Sozialismus im Nachtgetümmel
Köln: Experiment Kneipentour gelungen
Am vergangenen Samstag stürzten wir uns mit vier Leuten ins Kölner Nachtleben. Bepackt mit der Wahlzeitung, Parteiprogrammen, revolutionären Büchern und der Roten Fahne.
Im üblichen Spätsommer-Wahlkampf hatte das immer gut funktioniert. Aber bei den Temperaturen? Wir waren gespannt. Schon das erste Pärchen, das wir ansprachen, zeigte, das Wetter ist zweitrangig. Ein kurdisches Paar aus dem Nordirak, revolutionär eingestellt, quasi auf der Suche nach der MLPD, gab uns seine Kontaktdaten und 20 Euro Spende.
Und der Abend sollte international bleiben. Lange Gespräche mit einer Peruanierin, einer Türkin, die in den USA aufgewachsen ist, weiteren Kurden, einem Palästinenser, Spaniern und natürlich unzähligen Deutschen. Die Politisierung gerade vieler junger Leute war mit Händen zu greifen. Ganze Cliquen stürzten sich mit uns in die Diskussion und vergaßen zeitweise, dass sie eigentlich noch verabredet oder zum Feiern losgezogen waren. Eine junge Frau fragte uns Löcher in den Bauch. "Was wollt ihr denn konkret ändern?" und "wie stellt ihr euch Sozialismus vor, wenn nicht wie in der DDR?"
Vor der Cuba-Bar mit Che Logo entspannen sich gleich eine ganze Reihe Diskussionen parallel. Natürlich gab es auch Ablehnung, Desinteresse und einzelne spöttische Kommentare. Aber man spürte den Unterschied zum Beispiel zum Stand am Vormittag. Da sind die Menschen meist sehr zielgerichtet auf dem Weg zur nächsten Besorgung und einfach beschäftigt. Abends, im Freizeitmodus lassen sich viele gerne auf einen Plausch ein. Sehr oft strömten die Leute erst achtlos an uns und unseren Zetteln vorbei, bis sie das Wort "Sozialismus" hörten. Da drehten eine ganze Reihe bewusst um und die Diskussion begann.
"Make Socialism great again" wurde Gesprächsthema auf der Zülpicher Straße. Ca. 250 Wahlzeitungen und eine ganze Reihe Parteiprogramme haben wir weitergegeben und einige Kontakte bekommen. Beim Ausklang, auf dem Tisch prächtige Fallafel-Teller, war auch der iranische Freund sehr froh, dabei gewesen zu sein. Er kennt uns erst seit der
vorletzten großen Antifa-Demo. Als vor dem Fenster ein paar angetrunkene Jungs Aufkleber auf unser schönes Marx-Plakat an der Laterne kleben, ist er als erstes draußen. "Hey, das ist Karl Marx. Wenn ihr den beklebt, nehmen wir das persönlich!"
Trotz Kälte zum Nachahmen empfohlen.