Dazu führt Faschismus, wenn man ihn gewähren lässt

Dazu führt Faschismus, wenn man ihn gewähren lässt

Blutspuren deutscher Faschisten und ihrer Kollaborateure - Sobibor

Im von Deutschen besetzten Polen wurde Anfang 1942 in Sobibor, im heutigen Dreiländereck zu Belarus und der Ukraine, das Vernichtungslager Sobibor errichtet. Zusammen mit den Lagern Belzec und Treblinka wurde im Rahmen der "Aktion Reinhardt" die planmäßige Ermordung von Juden vorbereitet. Dem fielen etwa 250 000 Menschen in den Gaskammern zum Opfer.

Gastbeitrag von Raimon Brete, Chemnitz
Blutspuren deutscher Faschisten und ihrer Kollaborateure - Sobibor
Gedenktafeln – nach 1993 aufgestellt auf Initiative von Thomas Blatt, einem Überlebenden des Aufstandes (Azymut [Rafał M. Socha] (CC BY-SA 4.0))

Die Aufsicht oblag der SS, im Zusammenwirken mit "Trawniki-Männern" (faschistische Hilfstruppen), die einen maßgeblichen Anteil in der Umsetzung der "Aktion Reinhardt" hatten. Meist pauschal als Ukrainer oder Hilfswillige bezeichnet, handelte es sich tatsächlich um eine sehr heterogene Gruppe.

 

Die Opfer wurden durch Motorabgase erstickt und der gesamte Besitz gesammelt, sortiert und gelagert. Die Ermordeten wurden von einem Arbeitskommando in einer Grube verscharrt. Ab Sommer 1942 mussten die Arbeitskommandos die Leichen ausgraben und verbrennen, bevor sie selbst ermordet wurden.


Als Kommandant des Lagers wurde im April 1942 SS-Obersturmführer Franz Stangl eingesetzt. Nachfolger Stangls wurde Franz Reichleitner (September 1942 – November 1943). Der Vertreter blieb auch unter ihm in dieser Zeit, Gustav Wagner.


Himmler besuchte das Lager am 12. Februar 1943. Da kein Transportzug erwartet wurde, schaffte man 100 Frauen aus Lublin ins Lager, um ihm den Vernichtungsvorgang zu demonstrieren. Im Juni 1943 wurde der äußere Zaun des Lagers zusätzlich vermint.


2014 wurden bei Ausgrabungen unter anderem Reste von vier ehemaligen Gaskammern wiederentdeckt.

 

Am 14. Oktober 1943 kam es in Sobibor zu einem Aufstand mit anschließender Massenflucht. Planung und Durchführung gingen mehrheitlich zurück auf sowjetische Kriegsgefangene unter Führung des Rotarmisten Alexander Petscherski und des Zivilgefangenen Leon Feldhendler. Viele Gefangene starben im Kugelhagel der Wachleute oder im Minenfeld außerhalb der Stacheldrahtumzäunung. 365 Gefangene konnten aus dem Lager fliehen, davon erreichten etwa 200 den naheliegenden Wald. Bis zum Ende des Krieges konnten nur 47 Flüchtlinge des Lagers untertauchen oder sich den Partisanengruppen anschließen.


Die SS ermordete danach die zurückgebliebenen Lagergefangenen, die nicht hatten fliehen können. 


Das Lager wurde nicht weiter genutzt, sondern dem Erdboden gleichgemacht. Danach blieben ein unverdächtig aussehender Bauernhof und ein speziell aufgeforsteter Jungwald auf dem ehemaligen Gelände des Vernichtungslagers zurück.


Nur ein kleiner Teil der Täter wurde vor deutschen Gerichten angeklagt. Stangl, der erst 1967 in Brasilien entdeckt worden war, wurde 1970 in Düsseldorf zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt. Auch sein Stellvertreter, Gustav Wagner, wurde in Brasilien aufgespürt; er nahm sich laut Aussage seines Anwalts 1980 das Leben.

 

In Kiew wurden in den 1960er-Jahren in zwei Prozessen ukrainische Wachmänner angeklagt, dabei wurden dreizehn Todesurteile und eine lebenslange Zuchthausstrafe verhängt. Zu den Trawniki gehörte auch der Ukrainer Demjanjuk, der von März bis September 1943 in Sobibor eingesetzt war. Er wurde am 12. Mai 2011 wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 27.900 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.