MLPD-Beitrag beim Gelsenkirchener Märzgedenken
Lasst uns Bündnisse schließen, um eine neue Einheitsfront zu bewerkstelligen!
Bei der Gedenkveranstaltung zu den Märzkämpfen 1920, die am Samstag in Gelsenkirchen stattfand, sprach Anna Bartholomé für die MLPD zur Bedeutung dieses Gedenkens und über die Lehren für heute. Rote Fahne News dokumentiert den Beitrag.
Liebe Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen,
warum erinnern wir hier und heute an Ereignisse, die immerhin 105 Jahre zurückliegen? Die Freunde von AUF Gelsenkirchen haben in ihrer Rede anschaulich gemacht, was damals Bewegendes passiert ist und in kaum einem Geschichtsbuch Erwähnung findet. Hier stehen wir vor der in Stein gemeißelten Erinnerung.
Ich will in dem Zusammenhang auf eine heute besonders wichtige Frage eingehen: In einer großen Einheitsfront von sozialdemokratischen, kommunistischen, christlichen, freidenkerischen Männern und Frauen gelang es 1920 mit einem Generalstreik und der bewaffneten roten Ruhrarmee, einen faschistischen Putsch niederzuringen. In dieser Einheitsfront hatten sie gegenseitig Vorbehalte und schlechte Erfahrungen überwunden, um diesen gemeinsamen Gegner niederzuringen.
Die kommunistischen Arbeiterinnen und Arbeiter hatten gute Gründe für Wut und Verachtung gegenüber der Führung der sozialdemokratischen Partei. Die hatte 1914 den Kriegskrediten des deutschen Kaiserreichs zugestimmt – übrigens mit der Begründung, dass Deutschland vom zaristischen Russland bedroht würde. Sie hatte die Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg zugelassen. Und nach dem großartigen Erfolg gegen die Kapp-Putschisten hatte die damalige sozialdemokratische Regierung die Kämpferinnen und Kämpfer der Roten Ruhrarmee wieder verraten, sie bewegt, die Waffen niederzulegen – und die Freikorpstruppen, die schon die Mörder von Luxemburg und Liebknecht waren, metzelten nun tausende der Märzkämpfer ...
Diese tiefen Wunden, die nie richtig verarbeitet wurden, haben dazu beigetragen, dass es keine neue Einheitsfront gegen das Aufkommen des Hitlerfaschismus gab. Die SPD-Führung lehnte mit antikommunistischen Motiven ein Zusammengehen mit der KPD ab, hetzte, dass man keineswegs ein neues sozialistisches Land haben wolle, wie es in der Sowjetunion im Aufbau war.
Aber auch die KPD hat den schweren Fehler gemacht, alle Sozialdemokraten als Sozialfaschisten zu verunglimpfen. Das war nicht nur eine gewaltige Geringschätzung dessen, was mit dem drohenden Faschismus kommen würde, sondern hinderte bis an die Basis einen Zusammenschluss von Kommunisten und Sozialdemokraten mit Parteilosen für eine neue Einheitsfront.
Gemeinsam fanden sich schließlich Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Christen, Künstlerinnen und Künstler, Jüdinnen und Juden in den Konzentrationslagern zusammen, in die die Hitlerfaschisten Schritt für Schritt alle Gegner von Krieg und Faschismus einsperrten, folterten und töteten.
Diese Menschen starben für die Befreiung der Arbeiterklasse. So steht es hier auf dem nach der Zerstörung durch die Nazis wieder errichteten Mahnmal: auf der linken Seite Kämpfer gegen den Kapp-Putsch und rechts – bewusst repräsentativ - Kommunisten, Sozialdemokraten, Juden.
Lasst uns das eine Ermutigung sein, heute, wo die akute Gefahr eines modernen Faschismus droht. „Alle zusammen gegen den Faschismus“, „Für das Verbot der AfD“ heißt es bei den großen antifaschistischen Demonstrationen der letzten Wochen. Lasst uns Bündnisse schließen gegen Vorbehalte, weltanschauliche Differenzen und möglicherweise schlechte Erfahrungen miteinander, um eine neue Einheitsfront zu bewerkstelligen.
Damit kann der Faschismus verhindert werden – das haben die Erfahrungen vor 105 Jahren gezeigt.