EU-Imperialismus
Salome Surabischwili: Wie eine französische Diplomatin Präsidentin Georgiens wurde
Eine der wichtigsten Figuren in den aktuellen Auseinandersetzungen in Georgien ist die Präsidentin Salome Surabischwili. Seit ihrem Amtsantritt – damals noch mit der offenen Unterstützung und den Stimmen des „Georgischen Traums“ -, hat sie eine Politik der Annäherung an die EU betrieben. Den meisten Deutschen dürfte sie ausschließlich in dieser Rolle bekannt sein. Dabei lohnt ihre Karriere der genaueren Betrachtung.
Die Französin georgischer Abstammung Salomé Zourabichvili begann ihre politische Karriere 1974 – und zwar im diplomatischen Dienst der Republik Frankreich. Sie ist Mitglied der französischen Ehrenlegion und wurde mit dem Nationalen Verdienstorden der Französischen Republik ausgezeichnet. Wie kam diese Frau in die georgische Politik?
Auf Anfrage: 30 Jahre später, am 8. März 2004 bat der damalige faschistoide Präsident Georgiens, Micheil Saakaschwili, Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac, die Diplomatin für das Amt der georgischen Außenministerin freizustellen.
Der Saakaschwili
Ja, derselbe Saakaschwili – Träger des Preises des Crans-Montana-Forums für Demokratie und Weltintegration in Osteuropa sowie des Preises der American Bar Association für die Stärkung von Recht und Ordnung –, der unter dem Deckmantel der Korruptionsbekämpfung die georgische Opposition einsperrte aber dann selbst in die Staatskasse griff, der die Presse gleichschaltete und mit brutaler Gewalt nicht nur gegen die Autonomiebewegung in Südossetien, sondern auch Protestierende vorging.
Ebenjener, der nach seiner Präsidentschaft – nach ein paar Jahren in der USA – plötzlich Berater des nach dem „Maidan“ an die Macht gekommenen ukrainischen Präsident Petro Poroschenko wurde, dann Gouverneur von Odessa war und dort trotz dieser vetternwirtschaftlichen Meisterleistung eine „Bewegung für Säuberung“ (nach bewährtem Muster, also formal gegen Korruption) gründete.
Kein anderer als der, der dann nach Polen abgeschoben wurde und mittlerweile wieder in seiner Heimat ist; allerdings in Würdigung seines vielfachen Amtsmissbrauchs im Gefängnis. Seither forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij Georgien mehrfach auf, Saakaschwili zur medizinischen Versorgung in die Ukraine zu überstellen.
Von der Außenministerin Georgiens zur Oppositionellen
Also ja, der Saakaschwili. Zourabichvili trat jedenfalls im gleichen Monat ihr Amt an, erhielt sodann zusätzlich zu ihrer französischen die georgische Staatsbürgerschaft und wurde zu Surabischwili. In gewissen Kreisen kommt man eben leichter an Staatsbürgerschaften, als unter ehrlichen Leuten.
Surabischwili wollte das georgische Außenministerium im europäischen Stil aufbauen und Georgien bis spätestens 2008 für den Beitritt zur Europäischen Union vorbereiten. Dafür erhielt sie vom Präsidenten freie Hand bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter. Allerdings fiel ihr die Diplomatie in dieser Rolle scheinbar schwerer: Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse forderte am 17. Oktober 2005 Surabischwilis Rücktritt, weil sie dem Parlament internationale Verträge zu spät vorgelegt habe. Georgiens damaliger Premierminister Surab Noghaideli sagte, sie sei mit dem Parlament auf „inakzeptable Weise“ umgegangen. Sie wurde entlassen und erklärte sodann, sie sei von Mitgliedern der Regierungspartei von Anfang an gemobbt worden.
Von hier ging sie in die Opposition und gründete die Partei „Georgiens Weg“. Abgesehen davon, dass dieser in die EU führen müsse, gab sie 2008 einen interessanten Einblick in seine Windungen, als sie sich im Zuge der georgischen Präsidentschaftswahlen 2008 für die Einführung einer konstitutionellen Monarchie aussprach. Im Sommer 2013 kadidierte sie erstmals selbst für das Amt der Präsidentin, wurde aber wegen ihrer doppelten Staatsbürgerschaft nicht zur Wahl zugelassen.
Zusammenarbeit und Bruch mit dem „Georgischen Traum“
Zu den georgischen Parlamentswahlen im Oktober 2016 kandidierte Surabischwili wieder als unabhängige Kandidatin. Dabei wurde sie nun vom reaktionären und prorussischen „Georgischen Traum“ unterstützt. Zur Präsidentschaftswahl 2018 kandidierte Surabischwili erneut mit der Unterstützung des „Georgischen Traums“. Dieser hatte gerade einmal drei Monate vor der Wahl eine Gesetzesänderung durchgesetzt, die ihre Kandidatur für Präsidentschaftswahlen mit zwei Staatsangehörigkeiten erlaubte, sobald sie die Abgabe ihrer zweiten, französischen Staatsangehörigkeit beantragt hatte. So gab sie ihren französischen Pass ab, gewann in der Stichwahl und begann, Georgien weiter auf die Mitgliedschaft in der EU und der NATO auszurichten.
Aber zum einen neigte sie auch in dieser Rolle zu Eigenmächtigkeiten, zum anderen ist der „Georgische Traum“ eine Oligarchen-Partei, und ein Teil der georgischen Kapitalisten erwartete zunehmend mehr Schwierigkeiten als Profite von der Annäherung an die EU. Im September 2023 initiierte der „Georgische Traum“ also ein Amtsenthebungsverfahren gegen sie, da sie ohne Erlaubnis der Regierung auf Staatsbesuche ins Auslands reiste. Dieses Verfahren scheiterte am 18. Oktober 2023, da die für eine Amtsenthebung benötigte Zweidrittelmehrheit mit 86 von 150 Stimmen im Parlament nicht erreicht wurde.
So ging es dann weiter, und im Mai 2024 legte Surabischwili ihr Veto gegen das umstrittene „Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“ ein, nachdem dieses von der Regierung des „Georgischen Traums“ verabschiedet worden war. Das Gesetz ähnelte einem russischen Gesetz und zwingt Nichtregierungsorganisationen und Medien, die mehr als 20 Prozent ihrer Finanzierung aus dem Ausland erhalten, zur Kennzeichnung als „Interessen einer ausländischen Macht vertretende Organisation“. Am 15. Juli 2024 reichte sie sogar beim Verfassungsgericht Klage gegen das Gesetz ein.
Am 7. Oktober 2024 kündigte Parlamentspräsident Schalwa Papuaschwili die Einleitung eines erneuten Amtsenthebungsverfahrens gegen Surabischwili an, da sie mit ihren unautorisierten Auslandsbesuchen „kontinuierlich die Verfassung breche“.
Und damit sind wir dann bei den aktuellen Ereignissen angekommen. Angesichts dieser Karriere kann die politische Arbeitsweise der Präsidentin eigentlich nicht verwundern. Auf eine Art ist sie konsequent: Sie war stets und ist weiterhin eine treue Bürgerin und verlässliche Vertreterin der Interessen des europäischen Imperialismus.