Russland / Ukraine

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Ausweitung des Kriegs auf russisches Gebiet bedeutet eine neue Phase des Ukrainekrieges

Seit Dienstag, den 6. August, haben ukrainische Truppen die russische Grenze überschritten und damit eine neue Front des Kriegs in Russland aufgemacht. Mindestens drei ukrainische Brigaden und diverse Bataillone sind daran beteiligt und der Vorstoß ist bis ca. 30 Kilometer auf russisches Gebiet gelungen. Damit hat eine neue Phase des Krieges begonnen - und eine erhebliche Verschärfung der Weltkriegsgefahr.

Von fu
Ausweitung des Kriegs auf russisches Gebiet bedeutet eine neue Phase des Ukrainekrieges
Truppen der 61. mechanisierten Brigade, die jetzt im Oblast Kursk kämpft, mit einem sowjetischen Schützenpanzerwagen. (Bild: 61. mechanisierte Brigade, 4. August 2024)

Einsatz von Waffen aus Deutschland und den USA

Bei diesem Angriff wurden unbestritten schwere Waffen aus US-amerikanischen und bundesdeutschen Lieferungen eingesetzt. Darunter sind Bradley-Schützenpanzer und HIMARS-Raketenwerfer aus US-Produktion und der Schützenpanzer Marder aus Deutschland. Damit ist NATO-Material auf russischem Gebiet im Einsatz. Es ist schwer vorstellbar, dass die US- und BRD-Imperialisten nicht in diese Pläne eingeweiht waren. Sie billigen damit die Invasion.

Die militärische Lage an der Kursk-Front

Die relevante Gasmessstation in der Grenzstadt Sudscha wurde von ukrainischen Truppen erobert. Damit ist diese strategisch wichtige Station, die zwar auf russischem Territorium liegt, aber zur Gaspipeline gehört, die von Russland aus weiter auf ukrainischem Boden verläuft, unter ukrainischer Kontrolle. Über diese Pipeline werden verschiedene europäische Staaten versorgt.

 

Die drei ukrainischen Brigaden waren bisher nicht an der Ostfront im Einsatz; es handelt sich um frische Truppen, was impliziert, dass die Operation langfristig geplant wurde. Unter den weiteren Einheiten befinden sich mindestens zwei auf Drohnenkampf spezialisierte Einheiten. Nach verschiedenen Berichten haben die ukrainischen Truppen damit begonnen, ihre Positionen zu befestigen. Das legt nahe, dass es die Absicht der ukrainischen Militärführung ist, das eroberte Gebiet zu halten.

Invasion nach Russland hinein

 

Es ist offensichtlich, dass die russische Führung mit keinem solchen Angriff gerechnet hat. Berichte von den ersten Gefechten machen deutlich, dass die ukrainischen Brigaden und Sondereinsatzkommandos anfangs nur Grenztruppen gegenüberstanden, die allerdings schnell von Luftstreitkräften unterstützt wurde.

 

So gelang es den ukrainischen Truppen, in den ersten Tagen Hunderte Gefangene zu machen und weit vorzudringen (s. Karte; Militaryland.net).

 

Das deckt sich auch mit den Aussagen, die der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gestern gemacht hat, wonach es darum gehe, „den Krieg auf das Territorium des Angreifers auszudehnen“. Nach jüngsten Berichten hat die russische Luftwaffe begonnen, die ukrainischen Stellungen in Kursk mit Gleitbomben von bis zu 3 Tonnen Gewicht zu bombardieren.

 

Bürgerliche Medien berichten, dass die jetzt in Russland eingesetzten ukrainischen Einheiten - frisch und gut ausgerüstet - zu den besten ukrainischen Truppen gehören würden. Wenn die russische Armee sie im Kampf zerstören würde, wäre das ein schwerer Rückschlag für das Selenskyj-Regime.

Was will man erreichen?

Analysten rätseln weltweit über die konkreten Ziele der Operation. Was rechtfertigt den Einsatz derartiger Mengen an Material und Soldaten, während die Hauptschlacht im Donbass zu Ungunsten der ukrainischen Armee verläuft?

 

Militärisch ist in der Region die besagte Gaspipeline und die Lgov-Belgorod Eisenbahnlinie von wirklichem Interesse. Diese ist von großer Bedeutung für einen großen Teil des russischen Nachschubs in Richtung Belgorod und dann weiter Richtung Charkiw und Donbass. Gelänge es den ukrainischen Truppen, diese Verbindung zu kappen, würde der Nachschub erheblich erschwert. Das könnte tatsächlich Auswirkungen auf die Fähigkeit der russischen Armee zur Fortsetzung ihrer „kriechenden Offensive“ im Donbass haben.

Brand in Saporischja – Atomkraftwerke in Geiselhaft

Russische Analysten fürchten, die Ukraine wolle das Atomkraftwerk in Kursk erobern. Die internationale Atomenergiebehörde der UNO ist durchaus alarmiert und hat beide Seiten zu „größter Zurückhaltung“ und Achtung der Regeln in Bezug auf nukleare Anlagen in Kriegsgebieten aufgefordert.

 

Heute Morgen dann brach, mutmaßlich nach einem ukrainischen Angriff, ein Großbrand in einem Kühlturm des von der russischen Armee kontrollierten AKW Saporischja aus. Der Brand konnte zwischenzeitlich unter Kontrolle gebracht werden. Es zeigt sich erneut, wie die Kriegsführer im Ukrainekrieg die Gefahr einer europaweiten Atomkatastrophe billigend in Kauf nehmen.

Wozu kann das führen?

Da nun russisches Territorium betroffen ist, sind der russischen Armee keinerlei Beschränkungen auferlegt. Die Russische Armee verfügt über 1,32 Millionen aktive Soldaten – nur 500.000 davon stehen aktuell in der Ukraine.

 

Abgesehen von dem Pakistanisch-Indischen Krieg von 1999 ist diese Operation der einzige Fall in der Geschichte, in dem das Territorium einer Atommacht direkt angegriffen wurde. Nach der russischen Militärdoktrin ist auch der Einsatz von Atombomben ab jetzt legitim, da russisches Gebiet direkt angegriffen wird.

 

Die russische Führung könnte aber auch die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) anrufen, unter Berufung auf deren Artikel 4 der analog zum NATO-Artikel 5 die OVKS-Staaten zu militärischer Hilfe verpflichtet, wenn das neuimperialistische Russland sie nach einem Angriff auf sein Territorium dazu auffordert. Aktuell sind Belarus, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan Mitglieder der OVKS, aber auch Serbien hat seit 2013 Beobachterstatus. Dadurch erhöht sich das Risiko einer weiteren „Internationalisierung“ des Ukrainekriegs massiv.

 

Tassilo Tim, Spitzenkandidat der Internationalistischen Liste / MLPD bei der Landtagswahl in Thüringen, warnte schon am 27. Juli in einer Rede in Gera: „Seit zwei Jahren erzählt uns die Bundesregierung, dass durch immer Mehr Waffenlieferungen und größere Waffen dieser Krieg schneller beendet werden könne.“, tatsächlich aber würde durch die Aufrüstung der 3. Weltkrieg aktiv vorbereitet. „Dazu sagen wir: Stoppt diese Waffenlieferungen, Schluss mit dem Krieg!“