VW
Damit dürfen sie nicht durchkommen!
Die Rote Fahne Redaktion dokumentiert aus einer Extra-Ausgabe des „Vorwärtsgang“, der Zeitung von und für Kolleginnen und Kollegen in den deutschen VW-, Audi-, Porsche- und MAN-Werken, vom 6. Januar:
Es war einiges los seit September: Kämpferische Protestaktionen Zehntausender in den Werken. Fahrten nach Wolfsburg und Hannover mit jeweils Tausenden Beteiligten. Das alles noch in der Friedenspflicht. Es folgten zwei starke Warnstreikwellen.
Über 100.000 Kolleginnen und Kollegen haben sich beteiligt. Wir waren bereit für mehr. Aber die volle gewerkschaftliche Kampfkraft wurde nicht eingesetzt.
Wir haben uns zunehmend nicht an das schlechte Streikrecht gehalten, sondern den Weg des selbständigen Streiks diskutiert und trainiert. Das hat Zukunft. Der Streikaufruf des Vorwärtsgang am 5. Dezember traf den Nagel auf den Kopf. Er hat Massendiskussionen ausgelöst. „Ja, wir mussten selbständig streiken!“ „Aber was machen wir, wenn wir angegriffen werden?“ „Unser Schutz ist die Solidarität und unsere Zahl.“ „Ich würde ihr mitmachen, wenn die anderen … .“ „Eine Abteilung muss den Anfang machen.“
Große Pausenversammlungen, selbständige Demonstrationen während der Arbeitszeit, kurze selbständige Streiks in diversen Abteilungen zeigten: Auch wir VW-ler können in die Offensive gehen. Diesem Weg gehört die Zukunft – natürlich in Verbindung mit gewerkschaftlichen Streiks und Kämpfen, wo immer möglich.
Selten war eine Ausgabe des Vorwärtsgang so in der Öffentlichkeit und so umstritten wie das Extra zum Verhandlungsstand am 18. Dezember. Hetze und Hass einiger weniger. Zustimmung und Anerkennung vieler. Nach allem, was heute auf dem Tisch liegt, war das der reale Zwischenstand der Verhandlungen. Nicht der Vorwärtsgang hat „verunsichert“, sondern die Angriffe von VW bei den Tarifverhandlungen. Statt diese im Hinterzimmer geheim zu halten, hat der Vorwärtsgang sie veröffentlicht – richtig so! Nicht wenige meinen: Das hat zum längeren Erhalt des Werks Emden beigetragen. Die MLPD half mit ihrer Pressearbeit bei der Verbreitung der brisanten Infos.
Dann der Tarifabschluss: VW ist aufgrund unserer Kampfkraft und der Solidarität aus der Bevölkerung in die Defensive gekommen. Sie mussten davon abgehen, direkt drei Werke zu schließen. Sie verzichten auf „betriebsbedingte Kündigungen", also offene Massenentlassungen. Dafür versprechen sie uns eine „Beschäftigungssicherung“, die von vorneherein oberflächlich ist … . Aber: VW hat sich mit vielem durchgesetzt. 10 bis 15 Prozent weniger Lohn – durch Wegfall von Bonus und Urlaubsgeld, zwei Stunden Mehrarbeit für HTV I, Nichtzahlung der Tariferhöhungen. Wie sollen wir uns das leisten? Die Inflation geht nicht um 10 bis 15 Prozent zurück – im Gegenteil!
Außerdem 35.000 Entlassungen – was soll daran „sozialverträglich“ sein? Wie passt das zusammen mit der „Beschäftigungssicherung“? Noch ist nicht klar, wie VW das erreichen will.
Ein Massenmobbing gegen Kranke hat in den letzten Monaten schon begonnen. Erfahrungen anderer Werke zeigen, dass das ausgeweitet wird, damit viele „freiwillig“ kündigen. Jeder Arbeitsplatz fehlt in der Region und für künftige Generationen. Mit einer Absenkung der Arbeitszeit auf 30 Stunden pro Woche mit vollem Lohnausgleich könnten rein rechnerisch über 17.000 Arbeitsplätze erhalten werden.
Die Perspektive für Emden ist langfristig weiter unklar. Dresden und Osnabrück stehen vor dem Aus. 735.000 Einheiten weniger pro Jahr – das ist über die Hälfte der Kapazität der deutschen VW-Werke. Das wird auch für weitere Standorte den Tod auf Raten bedeuten.
Die Azubis sind besonders betroffen. Bisher 1400 Stellen, jetzt 650 – das ist weniger als die Hälfte. Eine Ausbildungsquote von nur noch 0,54 Prozent. Allgemeines Gejammer über den Fachkräftemangel, aber VW darf die Zukunft verbauen?
Die schallende Ohrfeige im Tarifabschluss können wir uns nicht gefallen lassen!
Die berechtigte Kritik an der Zustimmung der IG-Metall-Tarifkommission nimmt zu. Solche Abschlüsse dürfen nicht geheim und ohne Beratung und Zustimmung der IG.-Metall-Mitglieder ausgehandelt werden. Das müssen wir kritisch in der IG Metall diskutieren und unseren Protest zum Ausdruck bringen.
Viele sind der Meinung, wir währen mit einem „blauen Auge davongekommen“. „Weniger meckern, sondern glücklich sein“, sagte ein Kollege. Auch wenn VW in die Defensive kam – „glücklich“ können wir über den Abschluss nicht sein. Statt Lohnerhöhung verzicht auf ganzer Linie. Und warum? VW hat in den ersten drei Quartalen 2024 immerhin 12,9 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Gleichzeitig müssen sie die Ausbeutung steigern, für den Ausbau und Erhalt einer weltmarktbeherrschenden Stellung. Das geht auf unsere Knochen. Oliver Blume ist so unverschämt, nur zwei Wochen nach dem Tarifabschluss den ganzen Konzern zum „Sanierungsfall“ zu erklären. Weitere Angriffe werden also folgen. Wer heute mit dem „blauen Auge" davongekommen ist, der soll gleich morgen weiter geprügelt werden. Damit dürfen sie nicht durchkommen!
Unser Kampf geht weiter. In der jetzigen Friedenspflicht nimmt die Bedeutung selbständiger Kämpfe und Streiks zu. Pausenversammlungen, Arbeitsniederlegungen, Aktionen, Demonstrationen. Nutzen wir sie als Trainings für größere, selbständige, konzernweite Streiks.
Nur weil die Tarifrunde vorbei ist, haben wir das Kämpfen nicht verlernt. Wir haben gerade erst angefangen!
Der Vorwärtsgang schlägt als Kampfprogramm vor:
- Unbefristeter, konzernweiter selbständiger Streik für einen Lohnnachschlag von 20 Prozent!
- Kampf um jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz!
- Für ein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht!
- Für 10 Prozent Ausbildungsquote bei VW!
- Für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich!
- Einer für alle – alle für einen: Schluss mit Einschüchterungsmaßnahmen und Angstmache!
- Übernahme aller Leiharbeiter in unbefristete VW-Verträge!