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Tödliche Schüsse - Anschlag oder Polizeigewalt?

Gestern morgen gegen 9 Uhr kam es in der Barer Straße in München nach Angaben der Polizei zu einem Schusswechsel mit einem Mann, der eine Langwaffe bei sich führte. Nach Solingen bauen bürgerliche Politiker und Parteien flankiert von den Medien einen neuen Grund für die weitere Faschisierung des Staatsapparats und die Hetze gegen Menschen nicht-deutscher Herkunft auf.

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Rund 500 Polizisten gelang es nicht, einen bewaffneten 18-Jährigen lebendig zu fassen; wenn sie es denn versucht haben.

 

Als es zu dem Schusswechsel mit der Polizei kam, gab es noch nicht einmal eine hypothetische Lageeinschätzung. Alles, was die Polizei wusste und auch später angab zu wissen, war, dass ein scheinbar verwirrter Mann mit einer Langwaffe umherwanderte. Bei der Waffe handelte es sich um ein etwa 100 Jahre altes Repetiergewehr – einer Waffe also, mit der man zwar durchaus einzelne, gezielte Schüsse abgeben kann, die aber in einem Schusswechsel mit voll- und halbautomatischen Waffen ihrem Träger keine Chancen bot.

 

In der ersten Pressekonferenz der Polizei um 11 Uhr am selben Tag erklärte dann der Polizeisprecher, es sei zu einem Schusswechsel gekommen. Auf die Frage, ob der Getötete den ersten Schuss abgegeben hätte, wollte der Beamte nicht antworten – dazu, unter welchen Umständen seine Kollegen das Feuer in der Münchner Innenstadt eröffnet hatten, wollte oder konnte er also keine Aussage machen.

Anschlag oder vermeidbarer Einsatz tödlicher Polizeigewalt?

Was oder ob der dann Tote überhaupt etwas plante, war zu dem Zeitpunkt völlig unklar. Die Polizisten setzten trotzdem tödliche Gewalt ein. Auch jetzt ist nicht wirklich aufgeklärt, warum der 18-jährige Österreicher mit einem Gewehr in München herumlief. Dass er einen Anschlag geplant hätte, bleibt reine Mutmaßung, die auf nicht mehr basiert, als der räumlichen Nähe zum NS-Dokumentationszentrum und dem israelischen Konsulat. Möglich ist das natürlich – aber sollten Menschen auf bloßen Verdacht hin erschossen werden?

 

Das österreichische Innenministerium und die österreichische Polizei bestätigten lediglich, dass der junge Mann den Behörden als mutmaßlicher Islamist bekannt war. Der 18-Jährige sei im vergangenen Jahr wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angezeigt worden, das Verfahren wurde jedoch eingestellt, weil keine hinreichenden Beweise gefunden wurden.

Das größere Problem

Dennoch wird dieses Anschlagsszenario von bürgerlichen Politikern und Medien gehandelt, als sei es erwiesen. Es ist ihnen bei der Faschisierung des Staatsapparats nützlich, eine Debatte über einen möglicherweise unverhältnismäßigen und tödlichen Schusswaffengebrauch durch Polizisten dagegen nicht. Also werden die Beamten vorsorglich zu Helden gemacht und ein 18-Jähriger Österreicher posthum zum islamistischen Attentäter befördert. Wohlgemerkt, bevor die Behörden genauere Erkenntnisse über das haben, was eigentlich tatsächlich passiert ist.

 

Überhaupt plant Innenministerin Nancy Faeser (SPD), Debatten über Recht und Unrecht polizeilicher Maßnahmen künftig abzuschaffen, schrittweise. In ihrem nach Solingen herausgegebenen „Sicherheitspaket“ „wird klargestellt, dass Vollzugsbeamte des Bundes Distanzelektroimpulsgeräte (DEIG, sog Taser) nutzen dürfen.“ Keine Frage mehr, ob das verhältnismäßig ist. Zur Durchsetzung all ihrer Verordnungen soll die Bundespolizei „stichprobenartig verdachtsunabhängige Kontrollen“ durchführen dürfen – also willkürliche Durchsuchungen auf öffentlicher Straße.