Landtagswahlen
Thüringen: Gibt es Gründe, vom Wahlergebnis der MLPD enttäuscht zu sein?
Viele der Wahlkämpfer, die bundesweit in Thüringen im Einsatz waren, schauten am 1. September gespannt auf die Wahlergebnisse. Alle haben sich mächtig ins Zeug gelegt. Hundertfach war im Wahlkampf die Meinung zu hören: "Ihr habt die besten Plakate und die klarsten Aussagen". Aufgrund des subjektiv hohen Zuspruchs der Leute im Wahlkampf hatte sich mancheiner sicher ein höheres Stimmenergebnis der Internationalistischen Liste/MLPD erhofft.
Ein MLPD-Genosse aus Sömmerda berichtet von einem Arztbesuch kurz nach der Wahl: "'Ich bin so enttäuscht', sagt mein Arzt, bevor die Tür richtig zu ist und ein Wort über Medizin gesprochen wurde. 'Das erste Mal in meinem Leben habe ich CDU gewählt, um Höcke als Ministerpräsidenten zu verhindern. Hat nix genutzt, trotzdem 30% AfD. Ich war schon immer links und bin es immer noch. Mit euren Plakaten bin ich mit allem einverstanden. Ich dachte aber, eine Stimme an die MLPD ist eine verschenkte, da ihr eh nicht rein kommt.'"
Hat es sich der Wahlkampf trotzdem gelohnt? Enttäuschung ist kein guter Ratgeber. Sie führt zu Passivität. Man braucht einen nüchternen dialektischen Blick auf die Realität und darf sich nicht von der Einseitigkeit der bürgerlichen Medien kirre machen lassen.
Die Herrschenden stellten die MLPD von vorneherein als unbedeutend dar, besonders durch die Taktik des Verschweigens. Außer wenigen Artikeln in den Regional-Teilen wurde über die MLPD so gut wie nicht berichtet, sämtliche Pressemitteilungen wurden ignoriert. Es gab auch anders als 2019 zur letzten Landtagswahl keine Einladungen zu Podiumsdiskussionen. Antworten bei Abgeordnetenwatch wurden zensiert, unterdrückt und objektiv verfälscht, indem einzelne Passagen gestrichen wurden.
Insbesondere in den letzten Tagen vor der Wahl wurde die Diskussion auf die Frage "Taktisch wählen" zugespitzt: Also wen wähle ich, um die AfD zu verhindern. Während es also insgesamt eine große Zustimmung zu den Zielen der MLPD gab, spiegelte sich das im Stimmenergebnis nicht wider. Die Denkweise wurde verbreitet, die Stimmabgabe für die Parlamentswahl für CDU, BSW oder Linkspartei sei die wichtigste Möglichkeit der politischen Einflussnahme gegen die AfD.
Wir von der Internationalistischen Liste/MLPD kämpften gleichwohl um jede Stimme für die Arbeiterpartei MLPD. Diese Stimmen sind mitnichten verschenkte Stimmen - jede solche Stimme war ein Ergebnis der Veränderung der Denkweise bei den Leuten, schuf und stärkte sozialistisches Bewusstsein und Selbstbewusstsein. Tatsächlich ist jede Stimme an die bürgerlichen Parteien eine verschenkte Stimme! Die Aktivitäten der MLPD darf man nicht einseitig am Stimmenergebnis messen. Unser Einfluss darauf ist aufgrund des ganzen Systems der Wahlmanipulation, darunter der Fünf-Prozent-Hürde ohnehin nicht sehr groß.
Der Wahlkampf hatte mehrere Ziele. Das wichtigste war die Stärkung von MLPD und REBELL. Hunderte Menschen trugen sich im Wahlkampf in Kontaktlisten ein. Manche davon sicher "nur", um weiter per E-Mail von uns informiert zu werden. Ein ganzer Teil davon allerdings auch aus dem ernsthaften Interesse, aktiv zu werden. So gibt es bereits jetzt in den ersten Wochen nach der Wahl einige Mitgliedsanträge für MLPD und REBELL. Einer der neuen Genossen schreibt darin: "Für mich stellt die AfD eine faschistische Gefahr dar und deshalb möchte ich aktiv kämpfen, mich für eine bessere Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung einsetzen. Ich bin überzeugt, dass der echte Sozialismus die einzige Alternative zum Kapitalismus ist." Weitere ernsthafte Gespräche werden in den kommenden Wochen geführt mit dem Potential, etliche neue Mitglieder zu gewinnen. In den Thüringer Betrieben ist die MLPD viel bekannter geworden. Erste neue Betriebsgruppen konnten gegründet werden.
Dann gibt es aber noch die nicht so unmittelbar messbaren Ergebnisse. Die MLPD ist mit dem Wahlkampf viel bekannter geworden. Es ist ihr gelungen, den Antikommunismus weiter zu durchbrechen, was sich indirekt auch in verhältnismäßig hohen Stimmenergebnissen für die drei Direktkandidaten ausdrückte. Die Losung "Wer AfD wählt, wählt Faschismus" ist zur Massendiskussion geworden. Die MLPD ist kurz gesagt zu einem gesellschaftlichen Faktor geworden und hat ihre gesellschaftliche Rolle weiter ausgebaut.
Mit dem Wahlkampf wurden also auch in den Gebieten, in denen es vielleicht noch nicht unmittelbar gelungen ist, Mitglieder zu gewinnen, kleine Blümchen gepflanzt, die erst noch in den nächsten Monaten und Jahren weiter aufgehen werden.
Der Genosse aus Sömmerda berichtet abschließend: "Ich führte oft mit meinen Kollegen in einem Großbetrieb Kämpfe. Zum Beispiel gegen Akkord-Erhöhungen. Manchmal hatten wir auch Erfolge. Oft kam die Akkorderhöhung trotzdem. Es blieb aber die Erfahrung des Zusammenschlusses. Signale an die Arbeiter in anderen Betriebe, dass man kämpfen kann und vieles mehr. Vor einem Jahr hätte mein Arzt mit mir wohl kein solches politisches Gespräch geführt. Unsere gesellschaftliche Rolle, unser Ansehen im Verein, in der Sportgruppe, bei Mitgliedern der Linken, der Grünen und bei vielen weiteren Menschen sind gewachsen. Die MLPD hat gezeigt, dass sie eine solche Kampagne führen kann. Dass sie einen Kampf um die Denkweise der Menschen führen kann. Im Bewusstsein der Menschen sind wir die einzige Partei, die für Sozialismus eintritt. Wir haben wesentlich dazu beigetragen, dass das Bewusstsein über die faschistische Gefahr gestiegen ist."