Korrespondenz
7. Oktober 1949: Spannende Diskussion zum Jahrestag der Gründung der DDR
Je ein Vertreter der Linkspartei und der MLPD und eine Vertreterin der DKP folgten der Einladung, einen viertelstündigen Einleitungsbeitrag zu halten und sich anschließend Fragen, Kommentaren und Kritiken eines bunt gemischten Publikums zu stellen.
Doris Feuerbach, Genossin der DKP, las zu Beginn ein Gedicht und hob die zahlreichen sozialen Errungenschaften der DDR hervor, so die Entnazifizierung und die Umerziehung ehemaliger Faschisten. Sie äußerte aber kaum ein Wort der Kritik an den negativen Entwicklungen in der DDR.
Dr. Lothar Adler* von der Linkspartei richtete seinen Beitrag auf das Gesundheitswesen aus, was eine der größten jener Errungenschaften darstellte, besonders im Kontrast zum profitorientierten Gesundheitswesen der Bundesrepublik. Er räumte als ehemaliger Mitarbeiter des ZK der SED jedoch auch ein, dass sich manche Funktionäre zunehmend vom Volk entfernten, ja sogar mutwillig Augen und Ohren verschlossen, wenn Kritik von unten kam.
Tassilo Timm* von der MLPD legte dar, dass die Kommunisten in Ost und West die konsequentesten Verfechter der Einheit Deutschlands waren. Die Gründung der DDR war eine Reaktion auf die vollendeten Tatsachen der westlichen Imperialisten und des Adenauer-Regimes nach dem Motto: „Lieber das halbe Deutschland ganz, als das ganze Deutschland halb". Er schloss sich den würdigenden Worten der Vorredner an, sparte jedoch auch nicht mit Kritik an der bürokratischen Entartung, was letztendlich zu einem Verrat am Sozialismus führte. Als Beweisführung arbeitete er Merkmale dieses Verrats heraus.
Das Publikum stieg anschließend in die Diskussion ein. Es klärte sich, dass nicht das Organisationsprinzip des Demokratischen Zentralismus, sondern seine bewusste Abschaffung innerhalb der SED Ursache für die Unterdrückung von Kritik der Basis war. Auch das Prämiensystem und die Überhöhung des Nettogewinns als wichtigste Kennziffer für die Wirtschaftlichkeit der DDR-Betriebe wurden als bewusste Abkehr vom sozialistischen Leistungs- und Verteilungsprinzips entlarvt.
Offenheit bestand vor allem in der Diskussion über die Kernthese der MLPD, dass die Frage der Denkweise eine ausschlaggebende Rolle im Aufbau des Sozialismus bekommt. Die Erfahrung der DDR hat gezeigt: Wenn sich die kleinbürgerliche Denkweise bei den führenden Funktionären durchsetzt, wird der sozialistische Aufbau untergraben und der Kapitalismus restauriert.
Die ungefähr 20 Teilnehmer der Veranstaltung erlebten nicht nur eine Auseinandersetzung auf hohem ideologisch-politischen Niveau, sondern auch einen Schlagabtausch auf Augenhöhe, geprägt von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung. Praktisch zusammenarbeiten und die weltanschauliche Debatte intensivieren – das Inter-Bündnis leistet auf diese Weise einen wertvollen Beitrag für die Schaffung einer Einheitsfront gegen Rechtsentwicklung, Faschismus und Krieg. Diese Erwartung haben die Menschen an uns. Mit solch einer Methode kann auch der Sozialismus das Ansehen zurückgewinnen, das er durch den Verrat der neuen Bourgeoisie verloren hatte.
Siehe auch den neuesten Beitrag von Rote Fahne TV History: "75 Jahre Gründung der DDR" mit Tassilo Timm