Massaker von Stilfontein/Südafrika

Massaker von Stilfontein/Südafrika

Die Verantwortlichen für das Stilfontein-Massaker müssen zur Rechenschaft gezogen werden

Entsetzliche Bilder gingen gestern um die Welt: 78 Leichen von Kumpeln werden mit einem Kran aus der Goldgrube ans Tageslicht gebracht, 246 ausgemergelte Kumpel, die dem Tode näher sind als dem Leben, gelten als gerettet. Die Polizei verhaftet 1500 Kumpel. Am Freitag, den 10. Januar, hatte der oberste Gerichtshof in der Hauptstadt Pretoria die südafrikanische Regierung zu dieser Rettungsaktion verpflichtet. Bis dahin hatten die dortigen Behörden jede Hilfe verweigert und die Kumpel als Verbrecher beschimpft, die es laut dem Minister im Präsidialamt, Khumbudzo Ntshavheni, „auszuräuchern" gelte. Nur durch den Einsatz vieler freiwilliger Helfer, die aus dem Land nach Stilfontein kamen, gab es überhaupt noch Überlebende.

Von gp / kp
Die Verantwortlichen für das Stilfontein-Massaker müssen zur Rechenschaft gezogen werden
Bild von der Protestaktion vor der Botschaft Südafrikas in Berlin (foto: Kumpel für AUF)

Seit Monaten saßen die Kumpel in dem verlassenen Goldbergwerk unter unmenschlichen Bedingungen fest, zeitweise ohne Nahrung und ohne Wasser. Hunderte sind gestorben, in einem Video von Unter Tage sind Stapel mit Dutzenden verschnürten Leichen zu sehen.¹ Im Dezember 2023 begann die südafrikanische Polizei, die Zugänge zu den Schächten zu versperren und die Unter Tage sitzenden Kumpel von jeder Versorgung abzuschneiden.

 

In Südafrika gibt es über 6100 von den Minenkonzernen verlassene Bergwerke, meist mit noch offenen Schächten – verbrannte Erde in Südafrika. Obwohl der industrielle Abbau für die Minenkonzerne nicht mehr profitabel ist, liegen nach Ansicht von Christopher Rurdledge vom Vorstand der Selbstorganisation MACUA¹ Mineralien im Wert von 13 Mrd. US-Dollar unter Tage. Deshalb ist mehr als verständlich, dass Menschen, die sonst nirgends Arbeit finden, das Risiko auf sich nehmen, unter lebensgefährlichen Bedingungen in einer Tiefe von bis zu 3 Kilometern nach Gold zu schürfen. In Südafrika gibt es keinen Markt für die Mineralien der Zama Zamas, wie die handwerklichen Bergleute genannt werden.


"Zama Zama" ist Zulu und heißt „Die nach Glück suchen“. Jedes Jahr gehen zig Milliarden Dollar Werte aus ihrer Arbeit ins Ausland. Kein armer Bergmann ist in der Lage, den Transport in die Häfen, die Verladung auf die Schiffe, den internationalen Handel zu organisieren. Das läuft durch ein korruptes Netzwerk der Unter Tage herrschenden Gangs, mit der Polizei und großen Firmen unter dem Schutz der Regierung. Das ist der Grund, warum der informelle Bergbau in diesem großen Stil in Südafrika überhaupt existiert. Geschätzt sind 36 000 Bergleute im handwerklichen Bergbau tätig. Sie werden kriminalisiert, weil sie angeblich dem Staat Gold stehlen. Außerdem sind sie mehrheitlich Migranten aus den umliegenden Ländern ohne Papiere und werden deshalb als Illegale wie Menschen zweiter Klasse behandelt.

 

In Stilfontein blockiert die von der Regierung eingesetzte Taskforce aus Polizei und Soldaten den Schacht. Sie verhinderte damit lange Zeit die Versorgung der Hunderten unter Tage festsitzenden Bergleute und sie verhinderte ihre Rettung. Das war Teil der landesweiten Regierungsoperation „Schließung der Löcher“. Die Ministerin im Präsidialamt sagte menschenverachtend: „Wir schicken keine Hilfe an Kriminelle. Wir werden sie ausräuchern.“

 

Die hunderte von Bergleuten konnten überhaupt nur so lange unter Tage aushalten, weil die Bevölkerung der umliegenden Gemeinden die Eingeschlossenen freiwillig und selbstlos notdürftig mit Essen und Trinken versorgt hat. Sie haben selbst eine Vorrichtung gebaut, um die Nahrungsmittel nach unten zu bringen und Leute hochzubringen. Selbst diese Vorrichtung wurde von der Polizei zerstört. Die menschenverachtende Haltung der Regierung unter Führung des ANC stieß unter der Bevölkerung auf zunehmenden Widerspruch und Proteste. Schließlich wurde der Druck auf die Regierung - auch durch die internationale Solidarität - so groß, dass sie vor vier Tagen eine Firma damit beauftragte, die eingeschlossenen Bergleute zu retten.

 

Am 12. Januar fand im Anschluss der LLL-Demonstration eine Protestaktion in Berlin vor der südafrikanischen Botschaft statt. Dabei waren unter anderem Mitglieder der kämpferischen Bergarbeiterbewegung Kumpel für AUF, eine Vertreterin der Internationalen Koordinierungsgruppe der internationalen Bergarbeiterkonferenz, der Sprecher der MLPD Sachsen-Anhalt, Vertreter des Freundeskreises Flüchtlingssolidarität. Sie protestierten mit Schildern „gegen die südafrikanische Regierung und Polizei“ und forderten die „sofortige Rettung der eingeschlossenen Bergleute“. Ein Bergmann von K+S sagte: „Das sind faschistische Methoden, mit denen dort vorgegangen wird. Es sollen neue Methoden etabliert werden, wie man gegen Arbeiter vorgeht und so wie sie es mit den Bergleuten machen, wollen sie es mit allen Arbeitern machen.“

 

Die Deutsch-Südafrikanische Freundschaftsgesellschaft Marikana hat von Anfang über diese unglaublichen Verbrechen informiert und eine Öffentlichkeit hergestellt. Sie hat eine Solidaritätserklärung an die Bergleute geschickt und Proteste an die Nordwest-Provinz und den Präsidenten der Republik Südafrika, Ramaphosa, geschickt. Sie informierte die United Front, die internationale Bergarbeiterkoordination, Solidarität International u.a. Auch eine Spendensammlung hat Marikana angeregt.

 

Insgesamt wurden durch die Rettungsaktion seit Montag 87 Tote aus dem Schacht geholt. Nicht die beauftragte Firma, sondern zwei Freiwillige stiegen in den Schacht, um die Toten und noch Lebenden zu bergen. Den beiden boten sich unvorstellbare Horrorbilder von ausgemergelten, zum Teil nicht mehr erkennbaren Leichen. Ein Mehrfaches an Toten konnte nicht mehr geborgen werden. Die Leichen waren schon zu verwest oder verstümmelt, oder Bergleute sind bei ihrem Rettungsversuch so tief abgestürzt, dass niemand mehr dran kommt.

 

Zur Rettungsaktion waren der Polizeiminister des ANC und der Bergbauminister der Kommunistischen Partei Südafrika angereist. Sie wiesen jegliche Verantwortung von sich, griffen im Gegenteil die Selbstorganisation MACUA und Bergleute an: „Keine Gnade“-Bergbauminister. Die beiden Minister mussten sich wegen heftiger Proteste der Bevölkerung unter Polizeischutz schnell wieder aus dem Staub machen.

 

Christopher Redledge sagt: "Wir werden nicht ruhen, bis die Verantwortlichen in Staat, Regierung und Polizei zur Rechenschaft gezogen werden. Das bewusste Verhungernlassen ist Mord. Deshalb stellen wir auch eine Mordanklage. Die Regierung muss auch für die monatelange Falsch- und Desinformation zur Verantwortung gezogen werden.“

 

Hier geht es zu einem Video, das einen Ausschnitt der Protestaktion zeigt