Neues Selbstbestimmungsgesetz

Neues Selbstbestimmungsgesetz

Zu begrüßen – aber noch längst nicht alle Probleme gelöst

Seit dem ersten November 2024 gibt es ein neues Selbstbestimmungsrecht. Meiner Meinung nach ist dieses Gesetz zu begrüßen – auch wenn damit längst nicht alle Probleme gelöst sind.

Von Anna Bartholomé
Zu begrüßen – aber noch längst nicht alle Probleme gelöst
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Das neue Gesetz löst das alte Transsexuellengesetz ab, das jahrzehntelang für Menschen massive Diskriminierungen bedeutete, die sich mit der rigiden Zuordnung zu einem Geschlecht nicht abfinden, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Im Volksmund heißt das, dass sie sich manchmal schon als Kinder „im falschen Körper fühlen“. Dazu gehören transgeschlechtliche Menschen ebenso wie intergeschlechtliche Menschen, die bei der Geburt körperliche Merkmale aufwiesen, die nicht eindeutig dem einen oder anderen Geschlecht zuzuordnen sind, im Volksmund hießen sie „Zwitter“ und nicht selten wurden sie – mit oder ohne Zustimmung der Eltern – operativ „passend gemacht“. Aber es gibt auch Menschen, die sich als „nichtbinär“ verstehen und sich weder als Mann oder als Frau einordnen wollen.


Nach der früheren Gesetzgebung musste schon eine Namensänderung mit entwürdigenden Verfahren, mehrfachen medizinischen und psychologischen Gutachten erzwungen werden. Teilweise wurden geschlechtsangleichende Operationen zur Voraussetzung gemacht, um eine Änderung des Geschlechtseintrags zu ermöglichen.


Das neue Gesetz ermöglicht schlicht und ergreifend, dass erwachsene Menschen einen neuen Vornamen und Geschlechtseintrag beim Amt beantragen können. Jugendlich ab 16 Jahren steht das Recht dazu mit Einwilligung der Eltern zu, wenn diese das ablehnen, kann das Jugendamt eingeschaltet werden.


Aber es wird darum eine Riesendebatte geführt und je weiter rechts die Bedenkenträger sind, umso heftiger ist die Queer- und Transgenderfeindseligkeit.


Dazu kommen heftige Angriffe bis hinein in die bürgerliche Frauenbewegung – so wenn auch Alice Schwarzer behauptet, Transfrauen seien nur verkleidete Männer, die sich in Frauensaunen- und -umkleidekabinen einschleichen, um nackte Frauen sehen zu können. Absurd, wenn wir wissen, wie leicht es ist, allüberall nackte Frauen zu sehen.


Die Regelung im neuen Gesetz, dass eine Änderung des Geschlechtseintrags nach einem Jahr rückgängig gemacht werden kann, ist eher als Ausdruck des Misstrauens der Gesetzgeber gegenüber Transmenschen zu begreifen, ob diese es „auch wirklich ernst meinen“.


Ebenso ist es ein Gerücht, dass Queer-Sein eine Mode wäre, der schon Jugendliche auf den Leim gehen, die sich dann schnell mit operativen oder hormonellen Behandlungen einem anderen Geschlecht zuwenden. Das war und ist verboten.


Die Breite der Debatte hängt aber auch damit zusammen, dass die Queer-Bewegung besonders unter Jugendlichen auf der Suche nach einer Lebensperspektive zum wichtigen Thema geworden ist. Queer wird wie auch die LGBTQ-Bewegung als Sammelbegriff für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen verwendet. Früher vor allem als Schimpfwort benutzt, wird Queer-Sein aber auch immer öfter selbstbewusst verstanden, um eine Identität, jenseits von Kategorien wie „Mann“ und „Frau“ oder „heterosexuell“ deutlich zu machen.


Das wird zugleich von kleinbürgerlichen, postmodernistischen Strömungen zu einer Queer-Ideologie ausgebaut, mit der wir uns im RW 37 ausführlich und kritisch befasst haben. Dort heißt es u.a.: „Nicht das allein herrschende internationale Finanzkapital, nicht die imperialistischen Staaten samt ihrem dekadenten und repressiven Überbau – nein, die angebliche Panik der heterosexuellen Mehrheit rückt ins Zentrum der Kritik. Nicht die Arbeiter- und Volkskämpfe, nicht der Klassenkampf um den echten Sozialismus, sondern »machtkritische Perspektiven« auf »Sexualität und Geschlecht« sind angesagt.“ (S.190)


Damit wird das Queersein zum ausschließlichen Kriterium für die Beurteilung oder zur Schlüsselfrage im Selbstverständnis von Menschen und ihrem politischen Denken, Fühlen und Handeln erklärt. Problematisch ist die weltanschauliche Ablehnung der Klassenzugehörigkeit und die Abgrenzung von der Arbeiterbewegung, mit einem regelrechten „Separatismus“ der Queer-Szene.


Aufgabe der Arbeiter- und revolutionären Bewegung muss es sein, sich gegen jegliche Diskriminierung von Lesben, Schwulen und Transmenschen wegen ihres Geschlechts bzw. ihrer sexuellen Orientierung zu stellen und sie dafür zu gewinnen, sich mit der Frauen- und Jugendbewegung am Kampf für eine befreite Gesellschaft im Sozialismus / Kommunismus zu beteiligen. Da kann die sexuelle Orientierung oder Zugehörigkeit zur reinen Privatsache werden.


Mit der wachsenden faschistischen Gefahr nimmt weltweit, besonders unter faschistischen Regimen, aber auch in Deutschland die Queer-Feindlichkeit drastisch zu. Positive Signale sind die diesjährigen CSD-Demonstrationen in den neuen Bundesländern, die von Faschisten attackiert wurden, aber in ihrem Selbstverständnis als Teil des antifaschistischen Kampfs breite Unterstützung fanden.