Wende im Ukrainekrieg?
Neue Töne von Selenskyj?
In den letzten Wochen verschärfte sich die Lage in der Ukraine weiter massiv. Beide Seiten setzten weitreichende Waffen mit massiver Zerstörungskraft ein. Russland bombardiert massiv die ukrainische Infrastruktur und setzte erstmals eine neuartige Rakete im Angriff auf das Rüstungs- und Militärzentrum der Ukraine, Dnjpr ein.
Die Ukraine schlägt mit Waffen großer Reichweite aus den USA und Großbritannien zu. Damit verstärkt sich gefährlich die akute Weltkriegsgefahr. Zugleich droht für das ukrainische Militär ein russischer Durchbruch an der Front und Selenskyj spricht erstmals von einem Waffenstillstand ohne Rückeroberung der verlorenen Gebiete.
In den russischen Medien wird lang und breit über atomare Schläge diskutiert. Gestern erklärte der ehemalige Leiter der 12. Hauptdirektion des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation, Generaloberst Wladimir Werchowzew, dass „das russische Testgelände auf dem Nowaja Semlja-Archipel bereit ist, die Atomtests wieder aufzunehmen. Westliche Kommentatoren halten dagegen, die russische Führung drohe nur aus Angst. Damit wird die ganze gefährliche Zuspitzung von beiden Seiten her massiv herunter gespielt.
Einsatz weitreichender Waffen
Der Einsatz der neuen Oreschnik („Haselnuss“) Hyperschallrakete gegen Dnipro war eine erklärte Reaktion auf die Freigabe weitreichender Waffen gegen Ziele in Russland (wir berichteten). Die russische Führung bezeichnete sie als einen Kriegseintritt – dennoch haben nach den USA auch Großbritannien und Frankreich einem solchen Einsatz von ihnen gelieferten Waffen zugestimmt. Putin drohte in seiner Ansprache an die russische Nation am 21.11.24 sogar mit Angriffen auf die Länder, deren Waffen auf russisches Territorium abgefeuert werden.
Pokrowsk: Droht Entscheidungsschlacht an der Ostfront?
Die Frontlinie verläuft derweil nur noch knappe 5 Kilometer vor den ukrainischen Verteidigungslinien, die um die Stadt Pokrowsk aufgebaut wurden. Ein Teil der Bevölkerung wurde evakuiert – Familien mit Kindern unter Zwang. Der Strom ist in Teilen der Stadt ausgefallen, die Trinkwasserversorgung völlig zusammen gebrochen. Wasser muss jetzt per LKW in die Stadt gebracht werden. Trotz hoher Verluste gelingt es der ukrainischen Armee nicht, die russische Armee aufzuhalten. Der russische Vormarsch, der auch mit massiven Verlusten einhergeht und das Leben vieler russischer Soldaten fordert, bleibt langsam, aber stetig.
Pokrowsk hätte das Potenzial zu einer Entscheidungsschlacht an der Ostfront, denn die Stadt hat eine konkrete strategische Bedeutung. Ein erheblicher Teil des ukrainischen Nachschubs im gesamten Abschnitt muss über Pokrowsk verlaufen – nur dort gibt es noch die entsprechenden Straßen und Eisenbahnverbindungen sowohl in Richtung Westen als auch in Richtung Osten und Nordosten. Ohne diesen Knotenpunkt würde der Nachschub erheblich verlangsamt – und das kann sich die hier bereits in eine strategische Defensive ukrainische Armee kaum erlauben.
Mehrheit der Ukrainer will Verhandlungen
Dazu kommt, dass die Massen in Russland und der Ukraine zunehmend kriegsmüde werden (siehe auch: „Zunehmende Kriegsmüdigkeit in Ukraine und Russland“). In den jüngsten Umfragen selbst des US-amerikanischen Markt- und Meinungsforschungsinstituts Gallup in der Ukraine, die im August und Oktober 2024 durchgeführt wurden, wünschen sich mit 52 Prozent eine Mehrheit der Ukrainer, dass so bald wie möglich ein Ende des Krieges verhandelt wird. In den östlichen Oblasten Charkiw, Dnipropetrowsk, Donezk und Saporischschja sind es jeweils sogar 73 Prozent!
In den westlichen Oblasten versuchen die jungen Männer weiterhin, den Drückerbanden der ukrainischen Armee zu entgehen und nicht eingezogen zu werden. Die NATO-Staaten USA und Großbritannien fordern von Kiew derweil, schon 18-Jährige einzuziehen, um mehr junge Menschen an die Front werfen zu können. Diesen Schritt will das ukrainische Regime vermeiden, weil dies die Widersprüche in der Bevölkerung gegen den Krieg weiter befeuern würde.
Auch in Deutschland hat sich die Stimmung bezogen auf den Ukraine-Krieg gedreht. Im September dieses Jahres lehnte bereits eine Mehrheit von 51 Prozent der Deutschen die weitere Lieferung von Waffen ab .
Verlogene Linie der faschistischen Trump-Clique
Der designierte Sicherheitsberater des künftigen faschistischen US-Präsidenten Donald Trump, Mike Waltz, forderte derweil im Interview bei FOX News: "Wir müssen dies zu einem verantwortungsvollen Ende bringen". Wer sich etwas vom Friedenswillen der Trump-Administration versprach, der musste nur weiter zuhören: "Wir müssen die Abschreckung wiederherstellen, den Frieden wiederherstellen und dieser Eskalationsleiter einen Schritt voraus sein, anstatt darauf zu antworten." Damit sagt Walz nichts anderes, als dass die Biden-Administration den Konflikt in der Ukraine nicht unter Kontrolle hat, weil sie nicht genug Stärke gezeigt hätte.
Selenskyj – Sinneswandel?
In dieser Situation bringt Selenskyj in einemSkyNEWS-Interview erstmals die Möglichkeit für einen Waffenstillstand ins Spiel, die nicht die Vertreibung russischer Truppen aus den besetzten Gebieten im Osten und Süden der Ukraine voraussetzt. Würde der jetzt unter Kontrolle von Kiew befindliche Teil der Ukraine unter den Schutzschirm der NATO genommen, könne man den Krieg einfrieren und einen Waffenstillstand vereinbaren. Die besetzten Gebiete könne man dann diplomatisch zurück erlangen.
„Das Gebiet der Ukraine, das unter unserer Kontrolle ist, unter den Schirm der NATO nehmen. Das ist es, was wir schnell tun müssen, und dann kann die Ukraine den anderen Teil ihres Territoriums auf diplomatischem Wege zurückerhalten.“
Mit dieser Idee nähert sich Selenskyj der demagogisch von Trump vertretenen Position „Frieden durch Abschreckung“ an, aber mit welchen Mitteln sollte es dem NATO-Mitglied dann möglich sein, die besetzten Gebiete zurück zu erlangen? Die primäre Bedingung Selenskyjs – die NATO, in welcher Form auch immer, offiziell in der Ukraine – ist das, was Putin ausdrücklich verhindern will.
Keine unmittelbare Reaktion der russischen Regierung
Bisher ist uns keine offizielle russische Stellungnahme bekannt. Der Kreml-nahe Journalist Kirill Strelnikow fasste in einem Kommentar zusammen: „Geopolitische Widersprüche auf hoher Ebene verschwinden nicht und können nicht durch einen vorübergehenden Waffenstillstand gelöst werden.“ Unter Verweis auf Minsk wird die Sorge geäußert, dass ein „Einfrieren“ der Front nur der Vorbereitung für die nächste Stufe des Kriegs dienen könnte: „Früher oder später werden die Feindseligkeiten erneut beginnen, und zwar höchstwahrscheinlich, wenn unser Vorteil ausgeglichen wird oder verloren geht.“
Wer einen dauerhaften Frieden will, der muss gegen die akute Gefahr eines dritten Weltkriegs aktiv werden, sich gegen beide imperialisltischen Seiten richten und an die Ursache, das imperialstische Weltsystem, gehen.