Türkei/Kurdistan
Zur Diskussion um eine mögliche Freilassung von Abdullah Öcalan
In einem aufsehenerregenden Schritt hat der Vorsitzende der faschistischen türkischen Partei MHP, Devlet Bahceli, vorgeschlagen, dass der seit 25 Jahren inhaftierte PKK-Führer Abdullah Öcalan freigelassen werden könne. Aber nur, wenn er im Parlament die „Selbstauflösung“ der PKK bekannt geben und jeder „Gewalt abschwören“ würde. Der faschistische Premier Erdoğan erklärte daraufhin, dass man diesem „Aufruf zuhören“ solle. Schon in der Vergangenheit hatte Erdoğan Bahceli vorgeschickt.
Nach mehr als vier Jahren vollständiger Isolationshaft konnte Öcalan erstmals wieder von einem Verwandten auf der Gefängnisinsel Imrali besucht werden. Dies ist auch eine Reaktion auf den wachsenden internationalen Druck. Auch die MLPD fordert die sofortige, bedingungslose Freilassung von Abdullah Öcalan. Wir begrüßen es, dass in Deutschland die kurdische Bewegung zu einer Großdemonstration am 16. November in Köln für die Freilassung Öcalans aufruft und werden uns aktiv daran beteiligen und gegen die Unterstützung des Erdoğan-Regimes durch die Bundesregierung protestieren.
Gleichzeitig machten Bahceli und Erdoğan in ihren Reden zu dem Thema keinerlei weitere Zugeständnisse, nicht einmal mit Blick auf die kulturellen Rechte oder eine Entkriminalisierung der kurdischen Sprache.
Der Vorstoß der Faschistenführer der Türkei zielt auf eine Kapitulation der PKK und eine imperialistische Befriedung des Landes. Gleichzeitig wird der Staatsterror mit verstärkten Angriffen auf Rojava und im Nordirak sogar noch verstärkt.
Dass aber überhaupt die Freilassung Öcalans von Regierungsseite in die Diskussion gebracht wird, ist etwas Neues seit der Errichtung der faschistischen Diktatur. Das Erdoğan-Regime ist in der Defensive. Arbeiterkämpfe nehmen deutlich zu. Die Bergleute von Soma haben gerade mit einem seit August andauernden Streik ihre Forderungen vollständig durchgesetzt. Der kurdische Befreiungskampf und die weltweite Solidarität mit ihm ist ungebrochen. Die soziale Not verschärft sich drastisch. In Istanbul können 62,5 Prozent nicht ausreichend heizen und 34 Prozent können sich weder Obst noch Gemüse leisten. Die Unzufriedenheit mit dem Erdoğan-Regime wächst und das antifaschistische Bewusstsein belebt sich. Längst hat das Bündnis von Erdoğans AKP und MHP keine Mehrheit mehr in den Umfragen. Das faschistische Regime sucht nach Wegen, seine Massenbasis wieder zu erweitern. Erdoğan kann bei regulären Wahlen auf der Basis der jetzigen Verfassung nicht wiedergewählt werden. Sein Vorstoß zielt auch darauf ab, größere Teil der kurdischen Bevölkerung auf seine Seite zu ziehen, um bei eventuell vorgezogenen Neuwahlen zu bestehen. Eine weitere Option wäre eine Verfassungsänderung, wozu die Stimmen der DEM-Partei, die dem kurdischen Befreiungskampf verbunden ist, notwendig wären. Erdoğan appelliert ausdrücklich an die Kurden, sie gehörten „zur Türkei“ – die ein neuimperialistisches Land ist. Die Türkei hat in ihren Bestrebungen zum Ausbau ihrer Regionalmacht verstärkte Konkurrenz bekommen durch die Ambitionen des Iran und anderer neuimperialistischer Mächte. Sie fürchtet destabilisierende Auswirkungen eines Kriegs zwischen Israel und Iran auf die Türkei und will die Heimatfront befrieden.
Die MLPD ist seit jeher solidarisch mit dem kurdischen Befreiungskampf und unterstützt das Recht des kurdischen Volkes auf Selbstverteidigung und Befreiungskampf. Schon in der Vergangenheit hatte sie aber die Frage nach der Zweckmäßigkeit eines Guerillakampfs in einem neuimperialistischen Land ohne revolutionäre Situation aufgeworfen. Besonders bedeutsam ist gerade der gemeinsame Kampf des kurdischen Volkes mit dem türkischen, iranischen, irakischen oder syrischen Volk. Die Perspektive des Kampfs um nationale und soziale Befreiung des kurdischen Volks liegt darin, ihn einzuordnen und einzubringen in den weltweiten Kampf um die internationale sozialistische Revolution.
Die MLPD begrüßt Äußerungen aus der kurdischen Bewegung, dass eine Kapitulation nicht infrage kommt. Sie hält es aber auch für richtig, dass diese Friedensverhandlungen nicht ausschließt. Ernsthafte Friedensverhandlungen sind in Verbindung mit einem verstärkten Kampf des türkischen und kurdischen Volkes um Demokratie und Freiheit denkbar. Für einen demokratischen Friedensschluss wären eine Abschaffung der faschistischen Diktatur, eine umfassende Erweiterung demokratischer Rechte und Freiheiten oder die Anerkennung und der Schutz der Rechte des kurdischen Volkes Grundpfeiler. Das würde die Bedingungen verbessern, den Kampf der Arbeiterklasse und der Volksmassen in der Türkei und in Nordkurdistan zu entfalten. Das kann natürlich nur hart erkämpft werden, ohne Illusionen in das faschistische Regime.