Verhandlungsergebnis bei Mercedes
„Giftliste“ entschärft - aber Angriffe keineswegs vom Tisch
Am 4. März gaben der Mercedes-Vorstand und der Gesamtbetriebsrat (GBR) nach langen Verhandlungen über das sogenannte Kostensparprogramm Next Level Performance (NLP) ein Eckpunktepapier bekannt. Für den GBR sei damit die „Giftliste weitgehend abgewehrt“ [1].
In der Belegschaft gibt es als erste Reaktion auch ein Aufatmen, dass es nicht so schlimm gekommen ist, wie vom Vorstand angekündigt und wie aufgrund der überall stattfindenden Angriffe erwartet wurde. Aber sofort kritisieren Kollegen auch berechtigt die massiven Kürzungen und Verschlechterungen.
Mercedes-Chef Ola Källenius will damit den Eindruck eines Generalangriffes vermeiden - wohlweislich, angesichts der andauernden offenen politischen Krise in Deutschland. Und nicht zuletzt kam beim IG-Metall-Aktionstag am 15. März und im Tarifkampf im Öffentlichen Dienst die Kampfbereitschaft der Beschäftigten deutlich zum Ausdruck.
Fakt ist jedoch, dass der Vorstand am Ziel festhält, fünf Milliarden Euro bis 2027 einzusparen. Der sonst so mit Fakten argumentierende Källenius spricht nur davon, dass der Stellenabbau „umfangreich“ werde. In verschiedenen Medien wird die Vernichtung von bis zu 20.000 Arbeitsplätzen angekündigt. Um die Belegschaft zu beruhigen und vom Kampf dagegen abzuhalten, hat Källenius der Verlängerung der "Zukunftssicherung" (ZuSi) um fünf Jahre bis Ende 2034 zugestimmt, also dem Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen. Dass die "ZuSi" durch die "Schlechtwetterklausel" (Revisionsklausel) jederzeit infrage gestellt werden kann, kritisieren inzwischen nicht wenige gewerkschaftlich aktive Kolleginnen und Kollegen.
Auch ist vielen bewusst, dass in den letzten Jahren massenhaft Leiharbeiterstellen und Arbeitsplätze der Stammbelegschaft vernichtet wurden. Das soll mit dem neuen Abfindungsprogramm für die Beschäftigten im indirekten Bereich, wo Auslagerungen drohen, und vor allem im Angestelltenbereich erheblich verschärft werden. „Das sind auch unsere Kollegen“, sagte ein Vertrauensmann auf der Vollversammlung, und wandte sich damit gegen spalterische Töne von Betriebsräten, dass der Personalabbau „nur Angestellte“ betreffen würde.
Der vom GBR vollmundig verkaufte „Erhalt der Ergebnisbeteiligung (und des Jubiläumsgeldes)“ trifft allerdings nur auf dieses und nächstes Jahr zu. Was ab 2027 kommt, steht in den Sternen. Die vom Vorstand gewollte drastische Kürzung der Ergebnisbeteiligung ist also nur auf später verschoben. Ein Tabubruch ist, dass die vom Vorstand geforderte 50-prozentige Kürzung der Tariferhöhung zumindest teilweise kommt. Denn 50% der Erhöhung des tariflichen Grundentgelts werden auf die übertarifliche Zulage angerechnet (also davon abgezogen). Also sind es statt 2% Lohnerhöhung im April diesen Jahres nur 1%! Nächstes Jahr dasselbe Spiel: Statt 3,1% nur 1,55% Erhöhung.
Diese Vereinbarung steht in einer Reihe mit der von VW und soll eine Blaupause sein, dass auch andere Betriebe ihre Belegschaften zu Lohnabbau erpressen. Ebenfalls widerspricht es den Beschlüssen der IG Metall, wenn Mercedes zugestanden wird, dass der Soll-Anteil der Leiharbeiter an der Belegschaft von acht auf 10 Prozent erhöht und ihre Einsatzzeit von 36 auf 48 Monaten verlängert werden kann.
All das wirft die Frage auf, warum die IG Metall- und Betriebsratsführung einen solch faulen Kompromiss eingeht und akzeptiert, dass Mercedes zigtausende Arbeitsplätze vernichtet. Und das Ganze noch als „Zukunftssicherung“ verkauft. Das Gegenteil ist der Fall: Wo soll unsere Jugend noch Arbeit finden, wo fast überall in Betrieben ähnliche Pläne durchgesetzt werden sollen?
Auf Kritiken daran und Forderungen von Kollegen nach Kampf um jeden Arbeitsplatz und für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich wird diesen vorgehalten, dass dafür nicht die Zeit wäre. Das würde die Autos verteuern. Das kannten wir bisher von bürgerlichen Ökonomen mit ihrem Märchen von der "Lohn-Preis-Spirale!". Tatsächlich ist der Lohnanteil am Umsatz bei Daimler für Produktionsarbeiter bei deutlich unter 10%. Also würde selbst eine Lohnerhöhung von 10% die Gesamtkosten für Mercedes nur um 1% steigern. Das kann wohl schlecht der Grund für teurere Autos sein.
Die Logik von Ergün Lümali, dass auch die Kollegen "verzichten" müssen, wird immer breiter kritisiert. Warum sollen die Arbeiter Verantwortung übernehmen für die Auswirkungen des kapitalistischen Krisenchaos? Immerhin hat Mercedes in 2024 10,4 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Milliarden werden jedes Jahr aus den Kollegen herausgeholt, aber sie sollen verzichten? So nicht!
Auch wenn Mercedes einzelne Zugeständnisse gemacht hat: Der Weg des Verzichts und der Erpressung darf keine Schule machen. Das Eckpunktepapier ist als fauler Kompromiss abzulehnen! Die MLPD fördert mit ihren Betriebsgruppen bei Mercedes den Weg der Arbeiteroffensive.
- Für gewerkschaftliche und selbständige Kämpfe für die 30 Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, volle Auszahlung der Tariferhöhungen, feste Übernahme aller Leiharbeiter und Befristeten!
- Für ein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht!
[1] IGM Betriebsrat „Scheibenwischer“ 4.3.