Solingen
Terroranschlag wirft Fragen auf
Nach dem Anschlag von Solingen ergeben sich noch immer Fragen, die die Ermittler nicht beantworten können oder wollen. Auch wenn vieles für einen islamistisch-faschistischen Hintergrund spricht – nicht alles ist so sicher, wie es erscheinen soll
Es ist abscheulich und zutiefst menschenverachtend, wie der Täter innerhalb der Menschenmenge wahllos drei Menschen tötete und acht weitere schwer verletzte. Danach tauchte er unter und flüchtete. Die große Mehrheit islamistisch-faschistischer Anschläge zeigt ein anderes Muster: Die Täter setzen die Angriffe so lange fort, bis sie von Sicherheitskräften – oder mutigen anderen Personen – gestoppt werden. Warum hat sich dieser Attentäter anders verhalten?
Die Festnahme – ein Zufall?
Kurz nach 23 Uhr am Samstag, dem Tag nach der Tat, soll sich der mittlerweile Tatverdächtige, Issa al Hasan (26 Jahre), laut einem Sprecher des Landesinnenministeriums NRW der Polizei gestellt haben. Dem widersprach Innenminister Herbert Reul (CDU) in einer Sondersitzung des Innenausschusses erst drei Tage später: Tatsächlich sei einer Polizeistreife in der Nähe des Tatorts ein Mann aufgefallen. Unmittelbar zuvor hatte die Polizei noch einen 36-Jährigen der Tat verdächtigt, den sie bei einer Durchsuchung der nächstgelegenen Asylbewerberunterkunft verhaftete. Es passt zu den Meldungen, nach denen die Polizei tatsächlich keine Hinweise auf al Hasan hatte. Trotzdem behauptet Reul weiter, dessen Verhaftung sei ein Ermittlungserfolg.
Wie dem auch sei, unstrittig ist jedenfalls, dass der Verhaftete – mehr als 24 Stunden nach der Tat – in einem blutverschmierten gelben Regenmantel angetroffen worden sein soll. Aber: Alle anfänglichen Täterbeschreibungen sprachen von einem schwarz oder dunkel gekleideten Täter. Wie also kam das Blut überhaupt auf diesen gelben Regenmantel und warum trug er ihn noch? Die offizielle Darstellung wirft zahlreiche Fragen auf, die gründlich aufgeklärt werden müssen, statt sie unter den Tisch zu kehren.
Stimmungsmache mit tödlichen Folgen
Seither haben Polizisten in drei Fällen - in Recklinghausen, Moers und München - Menschen aufgrund einer „Bedrohungslage“ erschossen; drei von nun elf Fällen im laufenden Jahr in weniger als zwei Wochen. Die Stimmungsmache gegen "Messerstecher" und Migranten dient offenbar auch dazu, gezielte Todesschüsse hoffähig zu machen. In Siegen hat eine Täterin mehrere Menschen teils schwer verletzt, bevor sie – nicht von der Polizei – sondern von drei mutigen Migrantinnen niedergerungen wurde. Anders als nach Solingen gab es nach den Vorfällen von Recklinghausen, Moers und Siegen allerdings keine bundesweite Hetzkampagne. Liegt das daran, dass dort die Tatverdächtigen jeweils Deutsche waren?
Anschlag kam zur rechten Zeit
Welche Rolle spielen Staatsapparat und Geheimdienste bei solchen faschistischen Anschlägen? Diese Frage muss man nach den Erfahrungen mit dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, stellen. Er wurde vom Verfassungsschutz regelrecht an der langen Leine geführt und eigens nach Berlin chauffiert.
Der Anschlag von Solingen kam genau richtig, um seit langem geplante Gesetze zur Einschränkung demokratischer Rechte und Freiheiten durchzudrücken. Aber auch passend für den Wahlkampf der faschistischen AfD in Sachsen und Thüringen, was diese sofort für ihre Hetze nutzte. Doch was ist mit den Anschlägen von Hanau 2020, München 2016 und Solingen 1993, die von deutschen Faschisten verübt wurden? Warum sind 789 faschistische Straftäter deutscher Staatsangehörigkeit trotz Haftbefehl auf freiem Fuß?