Streikkultur
Die Ideen der Streikenden gehören dazu
Ich begrüße den Leserbrief vom 2. September, „Ein selbständiger Streik braucht Kultur!“. Mit Recht weist er auf die große Rolle der Kulturarbeit am Streiktor zur Hebung des Kampfwillens und des Zusammenschlusses der Streikenden hin. Ich bin sicher, dass die Entfaltung der Arbeiterkämpfe demnächst auch viele fortschrittliche Kulturschaffende anziehen wird.
Ergänzend muss man sagen, dass sich die Kulturarbeit nicht auf die Bündnisarbeit mit bekannten Sängern beschränken darf. Auch die Art und Weise, wie der Zusammenhalt an den Streiktoren, in der Stadt und im Betrieb selbst gefördert wird, und vor allem die vielen Ideen, die die Streikenden selbst einbringen, gehört zur Streikkultur. Ich wundere mich, warum ihr eine Korrespondenz von vorletzter Woche nicht veröffentlicht habt, wo wir mit einer Gruppe von Azubis im zweiten Lehrjahr zusammen das Lied „Keiner schiebt uns weg“ gesungen haben.
Wir waren alle keine guten Sänger, aber das Lied hat uns näher zusammen gebracht. Als die jungen Kollegen über die Herkunft und Geschichte des Liedes informiert wurden, erhöhte das ihren Stolz. Das Lied entstand vor rund 150 Jahren als Protestlied afrikanischer Sklaven, die aus ihrer Heimat in die USA verschleppt wurden. In den 1960er-Jahren griff es die amerikanische Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King wieder auf. Im Winter 1979 wurde das Lied beim ersten großen Stahlstreik nach dem Zweiten Weltkrieg am Thyssen-Tor 1 von einer Lehrlingsgruppe namens „Krempeltiere“ mit eigenem Text intoniert. Etwa gleichzeitig haben es die Gelsenkirchener Heinze-Frauen zu ihrem Lied im legendären Kampf für gleiche Löhne von Mann und Frau gemacht. In den 1980er-Jahren wurde es zu dem Arbeiterlied und der Hymne des Rheinhausenkampfes.
Die tkse-Azubis letzte Woche waren begeistert und hatten das Lied immer wieder vor sich her gesummt. Einer meinte, es sei „ein richtiger Ohrwurm“ und schlug vor, ein T-Shirt mit dem Logo „Keiner schiebt uns weg“ zu machen. Also wichtig ist, die Arbeiter zu gewinnen, auch in der Kulturarbeit bei ihren Streiks das „Heft in die eigene Hand“ zu nehmen!