Gewerkschaftlicher Aktionstag
Über 80.000 bei fünf Protestaktionen der IG Metall
Die IG Metall beziffert die Teilnehmerzahl der gestrigen Gewerkschaftskundgebungen in Köln, Stuttgart, Hannover, Frankfurt am Main und Leipzig mit 81.000. Das ist ein wichtiger Erfolg der Mobilisierung in Betrieben und Gewerkschaften, vor allem der IG Metall, aber auch der IGBCE und weiterer Gewerkschaften.
Von überallher waren Kolleginnen und Kollegen mit Bussen in eine der fünf Städte gekommen. Sie demonstrierten ihre Entschlossenheit, Arbeitsplatzvernichtung, Betriebsschließungen, Lohndrückerei und Spaltung nicht hinzunehmen. Ihren Protest und ihre Forderungen richteten sich an die Konzerne und an die Regierung. Noch gar nicht im Amt, bekommen Merz und die SPD es mit ersten Arbeiterprotesten zu tun. Zumal gleichzeitig ver.di-Kolleginnen und -Kollegen in der laufenden Tarifrunde darauf bestehen, dass sie die volle gewerkschaftliche Kampfkraft entfalten können. Viele Grüße und Solidaritätsbotschaften gingen von den gestrigen Kundgebungen an die ver.di-Kolleginnen und -Kollegen.
Die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner stellte bei der Kundgebung in Hannover heraus, dass die Industriearbeiter und -angestellten umweltpolitisch sinnvoll produzieren können und wollen und prangerte die Konzernvorstände an: "Sie bauen ab, kürzen, wollen verlagern." Auch bei den anderen Kundgebungen gab es zu Recht von führende IG-Metall-Funktionären kämpferische Töne. Sie wandten sich gegen Arbeitsplatzvernichtung, den Abbau sozialer Errungenschaften und die Abwälzung der Krisenlasten auf die Beschäftigten.
Eine Gemeinsamkeit der offiziellen Reden war der Appell an die Regierung, die Energiepreise für die Industrie zu senken. "Wir brauchen einen bezahlbaren Industriestrom" war eine zentrale Forderung der Redner. Der Industriestrompreis beträgt heute schon nur 16,8 Cent, bei stromintensiven Unternehmen sogar nur 10,5 Cent pro Kilowattstunde (KWh). Der durchschnittliche Strompreis für die Bevölkerung beträgt dagegen 28 Cent pro KWh. Die Forderung der IG-Metall-Führung bedeutet eine weitere Umverteilung in die Taschen der Industrie. Die Forderung nach Senkung des Industriestrompreises wurde entsprechend auch schon vor dem Aktionstag in vielen Belegschaften kritisch diskutiert. Überhaupt wurde in den offiziellen Reden und Berichterstattung häufig auf "bessere Bedingungen für die Industrie" orientiert", also auf Klassenzusammenarbeit abgehoben.Es gab viele Diskussionen, dass nur der Weg des entschlossenen Kampfs für Arbeiterinteressen der richtige weg ist,
Kritisch wurde auch diskutiert, dass zumindest auf einigen Kundgebungen vom Podium aus nicht Position gegen die faschistische AfD und gegen die Hochrüstungspolitik bezogen wurde.
Köln: Kämpferische Stimmung und großer Gesprächsbedarf
23.000 Kolleginnen und Kollegen demonstrierten Köln mit einem Fahnenmeer und kämpferischer Stimmung gegen den Generalangriff auf ihre Arbeitsplätze und Lebenslage. Neben Fahnen der IG Metall sah man die IGBCE, Ver.di, die SPD und die MLPD. Kollegen aus dem IG-Metall-Vertrauenskörper standen mit ihrem Transparent „Bundesweit streikbereit - Ford, VW, Thyssen – alle gemeinsam" nahe an der Bühne und gut sichtbar für alle, auch über die große Videowand. Die Moderatorin grüßte insbesondere auch die streikenden Ver.di Kollegen.
Als Vertreter der Ford-Belegschaft sprachen der Betriebsratsvorsitzende Benjamin Gruschka und der Leiter des IG-Metall-Vertrauenkörpers David Lüdtke. Sie schilderten die Empörung der Belegschaft über die Kündigung des Insolvenzschutzes der Belegschaft der Ford-Werke GmbH durch das US-Management.
Weitere Redner betonten, dass sie sich dafür einsetzen werden, dass die künftige CDU-SPD-Regierung das ankündigte dreistellige Milliarden-Programm vor allem auch für die „Wettbewerbsfähigkeit" der deutschen Industrie und damit den Erhalt von Arbeitsplätzen investieren müsse. Für diesen Versuch, Hoffnungen der Kundgebungsteilnehmer auf Subventionen für die Kapitalisten und auf die künftige Regierung zu lenken, gab es deutlich weniger Applaus.
Vertreter der IG-Metall-Jugend forderten einen Kampf um mehr Ausbildungsplätze, deutlich höhere Ausbildungsvergütungen, damit den Azubis ein Start in ein selbständig finanziertes Leben ermöglicht werde. Sie setzten sich auch für bezahlbare Wohnungen für Azubis und Studenten ein und einen günstigen und zuverlässigen ÖPNV. Sie forderten eine gesetzliche Übernahmeverpflichtung nach der Lehre.
Es gab eine große Aufgeschlossenheit und großen Gesprächsbereitschaft an den Ständen der MLPD (ein Hot-Spot und ein Büchertisch) und gegenüber den Verkaufstruppe mit dem Roten-Fahne-Magazin. 47 Exemplare des Rote-Fahne-Magazins wurden verkauft, mehrere Kollegen wollten Kontakt haben zur MLPD. In den Gesprächen ging es überwiegend darum, warum und wie mit dem Sozialismus die kapitalistischen Krisen überwunden werden können. Gerade Jugendliche interessierten sich dafür, was überhaupt Sozialismus ist, wie er funktioniert. Auch gab es Gesprächsbedarf zum antifaschistischen Kampf, wobei die Überwindung von Gräben und die Zusammenarbeit, die wir als Erfahrung aus der Geschichte anstreben, begrüßt wurden.
Die Veranstaltung war kulturvoll mit Liedern der Band „Gehörwäsche" am Hotspot der MLPD, einem Chorgesang von jungen IG-Metallern auf der Bühne und dem abschließenden Kurzkonzert der Band „Querbeat", einer 12-köpfigen Brasspop-Band (Blaskapelle mit Gitarrenunterstützung) aus Köln. Sie sang unter anderen ihr Lied „Kein Kölsch für Nazis".
Zwei Berliner Metaller berichten aus Leipzig: Zwischen Arbeiterstolz und Standortdenken
Erstmal ein großes PLUS: Es waren mehrere Zehntausend IG-Metallerinnen und -Metaller zeitgleich und kämpferisch auf den Beinen! Super war das reihum Zusammenschalten aller fünf Kundgebungen in Leipzig, Hannover, Stuttgart, Köln und Frankfurt. Spürbar waren Stolz auf die Arbeit der Belegschaften, Stolz auf unsere gewerkschaftliche Kraft. Und eine Entschlossenheit, jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz energisch zu verteidigen. Insofern auch eine klare Ansage an jede neue Regierung: Mit uns ist nicht zu spaßen!
Wir fragten uns aber auch: Warum positioniert sich denn nicht ein einziger Bühnen-Beitrag (zumindest in Leipzig) gegen die faschistische Gefahr? Die Konzerne werden überall mit zig Milliarden aus den Staatskassen gefüttert und die Völker werden gegeneinander aufgebracht. In unseren Gewerkschaften muss das internationale Solidaritätsgefühl gestärkt werden!
Stuttgart: Großes Diskussionsbedürfnis unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern
Aus Stuttgart berichtete Rote Fahne News bereits gestern. Hier eine Ergänzung: MLPD und REBELL nahmen aktiv an der IG-Metall-Demo in Stuttgart teil. Vor Beginn mit einem Hotspot und bei der Kundgebung auf dem Schlossplatz mit etwa 25.000 Teilnehmern aus Bayern und Baden Württemberg. Es zeigte sich auch ein großes Diskussionsbedürfnis, nicht nur zur drohenden Arbeitsplatzvernichtung, sondern auch zur Hochrüstungspolitik, den sogenannten Sondervermögen mit Rekordverschuldung, die vom Bundestag beschlossen werden sollen. Die Meinungen dazu gingen weit auseinander. Ebenso zum Kampf gegen die faschistische Gefahr. So meinten einige Kollegen, dass mehr gegen "Zentrum Automobil" getan werden muss. IG Metaller aus Bamberg dagegen meinten, die AfD sei jetzt die Arbeiterpartei, nachdem es die SPD nicht mehr sei und wollten darüber nicht reden. Das haben wir intensiv diskutiert. Wir verkauften insgesamt 25 Ausgaben des aktuellen Rote Fahne Magazins, einige REBELL Magazine und bekamen 47,25 Euro Spenden für ältere RF Magazine, Aufkleber oder Flyer. Auch Mitglieder der Linkspartei und des BSW, die als Parteien außer der MLPD sichtbar waren, zeigten Interesse, in Verbindung zu bleiben, ebenso wie einzelne Betriebsräte und IG-Metall-Bevollmächtigte.