Streikrecht

Streikrecht

Deutsches Gewohnheitsrecht unterläuft europäisches Streikrecht

Die Europäische Sozialcharta (ESC) wurde als Ergänzung der Menschenrechtskonvention am 18. Oktober 1961 von 13 Mitgliedsstaaten mitsamt der BRD als völkerrechtlich verbindliches Abkommen beschlossen. Dabei mussten als Pflichtartikel auch das Vereinigungsrecht (Art. 5) und das Recht auf Kollektivverhandlungen (Art. 6) anerkannt werden. Das deutsche Grundgesetz vom 13.5.1949 gewährt in § 9 „Allen Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden“. Allein daraus leitet sich das Streikrecht ab, das - im Unterschied zu Frankreich oder Italien - bewusst nicht in die Verfassung aufgenommen wurde.

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Es ist deshalb immer noch ein stark eingeschränktes Gewohnheitsrecht. Der Widerspruch zur ESC macht deutlich warum gerade ein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht für den Kampf gegen den Generalangriff der Monopole gebraucht wird.


Der Artikel 6 Absatz 4 des ESC enthält das „Recht der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechts im Falle von Interessenskonflikten“ – dem widerspricht doch augenfällig die Einschränkung auf rein gewerkschaftliche Streiks, eine Beschränkung der Streikziele und ein Streikverbot für Beamte.


Die endgültige Ratifizierung der ESC durch die Bundesregierung am 1.10.2021 erfolgte deshalb heuchlerisch unter sogenannten „Zulässigkeitsvoraussetzungen, nach denen ein Streik der Durchsetzung eines tariflich regelbaren Zieles dienen muss und nur von einer tariffähigen Arbeitnehmervereinigung geführt werden kann“ (was tariffähig ist, entscheidet dann die „Rechtssprechung“).


Also eben kein Recht auf gewerkschaftliche und selbständige Streiks gegen Werksstilllegungen, gegen Umweltverbrechen, gegen Kriegskurs der Regierung; kein Recht auf Solidaritätsstreiks, konzernweite und internationale Streiks; kein Streikrecht für Auszubildende, Beamte u.a.! Das hebelt das Streikrecht als bürgerlich-demokratisches Grundrecht aus.


Lassen wir uns nicht täuschen. Dafür gewährt auch das ESC genügend nationale Rechtsauslegungen zum Schutz der Monopolinteressen. So fällt die Friedenspflicht unter die „Verpflichtungen aus geltenden Gesamtarbeitsverträgen“. Die sogenannte Verhältnismäßigkeit soll ein „Verhandlungsübergewicht“ durch Streiks verhindern. Natürlich dient die starke Waffe des Streiks den Arbeiterinnen und Arbeitern zur Gewinnung nicht nur eines Verhandlungsübergewichtes, sondern eines realen Kräfteübergewichtes.

 

Wo dies von den Gewerkschaftsmitgliedern und Kolleginnen und Kollegen in die Hand genommen wurde, ob gewerkschaftlich oder selbständig,  wurde jeweils neben konkreten Kampferfolgen auch faktisch das Streikrecht in der Praxis durchgesetzt. Dieses gilt es aber auch, als Gesetzesrang durchzusetzen und durchzukämpfen.

 

Der Spaß hört natürlich auch für die ESC da auf, wo „Begrenzungen zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Sicherheit des Staates … notwendig sind“. Also streiken an und für sich ja - aber bitte doch nicht mit einer gesellschaftsverändernden Perspektive gegen das durch und durch krisenhafte imperialistische Gesellschaftssystem? Von wegen!

 

Auch der Kampf für bürgerlich-demokratische Rechte und Freiheiten ist Bestandteil und Schule des Klassenkampfes zur Beseitigung dieser kapitalistischen und imperialistischen Ausbeuterordnung.