Baunatal
Längste Betriebsversammlung aller Zeiten in Kassel erteilt den Angriffen von VW eine Absage
Gleich mehrere Rekorde stellte die heutige Betriebsversammlung in Kassel auf. Sie ging bis kurz nach 15 Uhr, bis in die Spätschicht hinein. So lange wie bisher keine zuvor. Die Rekordzahl von 35 bis 40 Rednerinnen und Rednern nahmen vor allem den Vorstand und das Kasseler Werksmanagement aufs Korn.
Anfangs waren es knapp 7.000 Kollegen, zum Ende hin noch 1000 bis 1200. Über die Kollegen der Frühschicht informiert nahmen allerdings auch ca. 150 Kollegen aus der Spätschicht noch teil. Auch das gab es noch nie.
Die Versammlung war geprägt von einer deutlich gestiegenen und gefestigten kämpferischen und selbstbewussten Stimmung. Die Belegschaft macht offensiv ihre Rechnung auf! Das Werkmanagement war von Anfang bis Ende voll in der Defensive.
Der Betriebsratsvorsitzende Carsten Büchling eröffnete die Versammlung unter anderem mit einem Rückblick auf die erfolgreichen Warnstreiks gestern in Kassel und allen anderen VW-Standorten. Das gab dicken Applaus. Auffällig keinen Applaus dagegen für die Forderung nach einem „Tarifvertrag, der uns wieder Sicherheit gibt“. Beifall dagegen für seine Forderung nach Arbeitszeitverkürzung, leider ohne Lohnausgleich.
Der Werkleiter und andere Manager behaupteten doch glatt, dass die Arbeiter schuld seien an der Misere! Die Lüge von „300 Millionen Euro Verfehlung im Werk Kassel“ nahmen diverse Kollegen auseinander und wiesen nach, wie viel Geld VW mit den Produkten aus Kassel verdient. „Wir sind nicht das Problem – wir sind die Lösung!“ fasste das eine Kollegin selbstbewusst zusammen.
Besonders die Übernahme der knapp 1.800 Leiharbeiter und Befristeten lag der ganzen Belegschaft am Herzen. Auch nach der Stürmung der Bühne durch 150 betroffene Kolleginnen und Kollegen und kämpferischen Reden machte das Werksmanagement keine Aussage. Ultimativ forderten viele: „Diese Woche müssen wir was hören, sonst brennt die Hütte richtig!“
Viele betonten, dass sie bereit sind für einen richtigen Streik und dass die Urabstimmung schnell eingeleitet werden sollte. „Wir müssten mal richtig streiken“, „Nur die zwei Stunden – das tat VW doch nicht weh'“, „Gleich ein paar Wochen oder Monate streiken – das merken sie dann mal!“ - das waren nur einige Aussagen bei Gesprächen am Rande.
Von Anfang an unterstützten Trommler die Redebeiträge oder brachten auch mal den Unmut der Kollegen zum Ausdruck. Einer der Trommler informierte die Versammlung, dass seine Trommel gestern nach dem Warnstreik auf Weisung des Werkschutzes nicht wieder ins Werk durfte. Denn – oh Schreck! - auf der Trommel klebte ein Aufkleber des REBELL! Das sei auf dem Werksgelände „nicht erwünscht“. Das werden sich die Trommler und viele weitere Kollegen nicht gefallen lassen und das Ganze weiter bekannt machen sowie rechtliche Mittel prüfen. Er brachte das in Verbindung mit dem schlechten Streikrecht und forderte auf, die demokratischen Rechte zu verteidigen und auszubauen. Dazu gehört auch, sich das Recht zu nehmen, selbständig in den Streik zu treten in Verbindung mit den gewerkschaftlichen Kämpfen und Streiks.
Ein weiterer Redner bestellte Grüße von der Aktion vom Ende der Friedenspflicht in Wolfsburg und ging auf den Irrsinn des Kapitalismus und die gesellschaftliche Alternative des echten Sozialismus ein. „Die Menschheit hat sich schon an sozialistischen Alternativen zum Kapitalismus versucht. Die sind verraten worden und es gibt sie heute nicht mehr. Aber die Menschheit hat ja auch nicht nach dem ersten Flugzeugabsturz aufgehört, die Flugzeuge zu verbessern!“