Frankfurter Buchmesse

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"Verwurzelt in der Zukunft" - ein harmloser Werbe-Slogan?

Der offizielle Slogan des Gastlandes Italien auf der Frankfurter Buchmesse hieß "Radici nel Futuro". Wörtlich übersetzt: "Verwurzelt in der Zukunft". Ein harmloser Werbespruch? Bei näherem Hinsehen stellt sich heraus: Mitnichten!

Von hi

Der Kunsthistoriker Luciano Cheles zeigt auf, dass die italienischen Faschisten eine zweite Sprachebene entwickelt haben, in der solche Begriffe einen eindeutigen faschistischen Gehalt haben.

 

Die faschistische Ministerpräsidentin Georgia Meloni benutzt den Slogan „Dio, Patria et Famiglia“ (Gott, Vaterland und Familie) und erklärt dann auf Fragen, dass es sich um normale konservative Werte handle. Jeder habe das Recht, an Gott zu glauben und sein Land zu lieben. Und das mit der Familie gehe eh klar. Es ist allerdings bekannt, dass es die zentrale Losung des Faschismus schon unter Mussolini war und deshalb auch eine Inschrift auf Mussolinis Grab ist.

 

Weiteres Beispiel: Meloni liebt Fantasy-Literatur von J.R.R. Tolkien. Die Faschisten verwenden von ihm das Zitat: “Le radici profonde non gelano (Tiefe Wurzeln gefrieren nicht). Wurzel ist in dieser Sprache ein Synonym für Faschismus. Auf einem Plakat der faschistischen „Forza Nuova“ von 2019 steht der Satz neben einem Portrait von Mussolini. Der Führer der faschistischen Vorgängerpartei von Meloni, der MSI, verwendet die Losung: „Nostalgia dell avvenire“ (Nostalgie für die Zukunft).

 

Die italienische Kultur und Literatur haben einen großen Beitrag für die fortgeschrittene Kultur der Menschheit geleistet und leisten ihn immer noch. Die faschistischen Kulturbarbaren haben kein Recht, sich auf diese Tradition zu berufen.

 

Dieser Sprachgebrauch hat in Italien Tradition. Schon die sogenannten "Futuristen“ tarnten ihren reaktionären Charakter mit diesem Begriff. Für die Aussöhnung von Futurismus und Faschismus 1924 erhielt der führende Futurist Filippo Tomasso Marinetti den Posten als Kultusminister „von seinem großen und teuren Freund“ Mussolini. Schon Sergej  Eisenstein (revolutionärer Filmemacher in der damals sozialistischen Sowjetunion berichtet in seinen Memoiren, dasss sie auf Treffen internationaler Kulturschaffender die Aufgabe hatten, das reaktionäre Wesen der Futuristen aus Italien zu entlarven.

 

Zur Rolle der Sprache bei der Rechtsentwicklung heißt es im neuen Buch der MLPD "Die Krise der bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften, der Religion und der Kultur":

 

„Die Krise der imperialistischen Ideologie äußert sich deutlich in der politischen Sprache. Die Beweglichkeit der Sprache und der Begriffe macht es möglich, dass Politiker neue Begriffe erfinden oder bekannte Wörter mit neuen Deutungen versehen oder gar in ihr Gegenteil verkehren. In Deutschland traten in den 2010er-Jahren politische Kräfte an die Öffentlichkeit, deren aggressive Reden als Anleihen bei der Propaganda der NSDAP auffielen."