Kampfbereitschaft und Nachdenklichkeit
Ford-Köln – Betriebsversammlung: „Es muss einen großen Kampf geben ...“
Die gemeinsame Betriebsversammlung im Kölner Ford-Werk vom 10.12.24 wurde heute „fortgeführt“. Am Ende, als nach knapp drei Stunden alle wieder an die Arbeit gingen, wurde sie für „nicht beendet, sondern für unterbrochen“ erklärt.
Vertrauensleute und kämpferische IG Metaller der Fahrzeugfertigung (Y-Halle) organisierten einen kämpferischen Demozug mit IG-Metall-Fahnen, Transparenten, Megafon und Sprechchören. Das sprach vielen aus dem Herzen: „Kampf – um – je-den Arbeitsplatz!“ schallte es. „Bundesweit Streikbereit – Ford, VW, Thyssen – gemeinsam!“ hieß es auf einem großen Transparent. Sie wurden vom Großteil mit Applaus begrüßt, als sie stolz in die bis auf den letzten Platz besetzte Halle einzogen. Im Vergleich zur letzten Betriebsversammlung am 12. Dezember 2024, als Bundeskanzler Scholz da war, gab es weniger Schilder und Redebeiträge. Die gewachsene Kampfbereitschaft hat sich mit einer nachdenklichen Stimmung verbunden, wie jetzt der Kampf um jeden Arbeitsplatz geführt werden muss.
Das Bewusstsein wächst, dass ein erfolgreicher Kampf um jeden Arbeitsplatz eine höhere Herausforderung ist, als man sich das vielleicht bisher vorgestellt hat. Das drückt sich aus in der großen Beteiligung, obwohl sich ca. neunzig Prozent von der Ford-Geschäftsleitung gar nichts Neues erwarteten. Vereinzelte Hoffnungen „Vielleicht gibt es ja gute Nachrichten aus Detroit heute ...“ endeten dann doch in der Erkenntnis: „Naja, das ist eigentlich eher Zweckoptimismus. Aber Resignation ist ein schlechter Ratgeber." Dazu muss man sich im Rückblick vergegenwärtigen, welche Entwicklung die Belegschaft zwischen der ersten Betriebsversammlung, wo die geplante Arbeitsplatzvernichtung bekannt wurde, und dem Scholzbesuch durchgemacht hat! Von einer Versammlung mit kaum Diskussion zu einem Riesenprotestempfang des Bundeskanzlers mit einer Vielzahl kämpferischer Redebeiträge, mit Protestschildern und -transparenten.
Viele Gespräche vor und nach der Betriebsversammlung gingen schnell dazu über, alles aus einem größeren Blickwinkel und politischer zu betrachten: „In Deutschland wird zu wenig demonstriert!“, so ein Vertrauensmann. Eine junge Kollegin: „Wir müssen unsere Stimmen viel mehr erheben, es müssen mehr Menschen auf die Straße gehen!“ „Das ist heute bei uns wie bei Opel ...“ diskutierte eine Gruppe beim Rausgehen. „Wenn ich das so sehe, muss das einen großen Kampf geben.“ Die Reaktion auf die Ansprache der MLPD-Genossen am Tor für eine Zusammenarbeit war freundlich, überlegend – die Offenheit wächst. Ein Kollege, zu dem seit längerer Zeit Kontakt besteht, meint: „Viele Kollegen verstehen noch nicht, was Kommunismus ist. Ging mir früher auch so – jetzt bin ich dafür.“
Die selbständige Streikaktion von 70 Kolleginnen und Kollegen der Y-Halle am 10.12. und weitere kleinere Aktionen und Pausenversammlungen hatten deutlich gemacht, dass Ford mit seinen Plänen zur Vernichtung von 2900 Arbeitsplätzen und womöglich Aufgabe des Kölner Werks auf Widerstand stoßen wird. Das war wohl der Hauptgrund, warum die Betriebsversammlung außer der Reihe durchgeführt wurde. „Ich denke, das ist als Zeichen der Belegschaft gedacht.“ oder „Immerhin sieht Ford, dass wir ein paar Stunden nicht produzieren. Wir nehmen das nicht so hin.“
Entsprechend kurz angebunden der Auftritt von Ford-Deutschland-Chef Wassenberg. Seine Wünsche für eine „Schönes neues Jahr!“ wurden mit Gelächter quittiert, „Unverschämt!“. Er ließ keine Zweifel an Fords Plänen – völlig egal, wie sie umgesetzt werden: „2900 Stellen müssen abgebaut werden, wir müssen in Verhandlungen darüber gehen.“ Und die Krankheitsquote müsse runter. Weg war er.
Danach folgte der Bericht des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Benjamin Gruschka, ergänzt durch die Worte der 1. Bevollmächtigten der IG Metall Köln-Leverkusen, Kerstin Klein. Die Forderung nach einer E-Auto-Kaufpreis-Prämie, die im Dezember noch noch im Zentrum stand, wurde abgehakt – dafür gebe es in der Regierung keine Mehrheit, „Merz hat meine Hoffnung zerstört“, so Gruschka. Er kritisierte, dass die Belegschaft seit Monaten hingehalten wird und mürbe gemacht werden soll. „Wir können uns auf das Management nicht verlassen.“ Das „Sicherheitsnetz“ erinnert an „Kein fällt ins Bergfreie“. Das war die von der RAG im Bergbau geschürte Illusion, die Arbeitsplatzvernichtung könne „sozialverträglich“ abgewickelt werden. Das scheiterte dort und auch bei Ford Saarlouis. Richtig!
Kerstin Klein gab bekannt, dass der Prozess der Sozialtarifverhandlungen nun starte. Aber warum Sozialtarifverhandlungen? Verhandlungen um einen Sozialtarifvertrag sind ein No Go! Sie zu akzeptieren, bedeutet Kapitulation. Sozialtarifverhandlungen akzeptieren die Arbeitsplatzvernichtung und es geht nur noch darum, wie die Arbeitsplätze bernichtet werden. Auch wenn um noch so teure Abfindungen gestreikt wird – die Arbeitsplätze fehlen der Jugend, das kann nicht akzeptiert werden. Kerstin Klein warnte, der Weg der Sozialtarifverträge sei der einzig „legale Weg“, um in Kampfmaßnahmen zu kommen. Ja - aber das heißt doch, dass die Gesetze falsch sind. Wenn wir kein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht haben, müssen wir darum kämpfen und es uns ggf. nehmen.
In der Aussprache wurde in fünf Redebeiträgen von Kolleginnen und Kollegen Ford scharf angegriffen. Wie man so dreist und abgebrüht mit über Zehntausend Familien umgehen kann! Es gibt keine "zwei Wege" des Streiks. Am Anfang des Streiks um jeden Arbeitsplatz stehen gewerkschaftliche und selbständige Akrionen, am Anfang eines "Streiks" um einen Sozialtarifvertrag steht bereits die Kapitulation.
Die Arbeiterklasse könne sich nicht an diese Bezeichnung von „legal/illegal“ anpassen. Während die Monopole Arbeitsplätze zu Zehntausenden „legal“ vernichten, soll der Streik dagegen „illegal“ sein? Diese Gesetze wurden infrage gestellt, auch ein politisches Streikrecht gefordert. Ein anderer kritisierte, dass die Fahrzeugfertigung völlig unterbesetzt arbeitet, seit Ende 2024 die 450 Randstad-Kollegen rausgeworfen wurden. Er forderte, pro Linienabschnitt fünf Leute einzustellen. Eine 30-Stundenwochen bei vollem Lohnausgleich würde weitere Arbeitsplätze sichern. Weitere kritisierten, dass die Einmalzahlung für Teilzeitbeschäftigte nicht voll, sondern nur anteilig ausbezahlt wird. Auch die arbeiterfeindliche und gefährliche faschistische Politik von Trump und der AfD wurde zerpflückt.
Zudem wird gefordert, dass die Belegschaften von VW, ThyssenKrupp, Ford und allen anderen den Generalangriff auf sie gemeinsam beantworten – und zwar nicht erst mit dem IG Metall-Aktionstag am 15. März nach der Bundestagswahl.
Deutlich mehr Leute blieben bis zum Schluss. Viel Stoff zum verarbeiten, es gibt viel zu klären.