Produktsicherheit
Wie Amazon mit Betrügern Geschäfte macht
In den letzten Monaten wird vor allen Dingen über Temu diskutiert, wenn es um unsichere, gefährliche und gefälschte Produkte geht. Tatsächlich ist aber auch der Amazon Marktplatz mittlerweile mit solchen Produkten überschwemmt – und das hat System. Ein System, an dem Amazon kräftig mit verdient.
Intuitiv möchte man eigentlich denken, dass Amazon darin ein Problem sehen würde. Tatsächlich macht der Online-Marktplatz den Betrügern das Geschäft besonders leicht – und verdient kräftig mit.
gefährliche Tattoo-Farben
Die Gefahr durch diese Art von Handel darf man nicht unterschätzen. Ein besonders dramatisches Beispiel ist der Handel mit Tattoo-Farben. Insbesondere blaue und grüne Farbe kann billige, aber wegen ihrer Gesundheitsschädlichkeit in Deutschland verbotene Stoffe beinhalten. Das Ausmaß muss alarmieren: 9 von 10 Farben sollen diese verbotenen Stoffe trotzdem enthalten!
„Kommingelter Bestand“
Wenn ein Händler auf Amazon erfolgreich sein will, ist es wichtig, dass er in der Suche entsprechend priorisiert wird und möglichst die sogenannte „Buy Box“ gewinnt – das heißt, das günstigste Produkt mit 24-Stunden-Versand anbieten kann. Dafür gehen die meisten Händler auf das sogenannte „Fulfilment“ (also die Ausführung des Handels) durch Amazon ein, denn dann gewährleistet Amazon, dass die Produkte mit Premiumversand an den Kunden gehen.
Das bedeutet allerdings, dass die Produkte, die der Händler für Lagerung und Versand an Amazon übergibt, in einen sogenannten „kommingelten Bestand“ eingehen. Das heißt, dass Amazon alle identischen Produkte, egal von welchem Verkäufer, gemeinsam lagert. So spart Amazon Lager- und Logistikkosten. Amazon kann nun aber nicht mehr nachvollziehen, welcher Artikel von welchem Händler eingeschickt wurde. Bestellt ein Kunde das Produkt, dann erhält er nicht etwa einen Artikel dieses Händlers, sondern irgendeinen mutmaßlich identischen Artikel aus diesem kommingelten Bestand. Das wiederum bedeutet, dass ein gefälschter Artikel – der durchaus auch gefährlich sein kann – nicht zu demjenigen zurückverfolgt werden kann, der ihn in den Warenbestand gegeben hat. Wenn sich dann der Kunde beschwert, trifft es statistisch betrachtet mit annähernder Sicherheit den falschen Händler. Kunden von redlichen Händlern erhalten Fake-Produkte, während die Kunden der betrügerischen Händler durchaus auch ein vollwertiges Produkt erhalten können. Diese Händler können gleichzeitig, weil ihre Ware gar nicht dem vermarkteten Produkt entspricht, die ehrlichen Händler unterbieten und gewinnen im Ranking des Algorithmus.
Amazon profitiert
Obendrein erlaubt es Amazon, dass Shop-Betreiber Werbung nach völlig frei gewählten Begriffen schalten. So werden die eigentlichen Hersteller der Produkte verdrängt und die Betrüger gefördert. Wenn ein Hersteller etwas dagegen unternehmen will, muss er selbst bezahlte Werbung schalten – und da ist es dann auch nicht verwunderlich, wenn Amazons Werbeeinnahmen immer weiter steigen. Im letzten Jahr hat Amazon 50 Milliarden US-Dollar durch Werbung eingenommen. Durchschnittlich soll mittlerweile die Hälfte des Umsatzes der Händler bei Amazon landen.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Problem immer weiter wächst, obwohl Amazon in 2023 700.000 Shops wegen betrügerischer Verkäufe gesperrt hat – selbst wenn Amazon ein Interesse daran hätte, woher soll der Monopolist überhaupt noch wissen, ob er dabei die richtigen getroffen hat?