Kämpferische Betriebsversammlung bei VW Zwickau

Kämpferische Betriebsversammlung bei VW Zwickau

„Wir gehen jetzt raus! Wir bestimmen den Takt!“

„Noch nie habe ich bei uns eine solche Betriebsversammlung erlebt: Das war der Hammer; ich hab noch Gänsehaut!“, fasst es ein Kollege zusammen. Rund 4000 Kolleginnen und Kollegen beteiligten sich an der kämpferischen, lauten und selbstbewussten Betriebsversammlung.

Von Korrespondenten
„Wir gehen jetzt raus! Wir bestimmen den Takt!“
Blick auf das VW-Werk Zwickau / Mosel (foto: André Karwath aka Aka derivative work: Sitacuisses (talk) - Mosel_-_B93_with_VW_factory_(aka).jpg (CC BY-Sa 2.5))

Es lief nichts mehr: Gegen ausdrückliche Aufforderung des Personalwesens, bis 14 Uhr die Arbeitszeit einzuhalten und trotz Drohungen einiger Meister, folgte die Masse der Kolleginnen und Kollegen der Aufforderung der Vertrauensleute, schon vor 13 Uhr ihren Arbeitsplatz zu verlassen, um Markenvorstand Thomas Schäfer zu „begrüßen“!


„Im Karo-Bau haben wir bis zur letzten Minute diskutiert. Einige hatten Sorge, dass sie Ärger kriegen oder die ersten sind, wenn dann Leute rausfliegen.“ Doch überall setzte sich die richtige Entscheidung durch: Wir gehen jetzt raus, wir bestimmen den Takt. Je mehr wir sind, desto weniger können die uns an den Karren fahren.


Faktisch entschied sich damit eine große Masse aus der Halle für eine Stunde selbständigen Streik! Diese Entscheidungen und Erfahrungen sind bedeutend für die bevorstehenden Kämpfe! Ein stolzer Demozug mit Transparenten, Trommeln und Tröten zog aus der Montage zum Haupttor. Azubis mit Plakaten, Delegationen aus Dresden, Chemnitz, von Schnellecke und vom VW-Bildungsinstitut beteiligten sich. „Wir sind hier, wir sind laut, wenn Ihr unsre Tarifverträge klaut!“, wurde Tausendfach skandiert. Alle sammelten sich auf der Mittelstraße und zwangen Vorstandschef Schäfer, durch ein Meer von Fahnen, Metaller-Mützen, ohrenbetäubendem Lärm und vor allem durch die wütende Zwickauer Mannschaft zu fahren. Er und sein Tross dürften sich in ihren abgedunkelten Autos nicht wohlgefühlt haben. Auch die anschließende Betriebsversammlung war von großem Selbstbewusstsein geprägt und dem Bedürfnis, den Chefs in - für Zwickauer Verhältnisse neuem Maß - zu zeigen: „Redet nicht von WIR – hier steht die Belegschaft und da steht IHR. Wir trauen Euch nicht mehr!“. Minutenlange Pfeifkonzerte, „Lügner-, Lügner“-Rufe, „Wir ham' die Schnauze voll“-Gesänge, als Schäfer von nötigen Maßnahmen für die Zukunftssicherung spricht.


Tosender Applaus für die Beiträge mutiger Kolleginnen und Kollegen, einiger IG-Metall-Betriebsräte und Vertrauensleute, die das Wort ergreifen: Rücknahme der Angriffe – Hände weg von den Tarifverträgen! Wir haben jahrelang durch unsere Arbeit für die Beschäftigungssicherung „bezahlt“, ihr seid Vertragsbrecher! Kein Blatt darf zwischen die Belegschaften und Standorte passen! Ihr legt Euch mit allen an und auch die Befristeten und alle Zulieferer gehören dazu! Ihr setzt Milliarden in den Sand, wie mit der Dieselgate-Affäre, und wir sollen das zahlen! Ihr habt die Büchse der Pandora geöffnet. Mit uns wird es keine Standortschließungen geben! Versprechungen über Versprechungen und nichts davon gehalten.


Große Empörung darüber, dass letzte Woche noch 100 neuen Azubis erzählt wurde, in welchem tollen Unternehmen sie lernen dürfen und ein paar Tage später wird Kahlschlag angekündigt. Stehender Applaus für einen Kollegen, der früher in der Montage gearbeitet hatte und jetzt in Altersteilzeit, extra reinkam: „Ich bin überwältigt, Euch hier so zu sehen – das macht mir Mut für meine Kinder und Enkel. Kollegen, denkt an den alten Spruch ‚Wenn der Werker es will, stehen alle Bänder still!‘“. Diese Betriebsversammlung wirkt nach.