Linkspartei

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Zum Rückzug der Linken-Vorsitzenden

Die Vorsitzenden der Linkspartei, Janine Wissler und Martin Schirdewan, haben am 18. August ihren Rückzug vom Vorsitz erklärt. Damit ziehen sie nach eigenen Aussagen die Konsequenzen aus der Niederlage bei den Europawahlen, bei denen sie nur 2,7 Prozent der Stimmen erreichten. Die offene Führungskrise in der Partei Die Linke hat im Wesentlichen zwei Hintergründe: Zum einen scheitert deren Linksreformismus zunehmend offen an den gesetzmäßigen Krisen des Kapitalismus. Zum anderen wird die Linkspartei nicht mehr wie zu Beginn ihrer Arbeit von den bürgerlichen Massenmedien hofiert, sondern von der Rechtsentwicklung der bürgerlichen Parteien, der Regierung sowie den offenen Faschisten attackiert.

Von kg / lg
Zum Rückzug der Linken-Vorsitzenden
Janine Wissler und Martin Schirdewan haben ihren Rückzug angekündigt (Von DIE LINKE - https://www.flickr.com/photos/34289572@N06/53336711182/, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=140987188)

Insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern gab es verstärkt faschistische Anschläge auf Politiker und Büros der Linkspartei. Bürgerliche Monopolparteien setzen immer wieder AfD und Linkspartei gleich, wenn es darum geht, Koalitionen auszuschließen. Eine besonders perfide Anwendung der Totalitarismus-Theorie, während sie zugleich der AfD mit ihrer eigenen Rechtsentwicklung Vorschub leisten. Hier ist die Solidarität eines jeden aufrechten Antifaschisten gefragt!

 

Die Gründung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) bedeutete das Einknicken vor dieser Rechtsentwicklung und die Übernahme rechter Positionen insbesondere in der Flüchtlings- und Umweltpolitik durch ehemalige Politiker der Linkspartei. Janine Wissler berichtet heute in der Frankfurter Rundschau, dass diese Spaltung die Partei regelrecht „von innen heraus demontiert und sturmreif geschossen“ hat. Auch hier zeigt die Rechtsentwicklung vermischt mit kleinbürgerlichem Karrierismus und Konkurrenzdenken ihr zersetzendes Werk.

 

Schirdewan und Wissler stehen für den linken Flügel in der Partei. Im Europawahlkampf zeigten sie Rückgrat, mit Carola Rackete und explizit fortschrittlichen, wenn auch refomistischen Losungen in die polarisierte Debatte zu ziehen. Janine Wissler hat recht, wenn sie heute in der Frankfurter Rundschau sagt: „Wir werden den Wettlauf nach rechts nicht mitmachen. … In der Haltung zu Migration und Asylrecht bleiben wir standhaft. … Die Linke muss Haltung zeigen, auch wenn wir gegen den Strom schwimmen“. Das ist unbedingt richtig. Dass sie das aber selber nicht offensiv macht, ist Teil der Krise und trägt zu ihr bei.

 

Es sollte konsequenten Aktivisten der Linken zugleich zu denken geben, dass sie nun teils selbst Opfer desjenigen Antikommunismus geworden sind, den sie häufig in seiner modernen Variante gegen revolutionäre und marxistisch-leninistische Linke selbst mitgetragen haben.

Druck aus den eigenen Reihen

Der Druck aus den eigenen Reihen ist Ausdruck der Widersprüche und der Zerrissenheit der Partei: Der früheren Linkenfraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Gregor Gysi luden die Presse in Berlin zum sogenannten Hintergrundgespräch und forderten offen „strukturelle, politische und personelle Erneuerung“. (faz.net, 17.8.24) Sie übten Druck von rechts auf Schirdewan und Wissler aus.

 

Gesine Lötzsch kritisiert, dass der Debatte um die Frage, wie man zum Frieden steht, ausgewichen wurde, „weil unsere Partei in dieser Frage gespalten wäre“. (taz.de, 19.6.24)

 

In dem Leitantrag für den Parteitag im Oktober in Halle (an der Saale) sieht der Vorstand der Linken die Partei in einer dramatischen Lage und übt deutliche Selbstkritik. Die Partei sei "zweifellos in einer gefährlichen, existenzbedrohenden Situation".

 

Das allerdings ist nicht neu: Schon auf dem Augsburger Parteitag im November 2023 wurde von Existenzkrise gesprochen und der „Neuanfang“ beschworen, denn bei der Bundestagswahl 2021 wurde das Stimmergebnis der Linkspartei halbiert. Arbeiterinnen und Arbeiter wendeten sich von der Partei ab, Sahra Wagenknecht und neun weitere Abgeordnete waren aus der Partei ausgetreten und haben diese dadurch geschwächt. Aber der Neuanfang ist in einer weiteren Sackgasse gelandet.

 

Die Zerstrittenheit zeigt sich an vielen Themen der Parteiarbeit: dem Ausweichen vor einer klaren Haltung zum Krieg in der Ukraine, der Frage, auf welche Zielgruppe man sich ausrichten oder wie man sich innerhalb der Partei mit strittigen Themen auseinandersetzen soll. In der Ausrichtung auf den bürgerlichen Parlamentarismus, auf Reformen bei Erhalt des Kapitalismus, herrscht aber Einigkeit. Im Leitantrag des Vorstands zum Parteitag wird gefordert: „‚soziale Sicherheit, gerechte Verteilung, mehr Teilhabe und gleichwertige Lebensverhältnisse' wieder in den Blick nehmen“ (stern.de, 17.8.24, „Wir waren nicht gut genug“) Bodo Ramelow, der bisherige Ministerpräsident von Thüringen, setzt bei den anstehenden Landtagswahlen auf das Motto „Menschlich.Stark.Gerecht“.

 

Wie bitte soll das verwirklicht werden, ohne den Kapitalismus infrage zu stellen? Davon hat sich die Linkspartei längst verabschiedet.

 

Der REVOLUTIONÄRE WEG, das theoretische Organ der MLPD, analysierte in seiner Ausgabe 38 / 2023, warum: „Die Abkehr von jeder Art sozialistischer Ziele geschah aus opportunistischen Motiven: zum einen, um dem antikommunistischen Gegenwind auszuweichen, zum anderen, um die Partei auf eine ersehnte Regierungsbeteiligung auch auf Bundesebene vorzubereiten und ihr anzupassen. Letztlich demontierte sich die Partei damit jedoch selbst und verlor tendenziell ihre Daseinsberechtigung angesichts stärkerer linksreformistischer Alternativen in der SPD und den 'Grünen'“. ("Die Krise der bürgerlichen Ideologie und die Lehre von der Denkweise", Teil II, S. 113)

 

Damit einher geht auch eine Geringschätzung der Arbeiterklasse. Keine Reform der Welt kann Machtverhältnisse und staatliche Gewaltstrukturen aufheben. Das kann nur die internationale Arbeiterklasse als einzige revolutionäre Klasse mit einer Revolution.


Angesichts von wachsender Kriegsgefahr, globaler Umweltkatastrophe, zunehmender Armut und faschistischer Gefahr ist es notwendig, ein breites Bündnis zu schmieden.

In diesem Sinne hatte Gabi Fechtner, die Parteivorsitzende der MLPD, am 5. Juli an Janine Wissler und Martin Schirdewan geschrieben:

„Ich wende mich an euch wegen der spätestens seit den Europawahlen augenscheinlich gewordenen faschistischen Gefahr in Europa. … In dieser Situation gibt es berechtigterweise in einer Reihe europäischer Länder wie Frankreich oder Italien Bestrebungen zu einer antifaschistischen Volksfront. Auch in Deutschland gibt es ja seit längerem Bündnisse, die eine Einheitsfrontpolitik verfolgen, wie das Internationalistische Bündnis. Meine Meinung ist, dass wir uns angesichts dieser Situation auch in Deutschland unter den linken Parteien besser absprechen müssen. Selbstverständlich ist mir klar, dass es da große Differenzen und zum Teil auch tiefe Gräben gibt. Insofern wird es wohl nicht darum gehen, mit einem gemeinsamen Bündnis oder ähnlichem zur Wahl anzutreten, zumal dafür in Deutschland die Hürden sehr hoch sind. Was ich mir aber vorstellen könnte, ist, ob man nicht mit bestimmten Absprachen die antifaschistische Arbeit stärkt. Das könnte zum Beispiel bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland darin bestehen, dass wir uns auf die Unterstützung bestimmter Kandidaten einigen. Wir treten zum Beispiel in Thüringen nur in wenigen Wahlkreisen mit eigenen Direktkandidaten an und könnten dort, wo wir Kandidaten von euch konsequent antifaschistisch einschätzen, diese unterstützen. … Sinnvoll erscheinen mir auch antifaschistische Wahlkampfabkommen, dass man sich gegenseitig unterstützt gegen faschistische Übergriffe oder Ähnliches.“


In diesem Sinne können sich mit der Krise der Linkspartei auch neue Möglichkeiten für den gemeinsamen Kampf ergeben; an einzelnen Orten konnten Bündnisse im Kampf und freundschaftliche Kontakte bereits erfolgreich geschlossen werden.