VW-Belegschaftsversammlungen

VW-Belegschaftsversammlungen

"Kolleginnen und Kollegen aller Werke, vereinigt euch!"

Heute protestierten Zehntausende VW-Arbeiter gegen die Vorstandspläne auf Betriebsversammlungen.

Von einem Korrespondenten
"Kolleginnen und Kollegen aller Werke, vereinigt euch!"
VW-Zentrale in Wolfsburg (foto: Elena Savelyeva / CC BY-NC 2.0))

In Wolfsburg ging eben eine kämpferische Betriebsversammlung von insgesamt fünf Stunden Länge zu Ende. 15.000 Kollegen - so voll war es selten! Eingeläutet haben ihn kämpferische IG-Metall–Mitglieder; mit Fahnen, einem Pfeifkonzert und Sprechchören postierten sich ca. 1000 Kolleginnen und Kollegen direkt vor der Bühne und dem Management und blieben selbstbewusst dort stehen bis zur Aussprache. Auf den Schildern stand: „Wir bluten nicht für eure Fehler – Minus 10 % ist abgelehnt.“ Gemeint waren die angekündigten Lohnkürzungen. Außerdem: „Beschäftigungssicherung – Hände weg!“, oder auch „Übernahme aller Azubis – jetzt“ Seit Montag sind die Kahlschlagspläne der VW-Manager bekannt: Aufkündigung der Beschäftigungssicherung und Kündigungen, angekündigte Werksschließung von zwei Werken in Deutschland, Nichtübernahme der Auszubildenden.

 

Es sprachen drei Top-Manager: Finanzvorstand Arno Antlitz, Volkswagen-Markenchef Thomas Krämer und Vorstandsvorsitzender Oliver Blume. Alle drei konnten erst nach fünf Minuten Pfeifkonzert anfangen zu reden und wurden immer wieder unterbrochen von Zwischen- und Buhrufen.


Arno Antlitz wurde mit „Auf Wiedersehen!“-Sprechchören begrüßt. Er sagte, es würden 500.000 Autos weniger in Europa verkauft, daher stünden sogar zwei fahrzeugbauende Werke auf der Schließungsliste. Er sagte, die Netto-Liquidität wäre infrage gestellt und beschrieb einen neuen Schub in der Überproduktionskrise: Alle deutschen Hersteller bauten derzeit zu viele Kapazitäten auf, und dadurch käme es zu einem Preiskampf. Man verdiene derzeit nur 300 € pro Auto. Da kam ein Zwischenruf: „Guckt mal in eure Taschen, wo das Geld ist“. Alle drei Top-Manager waren in der Defensive. Sie beriefen sich bei der Ankündigung von Kündigungen, Nichtübernahme der Azubis und den Werksschließungen infam auf die Zukunft der Jugend, die ja angeblich mit dem Sparkurs gesichert werden würde. Das wurde von Buh-Rufen unterbrochen. Auch die Argumentation, es wäre unser aller Verantwortung, wurde jedes Mal unterbrochen mit Rufen der Kollegen wie „Das ist eure Verantwortung!“ oder „Vorstandsgehälter.“ Oliver Blume sagte auf die Buh-Rufe sogar: „Es ist toll, wie ihr für VW brennt“, was heilloses Gelächter hervorrief. Der Betriebsrat konterte mit der Aussage: „Vorstände gehen, aber die IG Metall bleibt“ begleitet von großem Applaus.


Vor den Vorständen hatte die Gesamt-Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo gesprochen. Sie beschrieb die Auswirkungen dieses Horrorkatalogs anhand des Dieselskandals, der „erheblichen Einfluss auf den Alltag der Menschen vor Ort“ hatte. So konnten sich einige Kommunen die Beleuchtung oder die Rattenbekämpfung nicht mehr leisten. Sie kritisierten das Management, „dass es seinen Job nicht macht“, die „DNA der VW-Familie aufkündige“ und machte dann einen Vorschlag für einen Masterplan, also ein eigenes Konzept für die notwendige Ertragssteigerung. Damit fährt Daniela den Kurs der Co-Manager, bessere Vorschläge für das Erreichen des Maximalprofits und für die Ausbeutung der Arbeiterklasse zu machen. Sie sagte auch: „Werksschließungen und Lohnverzicht wird es mit uns nicht geben.“ Allerdings gab es von ihr nur Appelle an das Management. Thorsten Gröger von der IG Metall schenkte dem Management einen Wecker, um aufzuwachen und drohte: Wir 100.000 Kollegen können auch gerne nachhelfen beim Aufwachen!


Die Aussprache ging mit 19 Rednerinnen und Rednern sehr lange. Die meisten kritisierten fachkundig und sachkundig Ausbeutungssteigerungen und Flexibilisierung in der Produktion. Drei Redner forderten sofortige Kampfaktionen, um in die Offensive zu kommen. Ein Kollege forderte: „Kolleginnen und Kollegen aller Werke, vereinigt euch!“ Eine Kollegin sagte, man könne mit Aktionen nicht bis zur Tarifrunde warten und eine dritte Kollegin forderte einen konzernweiten Aktions- und Streiktag von 24 Stunden sowie, dass ab sofort keine Mehrarbeit mehr unterschrieben wird und geleistet wird.


Die Kollegenzeitung Vorwärtsgang hatte schon morgens einen konzernweiten selbständigen Streik ins Gespräch gebracht.

 

Kritisiert wurde von vielen die umfangreiche Dividende sowie angesichts des aktuellen Prozesses im Dieselskandal die 30 Milliarden €, die dieser seit 2015 gekostet hat. Die Vorsitzende der JAV sprach dazu, dass VW wieder eine Familie werden solle und fragte Herr Blume, ob er noch zur Familie gehöre oder diese zerstören möchte. Und dass das nicht mehr das VW wäre, das sie kannte. Darauf ging eine Kollegin ein und stellte die Frage, ob hier nicht eher das wahre Gesicht von Volkswagen zutage tritt: Es ist ja ein Plan, angesichts von Überproduktion weitreichend Kapital zu vernichten und Leute zu entlassen. Nämlich der Plan, den die kapitalistische Profitwirtschaft seit 150 Jahren in ihren Krisen durchführt. Wir brauchen keinen besseren Plan zur Steigerung des Maximalprofits, wir brauchen den Kampf um jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz und die Ernüchterung, dass es niemals eine VW-Familie gegeben hat. Es gab und gibt seit jeher die Klasse der Ausbeuter und die Arbeiterklasse. Dass wir zusammen mit den Kollegen in der Stahlindustrie kämpfen können und in die Offensive gehen müssen! Das erhielt großen Beifall. Die Stimmung ist kämpferisch, aber es gibt noch viel zu klären!

 

Hier gibt es eine Korrespondenz von der Betriebsversammlung bei VW in Kassel

 

Hier gibt es eine Korrespondenz vom Tor bei VW in Kassel

 

Hier gibt es eine Korrespondenz von der Betriebsversammlung bei VW Nutzfahrzeuge in Hannover

 

Dokumentiert: Extra-Ausgabe der Kollegenzeitung "Vorwärtsgang"