Bangladesch

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Nach Aufständen entbrennt Kampf um Einflussnahme

Befreundete Revolutionäre aus Bangladesch berichten uns, dass sie es mit einer sehr komplizierten Situation zu tun haben. Angesichts des massiven und brutalen Vorgehens gegen die Protestbewegung schätzen sie, dass es nicht, wie in bürgerlichen Medien verbreitet, mehrere 100, sondern sogar 1000 Tote gegeben hat.

Von der Internationalismusabteilung der MLPD

Während die Medien in Europa außerdem so tun, als sei die Regierung allein aufgrund der spontanen Studentenproteste verjagt worden, bildeten insbesondere die Kämpfe der Textilarbeiterinnen - allein 4 Millionen in Dhaka - Ende 2023, die mit großer Härte ausgefochten wurden, den Grundstein dieser Bewegung. Aus mehreren Organisationen wird uns bestätigt, dass auch die aktuellen Proteste keineswegs nur von Studenten getragen wurden, sondern viele Arbeiter sich daran beteiligen und zu Streiks aufrufen. Die Genossen schildern, dass jetzt verschiedene Kräfte um ihren Einfluss kämpfen. Darin spiegeln sich die zwischenimperialistischen Widersprüche – aber auch die Bewegung für nationale und soziale Befreiung ist ein starker Faktor.


Die Übergangsregierung beinhaltet die verschiedenen Strömungen, was schon ein Sprengsatz ist. Der Interims-Ministerpräsident, Muhammad Yunus, setzt auf die Dämpfung aller Widersprüche und steht den westlichen (‚alten‘) Imperialisten nahe. Das sieht man z.B. auch daran, dass die kommunistischen und sozialistischen Parteien in der Left Democratic Alliance, die gerade auch unter den Millionen Textilarbeiterinnen verankert sind, komplett von der Regierungsbildung ausgeschlossen wurden. Yunus gibt sich bescheiden und sagt, dass seine Aufgabe sei, die Träume der protestierenden Studenten zu verwirklichen. Als Friedensnobelpreisträger hat er ein Ansehen und eine gewisse Verankerung in Bangladesch. Er sprach zu Beginn seiner Nobelpreis-Ansprache einen Teil auf Bengali, was ihm sicher einige Punkte in der Bevölkerung einbrachte. Muhammad Yunus scheint für das Finanzkapital der Mann zu sein, der am ehesten Ruhe ins Land bringen könnte und der das System der kleinbürgerlichen Denkweise als Regierungsmethode repräsentiert. (Mehr dazu hier.)

 

Dass in Bangladesch schnell wieder Ruhe eingekehrt, damit die Menschen wieder arbeiten können, scheint auch die Hauptsorge verschiedener (Textil)-Monopole, wie von H&M, zu sein. Man sorgte sich angesichts der Produktionsstillstände bereits um das Weihnachtsgeschäft in Europa. Immerhin macht die Textilindustrie 90 Prozent der Exporte Bangladeschs aus. Auch der Premier des Nachbars Pakistan, Shehbaz Sharif, stellt sich auf die Seite Yunus’ und erklärt, dass er sich auf eine vertiefte Zusammenarbeit freue.


Der aktuelle Berater für innere Angelegenheiten rät der Awami League - das ist die Partei der verhassten und verjagten Ex-Präsidentin Sheik Hasina - sich zu verjüngen und neu zu organisieren. Berechtigt protestierten Studenten gestern gegen die geplante Zulassung der Awami League – und auch von Hasina selbst – zu den nächsten Wahlen.


Denn Hasina hat ihre Rückkehr bereits angekündigt! Das lässt ihr Sohn in einem Interview verlauten. Sie ist eng mit dem indischen Imperialismus verbandelt – Indien hat Hasina auch Unterschlupf gewährt, nachdem sie vom eigenen Volk verjagt wurde. Auch zu China pflegte Bangladesch unter Hasina gute Beziehungen. Zu den zwischenimperialistischen Widersprüchen äußert unter anderem die revolutionäre indische Organisation SUCI: „Diese Bewegung ist nicht gegen Indien gerichtet - nicht gegen das indische Volk. Indische Industrielle und Kapitalisten, die dieses Land ausplündern, plündern auch Bangladesch aus. Und bei der Ausplünderung des Volkes von Bangladesch konkurrieren sie mit dem chinesischen Imperialismus, der ebenfalls versucht, den Markt von Bangladesch auszubeuten. Aus diesem Grund macht die indische Regierung gegen die Awami-Liga-Regierung von Sheikh Hasina nicht den Mund auf, sondern hat sie bisher unterstützt. Deshalb ist das Volk von Bangladesch also gegen die indischen Kapitalisten und Industriellen.“

 

Hasinas Sohn gibt im Interview scheinbar selbstkritisch zu, dass die Awami League „definitiv Fehler gemacht habe“. Das ist geradezu eine Verhöhnung all jener, die unter der massiven, faschistoiden, teilweise faschistischen Unterdrückung durch das Hasina-Regime leiden mussten oder sogar ermordet wurden. Die kämpfenden Studenten sind entschlossen, jeden Plan der Awami League wieder an die Macht zu kommen, zu vereiteln. Auch die bürgerliche BNP hofft, die Wahlen zu gewinnen.

 

Sheik Hasina selbst wirft den USA vor, bei den Aufständen in Bangladesch mitgemischt zu haben, da sie ihnen die Insel Saint Martin nicht überlassen wollte, auf der die USA eine Air Base errichten wollten. Das wiederum weisen die USA weit von sich. Es wäre zumindest nicht das erste Mal in der Geschichte, dass die USA aktiv in die Politik anderer Länder eingreifen, um Regierungen, die ihnen nicht genehm sind, abzusetzen. Auch angesichts der Tatsache, dass China mit Abstand der größte Handelspartner Bangladeschs ist - das Handelsvolumen ist doppelt so groß wie das mit den USA - ist ihnen ein westlich orientierter bürgerlicher Politiker sicher lieber. Geostrategisch ist Saint Martin wichtig für den Einfluss im Golf von Bengalen und relativ nah an Cox Bazar, wo China einen Hafen baut.

 

Aber selbstverständlich kämpfen nicht nur die Imperialisten in Bangladesch um die Macht. Auch die fortschrittliche Befreiungsbewegung hat mit ihren andauernden Protesten deutlich gemacht, dass sie sich nicht zufriedengeben werden, bevor Demokratie und Freiheit erreicht sind. Sie beziehen sich dabei auch explizit auf die anti-britische Unabhängigkeitsbewegung – z.B. indem die Lieder aus dieser Zeit heute wieder auf den Straßen zu hören sind.


Als es in den vergangenen Tagen Attacken auf hinduistische Tempel gab, die auch das Ziel hatten, die ganze Aufstandsbewegung in Misskredit zu bringen, organisierten Studenten Schutz für Hindu-Stätten und ließen verlauten, dass sie sich nicht in verschiedene Religionen spalten lassen.


Nach dem großen Erfolg des Volksaufstandes besteht die Herausforderung für die Revolutionäre in Bangladesch darin, die Massen für den weitergehenden Kampf um die sozialistische Revolution zu gewinnen.