Georgien
Offene Regierungskrise entwickelt sich zur Staatskrise
Tausende protestieren seit über einer Woche in Georgien. Auslöser war die Aussetzung der Beitrittsverhandlungen zur EU bis 2028 durch die neue Regierung, die nach den Wahlen am 26. Oktober gebildet wurde. Allerdings passierte das erst nachdem die EU ihrerseits bereits Ende Juni den Beitrittsprozess mit Georgien eingefroren hatte. Seither kommt es auf der Straße zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizisten. Während im Staatsapparat ein Machtkampf zwischen der Präsidentin und Teilen der Opposition auf der einen und der Parlamentsmehrheit sowie der Regierung auf der anderen Seite ausgefochten wird.
Man wolle sich weiter auf die EU zu bewegen, aber keinen Zustand fortwährender Erpressung akzeptieren, so erklärte der georgische Regierungschef Irakli Kobachidse von der reaktionären und prorussischen Partei "Georgischer Traum" zu der Aussetzung der Beitrittsverhandlungen.
Die Partei „Georgischer Traum“ hatte die Wahl mit 54 Prozent gewonnen. Gegen sie wird der Vorwurf der Wahlmanipulation erhoben. Die Wahlkommission hat den Ausgang der Wahlen bestätigt. Nun soll der "Georgische Traum" quasi alleine regieren, nachdem die Opposition ihre Mandate aus Protest zurück gegeben habe. Ob die Vorwürfe der Wahlmanipulation nun stimmen oder nicht - auffällig ist, sie werden von denjenigen erhoben, die die Interessen der EU in Georgien vertreten und die jetzt die Proteste unterstützen.
Vorne weg die noch amtierende Präsidentin Salome Surabischwili. Diese erhielt ihr Amt einst mit der Unterstützung des „Georgischen Traums“. Gegen sie läuft mittlerweile bereits das zweite Amtsenthebungsverfahren, weil sie permanent entgegen der Verfassung ohne Auftrag der Regierung Staatsbesuche macht. Dass die frühere französische Diplomatin Surabischwili dabei die Annäherung an die EU vertritt, überrascht nicht. (Wer ist Salome Surabischwili? In unserem Infoartikel "Salome Surabischwili: Wie eine französische Diplomatin Präsidentin Georgiens wurde" erfahren Sie mehr!)
Schwierige Lage der Massen und anhaltende Proteste
Bei der hohen Inflation, einer Arbeitslosenrate von 12 Prozent (30 Prozent Jugendarbeitslosigkeit) und niedrigen Löhnen sind die Widersprüche zum System und seiner Regierung unter den Massen jedenfalls groß. Ein Beispiel ist der Arbeitskampf in Chiatura: Nach den Wahlen sollen dort 3.000 Mangan-Bergleute und 2.000 Metallarbeiter der Manganverarbeitung auf 40 Prozent ihrer Löhne und Leistungen verzichten. Alle Umweltforderungen wurden in den Wind geschlagen. „Wir haben beschlossen, zu kämpfen, und unser erster Schritt wird sein, den Transport von Mangan aus der Stadt vollständig zu blockieren. Kein einziges Gramm unseres Reichtums wird seinen Ursprungsort verlassen, bis unsere Forderungen erfüllt sind“, erklärten sie in einem Offenen Brief Anfang November.
Im Rahmen dieser zwei Lager im Kampf um die Regierung kommt es auch zu Barrikadenkämpfen. Die Polizei hat in der vorletzten Nacht zumindest bei der Verteidigung des Parlamentsgebäudes gegen Protestierende wieder Wasserwerfer und Tränengas eingesetzt. Stand Mittwoch sollen seit dem Beginn der jüngsten Protestwelle laut Innenminsterium 293 Menschen festgenommen worden sein, 143 Demonstranten wurden verletzt. Bereits am Montag hatte das Innenministerium mitgeteilt, dass 113 Polizisten durch Steine, Pyrotechnik, Glasflaschen und Eisengegenstände verletzt worden seien.
Viele versprechen sich eine Verbesserung ihrer Lage von einer weiteren Annäherung an die EU. Andere wiederum von einer verbesserten Zusammenarbeit mit Russland. Beides sind Illusion. Es ist notwendig, von der Arbeiterbewegung und den Volksmassen einen eigenständigen Weg zu gehen.
Neuwahlen und Gegenneuwahlen: Machtkampf bricht offen aus
Laut einem Entschließungsentwurf, den das Parlament unlängst verabschiedet hatte, soll die Präsidentenwahl am 14. Dezember und die Amtseinführung am 29. Dezember stattfinden. Deren Ergebnis erkennt Präsidentin Surabischwili schon vorab nicht an und forderte am letzten Sonntag stattdessen Neuwahlen des Parlaments. Nach den (lautstark und allen voran von ihr selbst erhobenen) Vorwürfen der Wahlfälschung und der Abwendung der Regierung vom Kurs in Richtung EU müsse der Weg zu einer neuen Abstimmung gefunden werden.
Bis dahin weigert sie sich, die Amtsgeschäfte zu übergeben. So erklärte sie letzten Sonntag Abend in Tiflis (Tbilissi) in einer Videobotschaft selbstbewusst „Ich bleibe Ihre Präsidentin“. Auf X (ehemals Twitter) begründete sie das so: "Es gibt kein legitimes Parlament und somit auch keine legitimen Wahlen oder Amtseinführungen. Mein Mandat gilt weiterhin.“
Es entsteht ein offener Machtkampf zwischen den Bütteln der EU und denjenigen des neuimperialistischen Russlands in dem strategisch bedeutsam gelegenen Land, dessen Auswirkungen in der Region noch nicht absehbar sind. Einig sind die sich nur in dem Punkt, dass die Zukunft der Georgier nicht von den Georgiern bestimmt werden soll. Die Destabilisierung des imperialistischen Weltsystems beschleunigt sich zusehends.
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