Schreiben von Gabi Fechtner u.a. an den Deutschen Presserat

Schreiben von Gabi Fechtner u.a. an den Deutschen Presserat

"In Sorge, aber auch mit kritischen Überlegungen"

Die MLPD-Vorsitzende Gabi Fechtner wendet sich in Sorge, aber auch mit kritischen Überlegungen an die Chefredaktionen, ebenso alle Redakteurinnen und Redakteure von Print- und Onlinemedien, Funk und Fernsehen und an den Deutschen Presserat e.V. Rote Fahne News dokumentiert das Schreiben.

"In Sorge, aber auch mit kritischen Überlegungen"
Die MLPD-Vorsitzende Gabi Fechtner im Gespräch (rf-foto)

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

heute wende ich mich in Sorge, aber auch mit kritischen Überlegungen persönlich an Sie.

1. Sorge …

… weil die AfD – meist zwar durchaus kritisch kommentiert – schon seit einiger Zeit in den Medien omnipräsent ist; weil seit der Intervention von Elon Musk in der „Welt am Sonntag“ einige Medien, Springer an der Spitze, dazu übergingen, offene Wahlwerbung für die faschistische AfD zu betreiben; weil inzwischen in mehreren Umfragen Alice Weidel als beliebteste Kanzlerkandidatin unter allen Kandidierenden gehandelt wird; weil damit ausgerechnet in Deutschland eine faschistische Partei im Aufwind ist und salonfähig erscheint; weil nach X auch bei Meta Desinformation und Hetze freie Fahrt erhalten. 

2. Kritik ...

…. weil eine manipulative Massenbeeinflussung in verheerender Weise um sich greift, an der viele Medien direkt oder indirekt beteiligt sind.

 

So herrscht seit Jahren in Deutschland in der bürgerlichen Medienwelt ein rigoroser Boykott gegen die MLPD und den wissenschaftlichen Sozialismus. Dadurch wird – ob gewollt oder nicht – der Eindruck erweckt, dass grundlegender Protest gegen die herrschende Politik nur von rechts, von der AfD möglich sei. So wird sie immer öfter mehr oder minder als einzige Protestpartei und Alternative propagiert. Natürlich gibt es einzelne couragierte Ausnahmen, die aber das Bild nicht wesentlich ändern. 

 

Wahlen werden mehr denn je dadurch entschieden, wie Medien informieren. Deshalb gibt es ohne freien Zugang zu den Massenmedien für alle demokratischen Kräfte auch keine freien Wahlen! Insofern ist mangelnde, ungleiche und manipulative Berichterstattung auch eine Form der Wahlbehinderung!

 

Das internationale Erstarken des Faschismus wurde wesentlich durch den Antikommunismus befeuert, der in der Geschichte schon immer sein Wegbereiter war und als Brandbeschleuniger wirkte.

 

Wir erwarten nicht, dass jeder die MLPD gut findet. Im Gegenteil – dann hätten wir etwas falsch gemacht! Von demokratischen Medien erwarten wir allerdings, dass der marxistische Standpunkt selbstverständlicher Teil der öffentlichen Debatte ist. Gerade angesichts der auch von Ihnen fortwährend analysierten Krisen des Kapitalismus, der explodierenden Zahl von Kriegsherden, der fortschreitenden Gefährdung der menschlichen Lebensgrundlagen erweist sich die Diskussion um eine grundlegende sozialistische Systemalternative als überfällig. Moderne marxistische Analysen, ein Sozialismus, der die Lehren aus der Geschichte zieht, hat dringend eine breite, sachliche Debatte verdient.

 

Sicher erfordert das angesichts der Staatsreligion des Antikommunismus in Deutschland auch etwas Mut – eine Eigenschaft jedoch, die die aktuelle Situation stärker denn je erfordert. Thomas Mann, der in diesem Jahr zu seinem 150. Geburtstag gewürdigt wird, sagte: „Der Antikommunismus ist die Grundtorheit des 20. Jahrhunderts.“ Ist es nicht an der Zeit, diese „Grundtorheit“ im 21. Jahrhundert hinter uns zu lassen? Die Menschheit ist doch in der Lage, Schlussfolgerungen aus Fehlern und auch Verbrechen im sozialistischen Aufbau sowie insbesondere aus seinem Verrat zu ziehen. Und sie darf auch die Errungenschaften des Sozialismus nicht ignorieren / verschweigen oder verunglimpfen. Wer will den Kapitalismus angesichts der Krisen und des Desasters, in das er uns geführt hat, noch als Ende der Geschichte akzeptieren?

 

Wird nicht auch viel zu wenig über den faschistischen Charakter der AfD aufgeklärt und stattdessen  die Taktik der Selbstverharmlosung mitgetragen? Grassiert nicht bei aller kritischer Diskussion auch Verharmlosung, indem Faschismus als »Rechtspopulismus« oder »Rechtsextremismus« bagatellisiert wird? Diese Verharmlosung ist auch ein Türöffner, dass – wie wir es gerade in Österreich erleben – in atemberaubendem Tempo vorher deklarierte »Brandmauern« niedergerissen werden.

 

Artikel 139 des Grundgesetzes, der das Potsdamer Abkommen bestätigt und damit alle Nachfolgeorganisationen der NSDAP sowie derartiger Propaganda verbietet, muss endlich konsequent angewendet werden! 

Im Widerspruch zum Pressekodex in Deutschland

Entsprechend unserer vielfältigen Arbeit mit zahlreichen Alleinstellungsmerkmalen erreichen mich durchaus oft Presseanfragen und -gespräche. Sämtliche Gesprächspartner bedanken sich für das informative und interessante – meist ausführliche – Gespräch. Und was passiert? Das letzte Lebenszeichen ist fast immer der Satz »ich gebe das jetzt an unsere Chefredaktion«. Offenbar setzt dann eine Zensur oder Selbstzensur ein. Es gibt sehr weitgehende Zensurbeispiele, so wenn in der WAZ in Gelsenkirchen vom 3.1.2025 alle Direktkandidatinnen und Direktkandidaten vorgestellt wurden, es wird sogar noch erwähnt, dass das BSW keinen hat  aber: Die Kandidatin der MLPD wird vollständig ausgeblendet.

 

Im Pressekodex des Presserates heißt es in Ziffer 1: »Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.«

 

In Ziffer  1.2.: »Zur wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit gehört, dass die Presse in der Wahlkampfberichterstattung auch über Auffassungen berichtet, die sie selbst nicht teilt.«

 

In Ziffer 12 Diskriminierungen: »Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder einer Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.«

 

Entgegen der Selbstverpflichtung in der Präambel, »nach bestem Wissen und Gewissen, unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen« zu berichten, kann der Boykott gegen die MLPD nur durch den »sachfremden Beweggrund« Antikommunismus begründet sein. Denn gerade die Alleinstellungsmerkmale unserer Arbeit sind zweifellos von objektivem Interesse für die gesellschaftliche Diskussion und ihre Ignoranz oder gar Unterdrückung sachlich nicht zu rechtfertigen:

 

  • Die MLPD war äußerst aktiv und berichtete kompetent und zeitnah mit Pressemitteilungen sowie dem Angebot zu Interviews aus den Kämpfen der Kolleginnen und Kollegen bei VW, Thyssen und weiterer Konzerne. Schließlich ist sie die einzige Partei mit organisierten Betriebsgruppen in den größten Konzernbetrieben Deutschlands. Das blieb oft ohne Resonanz. Dies obwohl unsere Aktivität nicht unwesentlich zur Verhinderung noch härterer Einschnitte im letztendlichen Tarifabschluss bei VW beigetragen hat.
  • Breit wurde über die Schwierigkeiten der »kleinen Parteien« bei der Unterschriftensammlung für die Wahlzulassung zur vorgezogenen Bundestagswahl berichtet.  Wir waren als erste erfolgreich darin, die ca. 40.000 Unterstützungsunterschriften in allen Bundesländern gesammelt zu haben – nur wenige der »kleinen Parteien« werden das überhaupt schaffen. Zudem setzten wir uns erfolgreich gegen einen zeitweilig durch den Bundeswahlausschuss geplanten Ausschluss der MLPD von der Wahl durch. Kaum ein Wort darüber!
  • Die wissenschaftlichen Berichte über die verheerende Entwicklung zu ökologischen Kipppunkten und damit die Gefährdung der menschlichen Lebensgrundlagen häufen sich. Die mediale Berichterstattung konzentrierte sich auf die gescheiterte und inzwischen aufgelöste »Letzte Generation« mit ihren spektakulären, aber auch massenfeindlichen Aktionen. Die allseitige wissenschaftliche Analyse unserer Autoren wie Stefan Engel in dem Buch »Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen!« und die seit Jahren beständigen umweltpolitischen Aktivitäten der MLPD: bei Ihnen keine Rede wert!

 

Kurzum: Eine marxistisch-leninistische Partei wird trotz relevantem Nachrichtenwert aus zentralen gesellschaftlichen Brennpunkten ignoriert, andere »Kleine« bekommen große Berichte, obwohl der Nachrichtenwert, die Relevanz sowie Nachhaltigkeit der Positionen und erst recht des praktischen Tuns gelinde gesagt mager sind.

Gegenargumente?

Welche Argumente begegnen uns bei der Kritik daran, dass und wie die MLPD aus der Berichterstattung ausgeblendet wird?

 

Ein Argument ist die »abgestufte Chancengleichheit«, nach der kleine Parteien weniger in den Medien behandelt werden. Unabhängig davon, dass wir dieses sachfremde Kriterium kritisieren, wird es in Wirklichkeit gar nicht angewandt. Über die Jahre wurden verschiedene kleine Parteien – wie zum Beispiel die Piraten, heute Volt – medial gehypt, bekamen relevante Wahlergebnisse und verschwanden in der praktischen Realität wieder in der Versenkung. Es ist also andersherum, mit der Entscheidung der Medien, über wen sie berichten, wird maßgeblich entschieden, wer überhaupt eine Chance bekommt. Ist es demokratisch, wenn schon vorbestimmt ist, dass die großen Parteien auch weiter groß bleiben werden und ein antikommunistischer Kodex die linke revolutionäre Alternative vollständig ausblendet?

 

Vielleicht argumentieren Sie auch, dass doch über DIE LINKE und BSW als linke Alternative berichtet wird.  Aber was ist denn mit der linken Parteienszene passiert? Sahra Wagenknecht und mit ihr das BSW – fast ausschließlich über die Medien bekannt und gehypt – sind zu einer neuartigen aber letztlich schlicht bürgerlichen, in vielen Fragen sogar rechtsorientierten Partei mutiert. Die Partei DIE LINKE enthält sich inzwischen weitgehend fundamentaler Systemkritik und erst recht dem Anspruch eines wissenschaftlichen Sozialismus und konzentriert sich auf einigermaßen linke Sozialpolitik.

Vorgebracht wird oft als Argument, dass die MLPD vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Aber das trifft inzwischen auch für weite Teile der AfD zu, über die aber alle Medien in sich steigernder Ausführlichkeit berichten. Die AfD fing viel später, kleiner, ohne Parlamentssitz und gesellschaftliche Relevanz an als die MLPD. Wenn man eine Partei wirklich bekämpfen will, dann schweigt man sie tot wie die MLPD und pusht sie nicht als angebliche Protestpartei und Alternative zum inzwischen vielfach verhassten bisherigen bürgerlichen Politikbetrieb.

 

Spielen Sie mal den Gedanken durch, damals hätte die MLPD eine solche Präsenz in den Medien bekommen statt der AfD …

 

Ein letztes Argument schließlich sind verleumderische – und vielfach vom Inlandsgeheimdienst lancierte – Attribute für die MLPD wie »antisemitisch«, »Putin-freundlich«, »stalinistisch«, »dogmatisch«, »in der Linken isoliert« usw. Das alles haben wir in Theorie und Praxis längst widerlegt.

 

In diesem Zusammenhang sei noch an Ziffer 2 des Pressekodex erinnert: »Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen … sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben.«

 

Wir senden diesen Brief auch mit einer Beschwerde an den Deutschen Presserat.

 

Für eine persönliche Debatte stehe ich gerne zur Verfügung.

 

Mit freundlichen Grüßen
Gabi Fechtner
Parteivorsitzende und Spitzenkandidatin der Internationalistischen Liste/MLPD