Nvidia eingebrochen
DeepSeek erschüttert die US-amerikanische KI-Branche
Am 10. Januar veröffentlichte die gleichnamige chinesische Firma den Chatbot DeepSeek. Es zeigt sich schnell, dass dieser mindestens ebenbürtig zu ChatGPT, Gemini & Co. ist und in einigen Punkten sogar überlegen.
Vor allem aber kommt DeepSeek ganz offenbar mit deutlich weniger Ressourcen aus. Bisher hatte der US-amerikanische Konzern Nvidia quasi ein Monopol auf die dafür notwendigen Chips; in Folge gigantischer Gewinnerwartungen kletterte der Aktienkurs innerhalb eines Jahres um mehr als 170 Prozent. Jetzt brach er um 16 Prozent ein, Nvidia verlor über 660 Milliarden Dollar an Börsenwert. Einen derartigen Wertverlust gab es vorher noch nie. Der Vorgang zeigt die enorme Krisenanfälligkeit der kapitalistischen Wirtschaft, die zu einem großen Teil auf Spekulation beruht. Reale Gewinne durch KI sind bisher recht überschaubar, dafür mangelt es nicht an vollmundigen Ankündigungen. Der Investor Marc Andreessen verstieg sich kürzlich sogar zu der Behauptung, dank KI gebe es bald alle Dinge des täglichen Bedarfs nahezu kostenlos, also sei es auch kein Problem dass die Löhne durch KI in den Keller gehen ...[1]
Dazu schreibt Stefan Engel in seinem Buch, "Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus": "Der übermütige Begriff 'Künstlich Intelligenz' (KI) fast Computertechniken zusammen, mit denen Elemente und Prozesse logischen Denkens automatisiert werden, die über einfach kausale Beziehungen hinausgehen. Sie können auf empirischem Niveau für begrenzte Aufgabenfelder Lösungen finden und sich innerhalb der vom Menschen vorgegebenen Regeln selbst optimieren. Aus dieser Fähigkeit entwarfen viele Computerspezialisten ein Traumbild, wonach KI künftig menschliche Intelligenz ersetzen oder gar übertreffen könne. Bei aller Schnelligkeit und der unglaublichen Menge verarbeiteter Daten ist das keiner KI möglich." (S.91) Weiter schreibt er: "Supercomputer können spätestens Anfang 2022 mehr als eine Trillion Rechenoperationen pro Sekunde durchführen, wozu Menschen ohne technische Hilfsmittel niemals in der Lage wären. Diese Erfolge aber über die Fähigkeit der Menschen zum dialektischen Denken zu stellen oder mit ihr gleichzusetzen, verkennt die Qualität des dialektischen Denkens. Denn dieses ist in der Lage, zuvor nicht erkannte oder vorhandene neue Erscheinungen und wesentliche Veränderungen der Wirklichkeit zu erkennen, zu untersuchen, zu qualifizieren, schöpferisch zu verarbeiten und treffsicheres praktisches Handeln daraus abzuleiten. Ein solcher Erkenntnisfortschritt wiederum ist nur möglich aufgrund einer grundlegenden Einheit von Theorie und Praxis." (S. 94)
Die Entwicklung zeigt aber auch, dass der durch KI-Technologien zweifellos mögliche Fortschritt auch ohne die bisherige absurde Ressourcenverschwendung möglich ist. Statt sich aber zunächst darauf zu konzentrieren, die Leistung zu optimieren, wurden von OpenAI & Co einfach immense Summen in den Aufbau von Rechenzentren investiert, die im letzten Jahr etwa 450 Terawattstunden an Strom verbrauchten[2] – das ist deutlich mehr als der gesamte Verbrauch kleinerer imperialistischer Länder wie z.B. Norwegen oder Schweden (je ca. 150TWh).
Strategisch geschickt wurde DeepSeek veröffentlicht unmittelbar nach der Ankündigung des US-Präsidenten Donald Trump, mit dem „Stargate“-Programm bis zu 500 Milliarden Dollar in den Ausbau der Führungsstellung der US-Monopole in der KI-Branche zu investieren. Diese Führungsstellung ist durch die Veröffentlichung in Frage gestellt. Dazu noch einmal Stefan Engel: "Der Hype um die KI verschleiert unter anderem, dass die militärische Anwendung eine Haupttriebkraft ist. Die Förderung der KI ist zur Chefsache der imperialistischen Regierungen geworden. Staatliche Milliardenprogramme werden aufgelegt, um bei der Technologie der Digitalisierung die Führerschaft zu erringen." (S. 91)
DeepSeek wurde bewusst als quelloffene OpenSource-Software veröffentlicht, die jedermann herunterladen, nutzen, verändern und weiterverbreiten darf. Das hat seinen Grund weniger in der Wohltätigkeit der chinesischen Kapitalisten als in der Erwartung möglicher Gegenmaßnahmen. Bereits jetzt ist DeepSeek hunderte Male heruntergeladen und praktisch nicht mehr aus der Welt zu schaffen, selbst wenn die Trump-Regierung heute noch eine Sperre gegen DeepSeek selbst verhängt.
Tatsächlich gibt es jetzt Anschuldigungen, DeepSeek habe bei ChatGPT & Co abgekupfert. Was an den Vorwürfen dran ist, ist Stand jetzt nicht zu beurteilen, vorstellbar ist es allemal. Es entspricht auch dem Geschäftsmodell der US-Konzerne, Daten anderer Urheber ohne Rücksicht auf die darin steckende Arbeit und sogar gegen den erklärten Willen für das Training ihrer KI-Modelle zu nutzen und daraus Profit zu schlagen, da nehmen sich die chinesischen und die US-Monopole nichts.
Wir werden in naher Zukunft noch näher auf den praktischen Nutzen von KI-Technologien und ihre Auswirkungen in der kapitalistischen Wirtschaft eingehen. Wir freuen uns dazu über Zuschriften und Erfahrungsberichte aus eurem Alltag.
Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus
268 Seiten, 17,50 €