Krise der SPD

Krise der SPD

Streit um Kanzlerfrage scheinbar vorläufig beendet

Um die Kanzlerkandidatur entwickelte sich in den letzten Tagen vor dem Hintergrund der offenen politischen Krise eine wahre Zerreißprobe der SPD: Olaf Scholz oder Boris Pistorius?

Von dr
Streit um Kanzlerfrage scheinbar vorläufig beendet
Es ist einsam um Olaf Scholz. Hier noch als Erster Bürgermeister Hamburgs im Jahr 2011 (foto: Christoph Braun (CC0)

Gestern Abend verkündete Boris Pistorius per Videobotschaft seinen Verzicht auf die Kandidatur um das Amt des Bundeskanzlers. Damit ist der Streit scheinbar vorläufig beigelegt, die sich vertiefende Krise der SPD nicht.

Der völlige Absturz von Olaf Scholz

Mit nur 21 Prozent Zustimmung war Olaf Scholz der am weitesten abgeschlagene Kanzlerkandidat im ARD-DeutschlandTrend dieser Woche. 60 Prozent der befragten Wähler bezeichneten Boris Pistorius als guten Kanzlerkandidaten, nur 42 Prozent Friedrich Merz, 34 Prozent Robert Habeck und 30 Prozent Alice Weidel. Angesichts der desaströsen Umfragen fand er nur noch 58 Prozent Zustimmung, Boris Pistorius dagegen 82 Prozent in der eigenen Partei. Die SPD fiel bei der Sonntagsfrage um zwei Prozent ab, auf nur noch 14 Prozent. Nun wird Olaf Scholz am 30. November auf der „Wahlsiegkonferenz“ als Kanzlerkandidat präsentiert.

Boris Pistorius weiter im Spiel

Mit den vorgezogenen Neuwahlen am 23. Februar 2025 drängen die Monopolverbände auf eine „Richtungsentscheidung“ und Verschärfung der volksfeindlichen Politik. Das ist für die Massen keine Alternative, wird ihre Lebenslage und die Klassenwidersprüche weiter zuspitzen. Mit Sprüchen wie „Deutschland muss wieder kriegstüchtig werden“ und „die Ukraine muss den Krieg gewinnen“, steht Pistorius für eine massive Militarisierung mit Wiedereinführung der Wehrpflicht, Hochrüstung und einen aggressiven Krieg. Boris Pistorius bekennt sich damit zur ultrareaktionären Wende der entscheidenden Monopole. Er freut sich „schon auf eine zweite Amtszeit“, unter wem, hat er gestern jedenfalls nicht verraten!

Wofür ein „hervorragender Bundeskanzler“ noch gut ist

Bei diesem heuchlerischen Lob von Boris Pistorius für Olaf Scholz reibt man sich angesichts der verheerenden Meinungsumfragen die Augen. Auch wenn im Machtkampf im Lager der Herrschenden die entscheidenden Monopole eine ultrarechte Regierung wollen, so ist das System der kleinbürgerlichen Denkweise mit seinen immer neuen Betrugsmanövern nicht absolut am Ende, auch wenn sein Wirkungsgrad massiv gesunken ist. Scholz oder auch Habeck sind nach rechts gerückt und stehen für die Diktatur der Monopole. „Aus Angst vor Arbeiterstreiks und Massenkämpfen setzen aber beide weiterhin hauptsächlich auf Dämpfung der Klassenwidersprüche und das System der kleinbürgerlichen Denkweise.“¹ Mit flotten Sprüchen, dass es mit ihm keine Einschnitte bei Rente, Gesundheit und Pflege geben wird und dass „Sicherheitspolitik und Soziales nicht gegeneinander ausgespielt werden“ versucht Scholz Hoffnungen zu wecken, wenigstens das Allerschlimmste in einer möglichen großen Koalition abzudämpfen. Parteichef Lars Klingbeil erwartet von ihm, dass „er jeden Tag deutlich macht, dass er für höhere Löhne, stabile Industriearbeitsplätze und den gesellschaftlichen Zusammenhalt kämpft“². Doch längst sind solche Versprechen der Aussöhnung mit dem kapitalistischen System an der Realität gescheitert. Minimale Zugeständnisse beim Mindestlohn, dem Bürgergeld, dem Kinder- und Wohngeld sind angesichts der massiven Inflation verpufft. Seit 1990 sank das Netto-Rentenniveau vor Steuern auch mithilfe der SPD von 55 Prozent auf heute 48 Prozent. Auch der Absturz der Mitgliederzahl der SPD von 943.402 von 1990 auf 365.190 Ende 2023 kennzeichnet diese offene Krise des Reformismus.