An neun Standorten

An neun Standorten

Mehrere zehntausend Beschäftigte bei VW im Warnstreik

Nach Auskunft der IG Metall beteiligten sich mehrere zehntausend Kolleginnen und Kollegen an neun VW Standorten an der ersten Warnstreikwelle in der Lohntarifrunde für VW. Osnabrück war nicht beteiligt, weil dort kein Haustarif gilt.

Von gp
Mehrere zehntausend Beschäftigte bei VW im Warnstreik
Demonstration von VW-Arbeitern und -Arbeiterinnen heute in Hannover (rf-foto)

Das war ein gelungener Auftakt gegen die provokativen massiven Angriffe des Vorstands auf die Löhne und Gehälter. Sie sollen nach den Plänen Blumes um zehn Prozent gekürzt werden. Auch eine Reihe von Prämien und Zulagen sollen zusammengestrichen werden. Für einen Montagearbeiter in Gruppe 8 würde das Lohneinbußen von weit über 500 Euro ausmachen!

 

Tausende Kolleginnen und Kollegen zogen in Wolfsburg durchs Werk und versammelten sich direkt vor dem Vorstandshochaus. Ihr Schlachtruf „Streikbereit! Bundesweit!“ hat sich schon an fast allen Standorten verbreitet. In Hannover zogen 5000 Kolleginnen und Kollegen mit einer Demonstration vom Werk durch die Stadt zum Stöckener Markt. Sie drückten ihren Frust gegenüber dem Vorstand mit „Vorstand raus“-Rufen aus. Auch in Braunschweig demonstrierten 4000 Beschäftigte von zwei Werksteilen zur Kundgebung am Eintracht-Stadion und riefen „Streikbereit, jederzeit!“. VW muss damit rechnen, dass mehr als tausend Autos heute nicht produziert werden.

 

Am Morgen hatte um 9:30 das Werk in Zwickau mit dem Warnstreik begonnen. Eine Korrespondentin berichtet: „Bei sehr großer Beteiligung fand eine Kundgebung der IG Metall mit 4000 bis 5000 Kolleginnen und Kollegen vor dem Haupttor statt. Der Zwickauer IG-Metall-Bevollmächtigte Thomas Knabel betonte mehrfach: 'Das ist erst der Anfang'. Der VK-Leiter drückte den Unmut mit dem gemeinsamen Lied „Wir haben die Schnauze voll“ aus. Auch die Auszubildenden kamen zu Wort. Die Belegschaft der Group Services GmbH beteiligte sich und ihr Betriebsrat hob den ersten gemeinsamen Warnstreik positiv hervor. Die Linkspartei und die MLPD waren mitten unter den Kollegen und zeigten ihre Solidarität. Bei den Angriffen auf die Kolleginnen und Kollegen ist die MLPD mit ihrem Know-how in Arbeiterkämpfen ein Aktivposten, auf den man sich verlassen kann.“

 

An allen anderen Standorten - mit Ausnahme von Kassel - legten die Kolleginnen und Kollegen der Früh- und Normalschicht um 10 Uhr für zwei Stunden die Arbeit nieder. An allen Standorten war und ist geplant, dass die Spät- und Nachtschicht zwei Stunden früher nach Hause geht. In Kassel riefen die IG-Metall-Ortsverwaltung und die Vertrauenskörperleitung unverständlicher Weise alle Schichten auf, früher nach Hause zu gehen und verzichtete bewusst auf eine Kundgebung. Sie hatten am Mittag am Tor eine kleine Bühne aufgebaut und verabschiedeten die Kollegen mit „Vielen Dank, dass ihr dem Streikaufruf gefolgt seid und einen schönen Feierabend.“

 

In der Korrespondenz heißt es: „Es wurde von einigen Kollegen kritisiert, das keine intensivere Auseinandersetzung in den zwei Stunden geführt wurde und damit die Erfahrung, gemeinsam eine Kraft zu sein verspielt zu haben. Mit dem Hinweis: 'Morgen geht es rund auf der Betriebsversammlung‘ wurden die Kolleginnen und Kollegen auf den nächsten Tag verwiesen. Wir haben von der MLPD aus die Streikbroschüre in Verbindung mit der Propagierung des OPEL-Buches sowie die Mitgliederwerbebroschüre 'Ungewöhnliche Zeiten erfordern mutige Entscheidungen' verteilt. Die Broschüren wurden interessiert genommen und es wurde der Forderung nach einem aktiven Streik zugestimmt.

 

Am Wochenende hatte der VW-Vorstand das sogenannte „Zukunftspaket“ des Gesamtbetriebsrates und der IG-Metall-Bezirksleitung Niedersachsen-Sachsen-Anhalt abgelehnt. Damit hat der VW-Vorstand dem Versuch, die bisherige Politik der Klassenzusammenarbeit wiederzubeleben, kaltschnäuzig eine Absage erteilt. Auf der Kundgebung in Wolfsburg erklärte Betriebsratschefin Daniela Cavallo, „dass wir jetzt kämpfen und Zähne zeigen.“ Die Warnstreiks aber als mögliches Ventil zu bezeichnen, „um Dampf abzulassen“, muss kritisch diskutiert werden. Es geht stattdessen darum, die gewerkschaftliche Kampfkraft voll zu entfalten.

 

Auch Stephan Weil, SPD-Ministerpräsident von Niedersachsen und Aufsichtsratsmitglied bei VW, meldet sich zu Wort: Für das Land Niedersachsen sei die Dividende nicht entscheidend. [1] Damit fordert er die Belegschaften auf, das sie auf einen Teil ihrer Löhne und Arbeitsplätze zu verzichten. Der kleine Unterschied zu den Aktionären ist nur der, dass die Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellten von ihrem Lohn leben müssen und auf ihren Arbeitsplatz angewiesen sind. Damit stößt Weil in das gleiche Horn wie der VW-Vorstand, der von den Beschäftigten massive Einschnitte bei Löhnen, Gehältern, Arbeits- und Ausbildungsplätze fordert.

 

Das Versprechen, dadurch die Zukunft von VW und damit eines Teils der Arbeitsplätze zu sichern, ist nichts wert. Denn weder die gescheiterte noch eine künftige Regierung noch eine von den Monopolverbänden geforderte Wende in der Wirtschaftspolitik werden in der Lage sein, die kapitalistischen Krisen zu überwinden. Deshalb sind die Kolleginnen und Kollegen gut beraten, jetzt schon die Vorbereitungen für eine Urabstimmung und einen unbefristeten Flächenstreik aufzunehmen. Das muss damit verbunden werden, Kurs auf einen konzernweiten selbständigen Streik zu nehmen. Denn die Angriffe auf Werke und Arbeitsplätze lassen sich nicht tariflich regeln. Ein solcher Streik hätte enorme politische Brisanz in der offenen politischen Krise und wäre ein Signal für alle Industriearbeiter in Deutschland.