Düsseldorf
Mercedes-Benz-Belegschaft erkämpft wichtigen Teilsieg und mobilisiert Delegation nach Wolfsburg
Am 26. November wurde eine zweite außerordentliche Betriebsversammlung binnen weniger Wochen anberaumt. Rund 2000 Kolleginnen und Kollegen aus allen Bereichen und Ebenen strömten neugierig in den unbestuhlten Saal auf dem Werksgelände, um zu erfahren, was Stand ist.
Der Hintergrund ist der, dass vor wenigen Wochen der Werksleiter dem Betriebsrat Verhandlungen aufdrückte, in denen er ungeheuerliche Forderungen aufstellte, wie Zehn-Stunden-Schichten, Samstag als Regelarbeitstag und vieles mehr. Der vor eineinhalb Jahren beschlossene „Zukunftsvertrag“ hatte all die Fragen angeblich bis 2035 geklärt und „betriebsbedingte Kündigungen“ ausgeschlossen. Wieder einmal erfährt die Belegschaft bitter, dass dies sein Papier nicht wert ist.
Im Windschatten des Generalangriffs von VW hat der Vorstandschef Ola Källenius wohl Morgenluft gewittert, und wollte testen, wie die Düsseldorfer Belegschaft auf die aggressiven Vorstöße und die Erpressung - den heutigen (Diesel)-Sprinter bereits 2030 auslaufen zu lassen - reagiert. Die Stoßstange, Zeitung von Kollegen für Kollegen bei Mercedes-Benz und Daimler, machte das bekannt und mobilisierte die Belegschaft. Daraufhin griff es auch die Rheinische Post auf. Im Zuge dessen wurden die Verhandlungen vom Werksleiter abgebrochen und eine Hetze gegen die „Maulwürfe“ begann. Ein erster Punktsieg!
Die Belegschaft antwortete mit kurzen Streiks in Verbindung mit Betriebsratsinfos, einer außerordentlichen Betriebsversammlung – mit minutenlangem Auspfeifen des Werksleiters – 2500 Kollegen waren hier selbstbewusst am Start – und zwei Warnstreiks in der Tarifrunde mit 2000 Teilnehmern. Die Situation schien ausweglos, und die Belegschaft war gespannt, was jetzt rauskommt, nachdem der Betriebsratsvorsitzende sich auf den Weg nach Stuttgart machte.
Die Antwort ist: Vom „Horrorkatalog“ ist auf einmal keine Rede mehr, stattdessen sollen 100 Mio. zusätzlich in Düsseldorf investiert werden. Weitere Verhandlungen wurden auf 2027 verschoben und es wurde versucht, gute Stimmung zu verbreiten. Es wurde alles auf den Chef der VAN-Sparte, deren Kern der Sprinter ist, geschoben. Aber die Düsseldorfer lassen sich nicht mehr so schnell einlullen. Ein Kollege betonte, dass wir dabei gelernt haben, wie wir durchsetzen, was wir erwarten, und rief zur Solidarität mit den VW-Belegschaften auf, die am stärksten von allen angegriffen werden. Er rief dazu auf, eine Delegation nach Wolfsburg zu organisieren.
Die IG Metall erklärte sich bereit, die Spritkosten zu tragen. Ein weiterer Kollege wies nach, dass die zusätzlichen 100 Mio. Investitionen keine „zusätzlichen“ Investitionen sind, sondern dass sie notwendig sind, um die größtenteils alten Anlagen einigermaßen in Schuss zu halten. Er betonte die Notwendigkeit des selbständigen Kampfs um einen Lohnnachschlag, weil der Tarifabschluss „Reallohnverlust mit Ansage“ bedeutet.
Es ist ein wichtiger Punktsieg – der Vorstand weicht zurück vor der Konfrontation mit der Belegschaft. Aber Wachsamkeit ist geboten! Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Alle gemachten Zusagen sind lediglich „Gesprächsnotizen“, die erst in gültige Verträge transferiert werden müssen. Außerdem ändert sich am Plan, den vollelektrischen Nachfolger nach Polen zu verlagern, nichts. Die Belegschaft ist einerseits stolz, zugleich bleibt die Mehrheit misstrauisch. Dem Vorstand war offensichtlich wichtig, die offen ausgebrochene Krise der Klassenzusammenarbeit wieder einzudämmen und die Zuspitzung im Klassenkampf erst mal zu verschieben.