Gabi Fechtner, Vorsitzende der MLPD
Im Trainingslager für die Arbeiteroffensive
Die Redaktion veröffentlicht hier einen Artikel der Vorsitzenden der MLPD, Gabi Fechtner, mit dem Titel "Im Trainingslager für die Arbeiteroffensive", der auch im kommenden Rote Fahne Magazin 26 / 2024 erscheinen wird:
Die Monopole in Deutschland gehen das Risiko ein, an mehreren Fronten die Industriearbeiterschaft offen anzugreifen. Dafür kündigten sie in ihren Hauptbastionen die Klassenzusammenarbeit auf.
In fast allen Monopolen, aber auch vielen Kleinbetrieben werden massenhaft Arbeitsplätze vernichtet, immer mehr in Verbindung mit offenen Massenentlassungen, Werksschließungen und Lohnkürzungen. Dabei geht es um ein politisches Exempel. VW war ein Flaggschiff der Klassenzusammenarbeitspolitik, jetzt soll der Konzern das Flaggschiff sein, eine reaktionäre Wende der Monopole durchzusetzen.
Der politische Gärungsprozess mit über sieben Millionen Beteiligten an Arbeiter- und Volkskämpfen in diesem Jahr hat mit dem Eingreifen des Industrieproletariats seit Spätsommer eine neue Qualität bekommen. Der fortschrittliche Stimmungsumschwung rückt wieder stärker in den Vordergrund. Seit September haben sich rund eine Million Industriearbeiter an Streiks und Protesten beteiligt. Allein in den letzten drei Wochen rund 250 000.
Inzwischen entwickelt sich ein Potenzial für den Übergang zur Arbeiteroffensive, die beginnt, sich Bahn zu brechen.
Das hat verschiedene Seiten:
- In den Industriebelegschaften ist das Klassenbewusstsein erwacht, wenn auch noch nicht auf breiter Front. Wachsende Teile brechen bewusst mit Betriebsphilosophien wie der „VW-Familie“ und der jahrzehntelangen Klassenzusammenarbeitspolitik.
- Die MLPD prägt eine Massendiskussion unter Zehntausenden Industriearbeitern, auch wenn man sich noch nicht in allen Fragen einig ist. Einzelne Forderungen und Losungen der Betriebsgruppen der MLPD haben eine Meinungsführerschaft errungen. Das betrifft den Kampf um jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz, dass Gewerkschaften als Kampforganisationen gebraucht werden oder dass die Belegschaften konzernweit- und konzernübergreifend kämpfen müssen. Der Antikommunismus verliert an abschreckender Wirkung, wird aber auch wieder verstärkt eingesetzt. Da muss noch mehr tiefgehende Klärung erfolgen. Denn nur im Fertigwerden damit kann eine massenhafte Hinwendung zum echten Sozialismus entstehen und sich das Vertrauensverhältnis zur MLPD entwickeln.
- Kennzeichnend ist ein dynamisches Gewoge von gewerkschaftlichen und selbstständigen Kämpfen. „Bundesweit streikbereit“ ist zur Massenlosung geworden. Kämpferische gewerkschaftliche Aktionen gehen meist darauf zurück, dass es ein riesiges Bedürfnis nach kämpferischer Aktivität aus den Belegschaften gibt. Dafür stehen auch eine Reihe von selbstständigen Versammlungen und Demonstrationen und meist noch kleinere selbständige Streikaktionen. Bei VW, Ford und Thyssenkrupp gab es diese in einer Häufung wie seit Jahren nicht. Auch wenn sich bisher nur die Minderheit der Belegschaften daran beteiligte, sagt eine Mehrheit: „Eigentlich habt ihr Recht!“. Die Angriffe der Monopole können nur im harten Kampf zurückgeschlagen werden. Besondere Bedeutung bekommt, gegebenenfalls den gewerkschaftlichen Rahmen zu durchbrechen und zu selbständigen Streiks überzugehen. Dafür sind diese Wochen ein wichtiges Trainingslager.
- Tausende Angestellte demonstrierten bei VW Wolfsburg eigenständig zur Betriebsversammlung. Das hat strategische Bedeutung, da die kleinbürgerliche Intelligenz Hauptbündnispartner der Arbeiterklasse ist.
- Repressionen nehmen zu und haben oftmals eine einschüchternde Wirkung. Dagegen gab es mehrere bahnbrechende Erfolge im Kampf um demokratische Rechte und Freiheiten von Arbeitern. Konzerne wie Tesla, CATL oder K+S haben versucht, kämpferische Kollegen zu kündigen, womit sie nicht durchkamen. Die Forderung nach einem vollständigen und allseitigen gesetzlichen Streikrecht wird massenhaft diskutiert. Wenn die Arbeiter der Konfrontation mit dem Staatsapparat nicht mehr aus dem Weg gehen, kennzeichnet das den Übergang zu einer revolutionären Gärung.
- Die Durchdringung mit Kämpfen der breiten Massen muss noch verbessert werden. Teile der Fridays-for-Future-Bewegung, wie jetzt die „Studis gegen rechts“, beziehen sich inzwischen bewusst auf die Arbeiter als wichtige Kraft und wenden sich an sie. In Kreuztal fand eine selbständige Demonstration der Thyssenkrupp-Arbeiter gemeinsam mit der Bevölkerung statt.
- Unter den kämpferischen Teilen der Belegschaften entwickelt sich eine zunehmende Kritik an den Reformisten. Wachsamkeit und Unversöhnlichkeit gegenüber Geheimverhandlungen, Verzichtsprogrammen oder der Nadelstichtaktik wachsen. Zum Teil wird von Reformisten behauptet, man würde mit selbständigen Streiks „ins offene Messer laufen“. Ins offene Messer läuft man aber nicht, wenn man kämpft, sondern wenn man sich mit erhobenen Händen dem Generalangriff des Kapitals ergibt.
- Die völkische und sozialchauvinistische Denkweise war in den letzten Jahren durchaus in der Lage, die Entwicklung des Klassenbewusstseins zu hemmen. Damit werden die Arbeiter im Zuge der Entwicklung des Klassenbewusstseins aber besser fertig. Eine kürzlich erschienene Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung stellt fest: Bei Arbeitern, die ein „Bewusstsein für antagonistische¹ Klasseninteressen“ haben, konnten „weder die rechte Mitte noch die Rechtsradikalen“² punkten. Die plumpe Volkstümelei über „uns Deutsche“ zieht nicht gut, wenn sich deutsche Monopole dermaßen arbeiterfeindlich verhalten. Die AfD zeigt offener ihre arbeiterfeindliche Fratze, wenn sie die Lohnforderungen der VW-Arbeiter als „hirnrissig“³ bezeichnet und gegen Streiks hetzt. Politisch bedeutsam war die Vertreibung von AfD-Vertretern durch Zwickauer VW-Kollegen bei deren Betriebsversammlung.
Gerade weil die Veränderungen so groß sind, muss man den Arbeiterinnen und Arbeitern Zeit geben, sie zu verarbeiten und die neuen Herausforderungen zu begreifen. Von unserer Seite ist es wichtig, vorwärtsweisende Forderungen, Losungen, Kampftaktiken und Organisationsformen aufzustellen und zu entwickeln. Nur wenn sie in die Welt gesetzt und breit diskutiert werden, können die richtigen Ideen zur materiellen Gewalt werden. Und nur in Verbindung mit praktischen Kampferfahrungen entwickelt sich Klassenbewusstsein. Es ist äußerst bedeutsam, dass dieser Prozess begonnen hat.
Anmerkung der Redaktion:
Das kommende Rote Fahne Magazin 26 / 2024 wird außer diesem Artikel unter anderem auch einen Jahresrückblick in Bildern, Korrespondenzen zu aktuellen Arbeiterkämpfen, einen Klartext von Stefan Engel zur reaktionären Wende der Monopole und ihrer Regierungen sowie einen Ausblick von Peter Weispfenning ins Jahr 2025 beinhalten. Es kann beim Verlag Neuer Weg bestellt werden. Per Mail unter verlag@neuerweg.de oder telefonisch unter 0201 - 25915.
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