge des Anschlags der Hamas vom 7. Oktober 2023 mit vielen toten jüdischen Zivilisten und 200 Geiseln. Begründung: sie sei angeblich eine ausschließlich von der Hamas verwendete antisemitische Parole, die das Existenzrecht Israels bestreite.

Von ak/rr
Wie ein deutsches Gericht einen gläubigen Juden über Antisemitismus aufklärt
Solidaritätskundgebung vor dem Prozess (rf-foto)

Das mag für die faschistisch-islamistische Hamas zutreffen, aber die Verwendung der Parole ist mitnichten in jedem Fall eine Zustimmung zur Hamas. Nichtsdestotrotz werden landauf, landab Menschen, die die Parole verwenden – unabhängig von ihrer inhaltlichen Aussage und Absicht - von Staatsanwaltschaften und Polizei verfolgt, angezeigt und verklagt. Oft handelt es sich um Kritiker des zionistisch-faschistischen Völkermords an den Palästinensern durch das israelisches Militär und die Netanjahu-Regierung, Leuten also, die – verbockt wie sie sind, gleiches Recht für alle Menschen fordern, auch für Palästinenser. Also: Schutz für die Zivilbevölkerung, ungehinderter Zugang zu Nahrung, Wasser und Medikamenten.

 

Während also Staatsanwaltschaften und Polizei von Amts wegen aktiv werden, sind sich deutsche Gerichte durchaus nicht einig. Manche lehnen eine unkritische Übernahme des Faeser-Erlasses ab, zumal er ohne nähere Begründung einfach eine Behauptung zur umstrittenen Parole aufstellt. So gibt es Gerichte, die entschieden haben, dass der Kontext und die Absicht berücksichtigt werden müssen, was dann zu Freisprüchen oder milden Strafen führte.

 

Solch ein Verfahren um die Parole „From the river to the sea ...“ fand nun am 10. März vor dem Amtsgericht Nürnberg gegen den Rentner und bekennenden Juden Larry Zweig aus Fürth statt. Er hatte am 6. Januar 2024 auf einer Solidaritätskundgebung mit der palästinensischen Bevölkerung und ihrem Freiheitskampf eine Rede gehalten, in der er sich unter anderem wunderte, warum gerade diese Parole als Auflage für den Aufzug von der Behörde verboten worden sei. In besagter Rede führte er aus, dass es in seiner amerikanischen Heimat ein Lied gäbe, das Frieden und Freiheit „from the sea to the shining sea“ für alle Amerikaner verkünde. Er sei eben auch für Palästina für Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit „from the river to the sea“.

 

In seiner Stellungnahme vor Gericht führte er weiter aus, dass er im jüdischen Glauben erzogen worden sei. Er praktiziere seinen Glauben und in seiner Gemeinde ist er neben dem Rabbi der einzige, der aus der Thora vorlese. Durch seinen Glauben sei es ihm nicht egal, wenn Menschen in Not wären, wenn Unrecht geschehe, soziale Probleme bestünden oder die Natur zerstört werde. So empfinde er großes Unrecht in Palästina. Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie seien ihm sehr wichtig. Er las aus seinem Gebetsbuch vor: „... ob unserer Sünden wurden wir aus unseren Ländern vertrieben und von unserem Boden entfernt … weil wir gesündigt haben.“ Nach seiner Meinung gehe es für das jüdische Volk darum, sich vor Gott zu bewähren und das sehe er momentan nicht gegeben.

 

Der Staatsanwalt wiederholte darauf ungerührt sein Eingangsplädoyer, die Parole sei ein Kennzeichen der Hamas und unterstellte Larry einen Vorsatz, weil er vor 2000 Menschen gesprochen hatte. Er verstieg sich dann zu der Behauptung, „Demokratie verteidige man nicht, wenn man Hamas-Parolen verbreite“. Offensichtlich war der Staatsanwalt der Meinung, dass Demokratie darin bestehe, Regierungserlasse unkritisch auf die Gesellschaft anzuwenden und Kritiker an der Regierungspolitik der bedingungslosen Unterstützung der israelischen Regierung mundtot zu machen.

 

Larrys Anwalt stellte die Anschuldigungen richtig: Es wurde nicht die Parole begründet, sondern kritisiert. Die Parole ist interpretierbar und nicht eindeutig, weshalb die Verwendung der Parole grundsätzlich nicht haltbar ist. Die Auflage der Innenministerin selbst ist rechtswidrig, da ohne Begründung aufgeführt. Die Rechtsprechung in Deutschland dazu ist uneinheitlich. So stufte das Landgericht Mannheim die Meinungsfreiheit höher ein und bewertete auch die genaue Argumentation bei der Verwendung der Parole. Dabei ging der Angeklagte straffrei aus (Legal Tribune Online vom 7.6.24).

 

Dennoch schloss sich die Richterin im Prinzip der Haltung des Staatsanwalts an und verurteilte Larry zu 50 Tagessätzen à 15 €. Er habe als langjähriger politischer Aktivist die Parole nicht spontan verwendet. Billigend in Kauf genommen hätte er, dass die anwesenden ca. 2000 Kundgebungsteilnehmer die Parole im Sinne der Hamas verstanden hätten. Dieses Urteil ist besonders hart, daran ändert auch das „Angebot“ an Larry nichts, dass er die Strafe 15-Euro-weise abstottern kann. Mit der hohen Anzahl Tagessätze ist Larry nun vorbestraft, was eine klare Kriminalisierung der Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf und der Kritik an der deutschen Politik der hemmungslosen Unterstützung für den israelischen Völkermord ist.

 

Die etwa 40 Besucher, die aus Solidarität mit Larry gekommen waren, hatten schon vor der Verhandlung eine kleine Solidaritätskundgebung vor dem Gericht abgehalten. Im Saal – streng beäugt vom Wachtmeister – waren sie zu „Ruhe und Ordnung“ gezwungen. Doch mit Urteilsverkündung gab es lautstarken Protest: „Mit diesem Urteil, ist mein Glaube an Gerechtigkeit tief erschüttert worden“, rief eine Frau in den Saal. Und ein Mann qualifizierte das Urteil als antisemitisch, was die Richterin sogleich zum Anlass nahm, seine Personalien einzufordern. Die Repression hat viele Mitläufer – und dieses Urteil kann durchaus dazugezählt werden.

 

Larry geht in Berufung. Der breiten Solidarität und finanziellen Unterstützung darf er sicher sein.

 

Unter den Prozessbeobachterinnen und -beobachtern konnten für den Hilfsfonds Demokratische Rechte der Organisation "Solidarität International" 281,20 € gesammelt werden, die für Prozess- und Rechtsanwaltskosten in dem weiter gehenden Verfahren eingesetzt werden.

 

Spendenkonto: Solidarität International
IBAN: DE 86 5019 0000 6100 8005 84
Stichwort: Hilfsfonds Demokratische Rechte