Wem nutzt es?

Wem nutzt es?

„Die da oben wollen uns nur spalten!“

Wie er wirklich heißt, weiß ich nicht. Ich nenne ihn mal Fritz. Sein kleiner Hund outet sich allerdings an der Leine als „Hotdog“. Beide treffe ich bei einem Einsatz vor NETTO in Nordhausen und schnell ist klar, dass Fritz für die AfD ist. Er zieht vom Leder gegen die Flüchtlinge, „die uns so viel Geld kosten! Das fehlt uns.“

Korrespondenz aus Nordhausen / Lübeck
„Die da oben wollen uns nur spalten!“
Wahlkampfkundgebung der Internationalistischen Liste / MLPD in Sonneberg in diesem Monat (rf-foto)

Meine Vermutung, dass er ein arbeitsloser Arbeiter ist, stellt sich später als zutreffend heraus. Von Anfang an versuche ich, sein Klassenbewusstsein zu wecken: „Ist dir klar, dass Asylbewerber arbeiten wollen, aber nicht dürfen?“ „Die wollen nicht arbeiten“, entgegnet er. Ich weise auf das Wahlprogramm hin: „64 Prozent der arbeitsfähigen Geflüchteten, die 2015 kamen, haben einen Arbeitsplatz.“ „Ist Dir klar, dass die Konzerne sich am Staatshaushalt bedienen? Seit 2016 hat der ‚notleidende‘ VW-Konzern 6,4 Milliarden staatliche Hilfen bekommen. Und einige Kapitalisten in Deutschland lassen sich jährlich 20 Milliarden Umsatzsteuer vom Staat erstatten, die sie nie gezahlt haben.“¹

 

Auch davon hatte Fritz noch nichts gehört. Ich erzähle ihm, dass ich bis 2001 auf einer Lübecker Werft gearbeitet habe. Sie wurde nicht von den ausländischen Kollegen, sondern von einem deutschen Kapitalisten, nämlich einem Hamburger Reeder, zerstört. Er ließ sich in Südkorea nach unseren Zeichnungen die Containerschiffe noch profitabler bauen. „Gegen die Kapitalisten müssen wir Arbeiter zusammenhalten, egal aus welchem Land sie kommen“, sage ich noch.

 

Jetzt stimmt mir Fritz doch zu: „Die da oben wollen uns nur spalten.“ Auf einmal will Fritz unser Wahlprogramm, das er anfangs ablehnte. Seine Frau ruft an. Er soll Brötchen kaufen. „Ich hab hier gerade so ein Wahlprogramm bekommen, das kannst du auch mal lesen.“ Und er reicht mir sein Telefon, damit ich mit seiner Frau über die AfD diskutiere. Er geht in die Bäckerei, ist aber offenbar so gefangen von unserem Gespräch, dass er die Brötchen liegen lässt. Die freundliche Bäckereiverkäuferin trägt sie ihm nach.

 

Fritz erzählt mir noch, dass er in einem Betrieb gearbeitet hat, in dem sie mit Quecksilber vergiftet wurden. „Das war Sklavenarbeit“, sagt er und verabschiedet sich freundlich mit seinem „Hotdog“, Brötchentüte und Wahlprogramm der Internationalistischen Liste / MLPD.