Wohnortnahe Versorgung gefährdet
Krankenhausreform im Kapitalismus oder die Quadratur des Kreises
Auch nach dem Scheitern der „Ampel“-Regierung wurde das „Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz“ im Bundestag und am 22. November im Bundesrat mit Mehrheit beschlossen. Es tritt damit 2025 in Kraft. Die Mehrzahl der Krankenhäuser in Deutschland ist finanziell in Not.
2023 arbeiteten 61 Prozent der Krankenhäuser mit Verlusten, für 2024 erwarten bereits 79 Prozent der Kliniken ein Defizit. 46 Krankenhäuser haben seit Juni 2022 Insolvenz angemeldet, oft wird das Krankenhaus von einer anderen Klinik oder einer privaten Krankenhauskette geschluckt und „umstrukturiert“. 2024 wurden 24 Krankenhäuser geschlossen, betroffen waren mindestens 5.000 Beschäftigte. Hinzu kommen zahlreiche Schließungen von Abteilungen, darunter 16 Geburtshilfestationen. Aktuell laufen 22 Insolvenzverfahren.
Nach deutschen Gesetzen müssten die laufenden Betriebskosten einer Klinik durch die Vergütungen der Krankenkassen gedeckt werden, wobei die Maßstäbe für die Zuteilung auf Bundesebene beschlossen werden. Bautätigkeit oder Großinvestitionen in neue Technik zu finanzieren ist Aufgabe der Bundesländer. In beiden Bereichen besteht eine wachsende und chronische Unterfinanzierung, es herrscht ein teilweise verheerender Mangel beim Pflegepersonal und dringend notwendige Investitionen unterbleiben.
Dahinter stecken nicht einfach „Missmanagment“ oder „schlechte Regierungsarbeit“ - das sind die Folgen der verschiedenen gesetzmäßigen Krisen im Kapitalismus! Gegen teils unhaltbare Zustände in den Kliniken und Pflegeeinrichtungen entwickelt sich nicht nur der Widerstand der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft ver.di, auch Bürgerinitiativen, das „Bündnis Klinikrettung“ und die Bewegung „Gemeingut in Bürgerhand“ organisierten Streiks, Demonstrationen und weitere Protestaktionen. Das ist ebenso wie die Entwicklung einer globalen Gesundheitskrise eine internationale Erscheinung.
Das Parteiprogramm der MLPD deckt auf: „Gegen die Abwälzung von Krisenlasten auf den Rücken der Werktätigen ist international eine Bewegung zur Verteidigung der sozialen Errungenschaften entstanden. Sie wendet sich insbesondere gegen die Umverteilungspolitik im Sozial- und Gesundheitswesen, im Bildungs- und Kulturbereich, gegen Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen und steigende kommunale Gebühren.“ (S.123)
Lauterbach will „ungeordnete Insolvenzen“ vermeiden
In der Tat: Die Ausgaben im Gesundheitswesen steigen Jahr für Jahr, vornedran für Arzneimittel und Krankenhäuser - letztere sind im Jahr 2023 auf 120,3 Milliarden Euro gestiegen. Der gesetzliche Zusatzbeitrag der Krankenkassen stieg auch deswegen mit der Jahreswende im Durchschnitt von 1,7 auf 2,5 Prozent. 2003 wurde das bis dato gültige Abrechnungssystem der Kliniken nach „Tagessätzen“ vom sogenannten DRG- oder Fallpauschalensystem abgelöst. Damit wurde die Krankenhausverweildauer radikal gedrückt, bei lukrativen DRGs erfolgten dann aber viele unnötige Eingriffe. Auf der anderen Seite wurde dort radikal gestrichen, wo es keine kostendeckenden DRGs gab, zum Beispiel massiv in der Kindermedizin und in der Geburtshilfe – so tief kann die bürgerliche Ideologie sinken! Die Kosten gingen weiter in die Höhe, ebenso die Defizite vieler Kliniken!
Noch-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach lag zumindest mit der Erkenntnis richtig, dass in Bälde viele Kliniken von „ungeordneten Insolvenzen“ überrollt werden würden und die Versorgung in der Fläche wie in der Qualität dann sprunghaft verschlechtert wird. Er preist sein „Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz" in den höchsten Tönen: „Wir werden alle Krankenhäuser retten, die wir benötigen ... Wir haben derzeit 1720 Krankenhäuser. Dafür haben wir weder den medizinischen Bedarf noch das Personal oder die finanziellen Mittel … Wenn wir nichts tun, werden wir in kürzester Zeit ein großes Krankenhaussterben bekommen. Genau das hat jetzt begonnen, auch wenn das lange niemand hören wollte. Wenn wir jetzt nicht endlich handeln, kämen auch Kliniken in Not, die dringend benötigt werden.“
Nach dem Gesetz werden die Krankenhäuser in drei Leistungskategorien eingeteilt und ihnen wird staatlich genau zuerkannt, welche Leistungen sie bis zu welcher Obergrenzen machen dürfen und welche nicht. Sie bekommen eine Vorhaltepauschale von etwa 60 Prozent der Betriebskosten, der Rest muss weiterhin über Fallpauschalen erwirtschaftet werden. Die Selbstkritik der bürgerlichen Gesundheitspolitik, dass die DRGs ein Irrweg waren und zu einer Fehlversorgung beitrugen, ist somit nur eine scheinbare und geht dem Problem noch nicht auf den Grund! Dass schwierige große Eingriffe wie Krebs- oder Wirbelsäulen-Operationen auf Kliniken mit hohen Fallzahlen und Erfahrung konzentriert werden, ist erstmal nachvollziehbar, macht diese unter dem Aspekt des Profits aber besonders attraktiv. Kliniken, denen bisher gewinnbringende Eingriffe verweigert werden, haben mittelfristig keine Überlebenschance, was im Notfall weite Wege in die nächste geeignete Klinik bedeuten kann: besonders dramatisch ist hier die weitere Verschlechterung der Notfallversorgung in der Geburtshilfe, bei schweren Unfällen, Schlaganfall und Herzinfarkt.
Der wahre Kern: Maximalprofite für die Monopole und ihre Weltherrschaftspläne
In Deutschland gibt es aktuell 534 öffentliche Kliniken, 590 sind freigemeinnützig und 750 in privater Hand. Hier sind große Krankenhauskonzerne auf dem Vormarsch. Am Beispiel Duisburg: Hier wurden innerhalb weniger Jahre sechs Kliniken in katholischer Trägerschaft vom Helios-Konzern übernommen, zwei Kliniken wurden stillgelegt, zwei wurden dagegen neu gebaut. Helios gehört dem internationalen Übermonopol Fresenius. Hier wie auch in staatlichen konzernähnlichen Strukturen wie Charité oder Vivantes in Berlin wird knallhart ausgebeutet, ausgegliedert, werden Löhne gedrückt, Unterbesetzung ist eine Dauererscheinung auch beim ärztlichen Personal. Die Richtung ist hier seitens der herrschenden Monopole klar vorgegeben: Abwälzung der Gesundheitskosten auf die breiten Massen, Umverteilung zur Finanzierung von Wirtschaftskrieg und Kriegsvorbereitung, dabei selbst an der „Ware Gesundheit“ Maximalprofite kassieren. Die Pharma-Monopole sind hier schon seit Jahrzehnten bestens dabei. Auch die jetzt mit der Krankenhausreform vorangetriebene „Ambulantisierung“ im Gesundheitswesen spielt den Konzernen in die Karten, die über Ketten von Medizinischen Versorgungszentren und den Apothekenketten auch hier auf dem Vormarsch sind.
Problemlösung: echter Sozialismus! Gemeinsam die Kämpfe führen!
Bündnisse wie „Gemeingut in Bürgerhand“ verfolgen den richtigen Ansatz, dass die Beherrschung des Gesundheitswesens oder des Erziehungswesens durch Konzerne gemeinsam bekämpft werden müssen. Dennoch ist der Ansatz noch zu kurz gesprungen, denn erst durch die revolutionäre Überwindung der Monopolherrschaft und den Aufbau des echten Sozialismus können die kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten beseitigt werden.
Für den gemeinsamen Kampf hat die MLPD in ihrem Programm wichtige und wegweisende Forderungen entwickelt, die auch im Bundestagswahlkampf weit verbreitet werden sollten:
- „Volle Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge durch eine umsatzbezogene Unternehmenssteuer!
- Gründliche und kostenlose Gesundheitsvorsorge, Betreuung und Behandlung für alle dauerhaft in Deutschland Lebenden!
- Gegen die Folgen der Umverteilung der öffentlichen Haushalte zu Lasten der Beschäftigten, insbesondere im Erziehungs-, Bildungs-, Kultur-, Sozial- und Gesundheitswesen! Gemeinsamer Kampf gegen Niedriglöhne, Zeit- und Werkverträge in akademischen Berufen!“ (S.125 bis 128)
Der Kampf um diese Forderungen muss damit verbunden werden, dem echten Sozialismus neues Ansehen zu verschaffen: Im Gegensatz zum Kapitalismus geht es hier auch an die Ursachen der überbordenden Massenerkrankungen: Umweltzerstörung, Fehlernährung, Bewegungsmangel, Süchte, Überausbeutung. Größter Wert wird auf Vorbeugung und Mobilisierung der breiten Massen in Gesundheitskampagnen gelegt. Das schafft auch die Grundlage, die Medizin von den Ketten der bürgerlichen Ideologie zu befreien und zu einer wirklichen Humanwissenschaft zu entwickeln.