DHL-Absturz
Anschlag war nie wahrscheinlich
Am 25. November um 5:28 Uhr Ortszeit (Osteuropäische Zeit, OEZ) stürzt European-Air-Transport-Leipzig-Flug 5960 beim Anflug auf den Flughafen Vilnius ab und explodiert. In der Berichterstattung der bürgerlichen Medien wird der „DHL-Flug“ als völlig normal beschrieben. Der Absturz sei mysteriös. Bürgerliche Politiker und Militärs unterstellen einen Zusammenhang mit der mutmaßlichen hybriden Kriegsführung des neuimperialistischen Russland. Ein Blick auf die Fakten zeigt: Alle Indizien sprechen dafür, dass das nicht stimmt.
Der Funkverkehr: Alles normal?
Nachdem die Maschine 32 Minuten vor der geplanten Zeit in Leipzig gestartet war, begann sie um 5:21 Uhr mit dem Endanflug auf den Flughafen in Vilnius. „Es war alles sehr normal“, behauptete der WELT-„Investigativ“-Journalist Lennart Pfahler. Zu dem Funkverkehr sagte er „da war nichts Außergewöhnliches zu hören“.
Anmerkung der Redaktion
Internationale Flugsprache ist Englisch, weswegen in der Luftfahrt imperiale Maßeinheiten verwendet werden. So wird die Geschwindigkeit in Knoten (kn) gemessen und die Höhe in Fuß (ft).
Wir rechnen für die Verständlichkeit die Daten ergänzend in das metrische System um, also in Stundenkilometer (km/h) und Meter (m), verwenden in der Hauptsache aber der Nachvollziehbarkeit halber die offiziellen Maßeinheiten.
Das jedoch stimmt nicht: Von Anfang an kommt es zu kleineren Missverständnissen mit der Fluglotsin. Der Abgleich der Flughöhe wird erst beim zweiten Anlauf von den Piloten korrekt durchgeführt. Die Flugdaten zeigen außerdem: Bei dem ersten Wegpunkt („MIZOP“) kam die Maschine bei Rückenwind von 26 kn (ca. 48 km/h) deutlich zu schnell an! Vorgesehen ist laut Anflugplan eine im Flug gemessene Geschwindigkeit (Indicated Airspeed, IAN) von 230 kn (ca. 426 km/h). Die tatsächliche Geschwindigkeit der Maschine über Grund war aber 295 kn (546 km/h) – mehr als 100 km/h zu viel! Die Maschine war also „heiß“ und kam gerade so auf der vorgesehenen Höhe herein. Diese Geschwindigkeit ist zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des Funkverkehrs, obwohl sie bis kurz vor dem Absturz zu hoch bleibt. Den Piloten schien das Problem also nicht bewusst zu sein.
Große Summe kleiner Fehler
So schießt die Maschine um 5:24:50 Uhr über die vorgesehene Flugbahn hinaus. Das Signal des Instrumentenlandesystems (ILS) wird verpasst. Der Pilot fragt nach, ob er freigegeben ist. Die Fluglotsin bestätigt. Der Pilot kündigt an, zu bestätigen, wenn er das ILS erfasst hat – diese Bestätigung kommt aber nie. Stattdessen übergibt die Fluglotsin für den Endanflug an den Tower und teilt dem Piloten dessen Funkfrequenz mit. Dabei macht die Fluglotsin einen weiteren, eigentlich marginalen Fehler: Sie benennt die Dezimalstellen nicht ausdrücklich. Der Pilot bestätigt daraufhin die Frequenz des Towers falsch: Anstatt 118.5 meldet er 118.05 zurück. Die Fluglotsin korrigiert ihn nicht.
Das hätte nicht passieren dürfen, denn die Frequenzen sind im Flugplan vermerkt und sollten durch die Piloten als Teil der Flugnotizen parat gehalten und abgeglichen werden. Offensichtlich schaltet die Besatzung aber direkt auf die falsche Frequenz – und der Funkverkehr bricht ab. In den folgenden Sekunden versuchen der Tower und die Fluglotsin die Maschine mehrfach anzusprechen. Sie erhalten keine Antwort mehr.
Der Verlust der Funkverbindung muss im Cockpit in der kritischen Endphase des Anflugs für Verwirrung gesorgt haben. Noch ist das Flugzeug zu schnell, dann aber beginnt die Sinkgeschwindigkeit gefährlich zu steigen und grenzt an 2000 ft (610 m) in der Minute! Die Wolkendecke lag auf etwa 800 ft (244 m). Das bedeutet, dass die Besatzung nur Sekunden vor dem Absturz, um ungefähr 5:28 Uhr, erstmals Sicht auf den Boden hatte. Wahrscheinlich erkennt die Besatzung erst in diesen Momenten, dass sie die Kontrolle über die Situation verloren hat.
Nur Augenblicke vor dem Aufprall zieht der Pilot die Maschine in einem offensichtlichen Versuch, den Absturz noch zu verhindern, nach oben rechts, aber die Fallgeschwindigkeit ist zu hoch, die Geschwindigkeit der Maschine nun zu niedrig. Videoaufnahmen zeigen, wie die Maschine über die rechte Tragfläche abkippt. Alle Daten legen nahe, dass es zum Strömungsabriss kam – die Maschine fliegt nicht mehr, sie fällt. Beim Absturz bricht der Bug der Maschine weg und rutscht weiter, während die Tanks im Rumpf explodieren. So überleben drei der vier Besatzungsmitglieder, der spanische Co-Pilot sowie ein deutscher und ein litauischer Flugbegleiter. Der spanische Kapitän stirbt.
Funkverkehr und Flugdaten zeichnen gemeinsam betrachtet das Bild einer Besatzung, die sich ihrer Lage nicht bewusst ist. In solchen Fällen war Übermüdung oft die Ursache. Die wichtigste Frage ist daher, wie lange die Piloten bereits im Dienst waren. Zusammenfassend muss man sagen, dass es von vorneherein viele Indizien für Fehler beim Anflug als Ursache des Unglücks gab, aber keinen einzigen Hinweis auf die Einwirkung Dritter.
Politische Instrumentalisierung: Spekulationen begründen Spekulationen
Deswegen ist die wahrheitswidrige Unterstellung eines normalen Anflugs notwendig für Akteure wie die grüne Außenministerin Annalena Baerbock, wenn sie dann kommentiert, „das können nicht alles Zufälle sein“. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, sprach bei „Maischberger“ gar von einem „Muster“ – beide beziehen sich auf den Vorfall im Juli diesen Jahres, bei dem ein Paket in dem DHL-Frachtzentrum in Leipzig in Brand geraten war.
Dabei ist auch in dem Fall bislang keine russische Täterschaft klar, sondern alles offen. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe führt die Ermittlungen und erklärte gegenüber einer aktuellen Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) lediglich: „Dabei geht es unter anderem um den Anfangsverdacht der versuchten schweren Brandstiftung.“ Und: „Eine zeitliche Prognose zum Abschluss der Ermittlungen ist derzeit nicht möglich.“ Offizielle Aussagen erwähnen keine Explosion – und es gibt auch keine Aussage dazu, was zur Entflammung des Pakets führte. Prinzipiell kann das auch ein unsachgemäß verpackter und billig produzierter Akku gewesen sein.
Ein vermeintlicher russischer Anschlag wird also als Begründung für den Verdacht einer vermeintlichen russischen Verwicklung in diesen Flugzeugabsturz herangezogen: Das bedeutet, Spekulationen mit Spekulationen zu rechtfertigen. Wozu? Um Kriegshetze zu betreiben; psychologische Kriegsvorbereitung. Das ist nicht nur verantwortungslos, sondern ausgehend von dem, was unmittelbar nach dem Absturz schon bekannt war, mutwillig und bösartig.