Militarisierung

Militarisierung

„Zeitenwende on tour“ – eine Werbekampagne zur psychologischen Kriegsvobereitung

Am 26.11. lud die Münchner Sicherheitskonferenz zu einer „Townhall“-Podiumsdiskussion in die Glashalle von Schloß Horst ein. Auf dem Podium: Christoph Heusgen, Chef der Münchener Sicherheitskonferenz, Andre Bodemann, Befehlshaber des territoriales Führungskommandos der Bundeswehr, Jana Publierin von einer Berliner „Denkfabrik“ und der NRW-Innenminister Herbert Reul. Später nahm dann auch noch der WAZ-Chefredakteur Sinan Sat auf dem Podium Platz.

Dr. Willi Mast

Die Zuhörer wurden zunächst mit Bildern aus dem Afghanistan-, dem Syrien- und Ukraine-Krieg eingestimmt auf die ernste Sicherheitslage. Dann folgten die Statements vom Podium - es waren natürlich alle Anhänger oder Sympathisanten von Schalke 04 ...

 

Herr Bodemann sah sich in der Pflicht, Deutschland kriegsfähig zu machen, um Putin von einem Angriff auf Deutschland und Europa abzuhalten. Der Innenminister sprach vor allem über den notwendigen Ausbau der Zivilen Infrastruktur. Es helfe nichts, immer um den heißen Brei herumzureden, man müsse die Probleme klar benennen und sie dann schrittweise angehen, anstatt über Visionen und Perspektiven zu reden. Mit diesem pragmatischen Vorgehen stoße er auf große Zustimmung.

 

C. Heusgen berief sich auf seine langjährigen Erfahrungen von A. Merkel. Man habe damals Putin falsch eingeschätzt, bzw. er habe sich verändert. Die NATO-Osterweiterung sei nie das Problem im Vorfeld des Ukraine-Kriegs gewesen, aber Putin sei zu einer immer aggressiveren Außenpolitik übergegangen – deswegen sei also eine Zeitenwende dringend notwendig. Natürlich dürfe man dabei auch die großen sozialen Probleme nicht aus den Augen verlieren …

 

(…) (Die ungekürzte Fassung des Artikels können Sie hier lesen)

 

Auffällig war, das ich ca. eine Stunde nicht zu Wort kam – bis ich mich entschloss, dazwischen zu sprechen - und daraufhin sogar ins Mikrophon sprechen konnte.

 

„Das ist doch eine sehr einseitige Diskussion. Ihre Botschaft lautet: Wir müssen noch mehr für unsere Sicherheit tun, also noch mehr Geld für Aufrüstung und Kriegsvorbereitung ausgeben.

 

Ich frage: Ist unsere Welt durch eine irrwitzige Aufrüstung in den letzten Jahrzehnten sicherer geworden? Das heißt ja auch: noch weniger Geld für Soziales. Wir leben in einer Stadt mit einer dramatischen Armutsentwicklung, Massenarbeitslosigkeit, eine kaputten Infrastruktur, Lehrer- und Bildungsnotstand. Wie wollen Sie die Menschen dafür begeistern?" (…)

 

Ich stimme Ihnen zu, dass Putin ein Kriegsverbrecher ist. Er ist aber nicht der Einzige. Vor einigen Tagen wurde Netanjahu wegen seiner Verbrechen angeklagt in einem Krieg, der von den USA und Deutschland mit zig- Milliarden unterstützt wird ... Herr S. Sat hat zurecht auf den Gegensatz von öffentlicher und veröffentlichter Meinung hingewiesen. In unzähligen Gesprächen, die ich führe, auch mit moslemischen Mitbürgern: Ich habe fast niemand gefunden, der diesen Krieg gut heißt.

 

Zurecht hat auch eine Vorrednerin nach der Strategie und der Vision gefragt, die dieser Zeitenwende zugrunde liegt. Der strategische Hauptgegner nach Russland heißt es heute, sei China. Aufrüstung ohne Ende und die Vorbereitung auf einen atomarer Weltkrieg auch in Europa - das ist die Strategie und darauf sollen wir vorbereitet werden.

 

Letzte Frage: Wie sieht die Bilanz der Kriege aus, die in den letzten 20 bis Jahren von der NATO und von den USA geführt wurden? Wer hat profitiert – und wer bezahlt den Preis? Was bleibt nach 20 Jahren Afghanistan-Krieg?

 

Wo ist der Frieden nach zwei völkerrechtswidrigen Irak-Kriegen, nach dem Krieg in Libyen und nach dem Einsatz in Mali?
Wohin hat die milliardenschwere Unterstützung des Gaza- und Libanon-Kriegs von Netanjahu durch die USA und Deutschland geführt? Ich sehe nirgendwo, dass diese Militarisierung und Kriege zu Frieden und mehr Sicherheit geführt haben – im Gegenteil!"

 

Es gab immerhin auch etwas Beifall dafür. Die Fragen blieben weitgehend unbeantwortet. „Immerhin konnten die Mädchen in Afghanistan damals noch zur Schule gehen… und in Kosovo – das war doch eine Erfolgsgeschichte…“ meinte der hohe General. Danach kamen nur noch einige harmlose Fragen und die Schlussrunde, in der man sich nochmal auf die Schultern klopfte: „Eine wertvoller Gedankenaustausch auf Augenhöhe… Wir brauchen noch viel mehr solcher Veranstaltungen, müssen wieder mehr Vertrauen in der Bevölkerung aufbauen“ etc.

 

Offensichtlich will man die Werbetrommel rühren und Stimmung machen für den Kriegskurs und die Mehrheit dafür weichkochen. Ein lehrreicher Abend - der sicher noch einige zusätzliche kritischer Teilnehmer verdient hätte.