Ukrainekrieg

Ukrainekrieg

Zwischen Grabenkampf und Bombenterror

„Wir kriechen nach vorne“, so soll es der russische Kriegsblogger Juri Katjonok formuliert haben. An der Front im Donbass macht die russische Armee weiterhin zwar für sich genommen marginale, aber konsistente Geländegewinne. Der Ukraine fehlt es zwar auch an Material, vor allen Dingen aber an Soldaten. Gleichzeitig eskaliert der Krieg in die Tiefe – sowohl das russische, als auch das ukrainische Regime greifen schonungslos zivile Ziele an.

Von fu
Zwischen Grabenkampf und Bombenterror
Ein schwerer Mörser des 225. Sturmbattalions der ukrainischen Armee wird abgefeuert. An der Front machen solche Waffen einen erheblichen Teil der Artillerie aus. (Bild: 225. Sturmbattalion, 2. Mai 2024)

Der Mangel an Menschen, die kämpfen wollen

Alle diese Kämpfe sind extrem langwierig und verlustreich für beide Seiten, aber das neuimperialistische Russland kann sich den Blutzoll deutlich besser leisten, als die Ukraine. Wenn die ukrainische Führung die Lage auch nur konsolidieren will – von einer ukrainischen Gegenoffensive ist aktuell gar nicht zu sprechen – muss sie mehr Truppen an die Front werfen.

 

Das Selenskyj-Regime will eine neue Mobilisierung, hat dafür schon die Gesetze geändert. Jeder männliche Ukrainer im Alter von 18 bis 60 muss sich nun registrieren lassen, ab dem 25. Lebensjahr kann eingezogen werden, und das teilweise von der Straße und mit Gewalt. Mehr als eine auf fünf Wochen verkürzte Infanterieausbildung trennt die jungen Männer dann nicht von der Front. Die Kriegsmüdigkeit wächst auch in Folge solcher Maßnahmen und erschwert sie gleichzeitig: 40 Prozent der Ukrainer sind mittlerweile für die Aufnahme von Friedensverhandlungen, 20 Prozent unentschlossen, und damit nur eine Minderheit von 40 Prozent entschlossen dagegen.

 

Um zu kompensieren, bis die Mobilisierung greift, stellt die ukrainische Polizei aus ihren Beamten 24 Schützen-Battalione auf, die Truppen der Armee im Hinterland frei machen sollen, um sie an die Front werfen zu können. Neben Polizisten setzt man auf Verbrecher: Mindestens sechs ukrainischer Brigaden und zwei Bataillone rekrutieren aktiv Straftäter und versprechen Begnadigung. Mit dem „Kharakternyky“-Bataillon wurde die erste gänzlich aus Gefängnisinsassen bestehende Einheit gebildet – vereidigt unter der rot-schwarzen Flagge der Bandera-Faschisten.

 

Das Putin-Regime verzichtet aktuell auf vergleichbare Mobilisierungen. Das ist ein Zeichen der Stärke und Schwäche zugleich. Noch kann das Regime darauf verzichten – aber gleichzeitig fürchtet es die russischen Massen; es wirken weiterhin die massiven Proteste gegen die erste Mobilisierungswelle von 300.000 Soldaten im September 2022. Stattdessen werden die Sonderzahlungen für einen freiwilligen Einsatz im Kriegsgebiet verdoppelt. Aber auch die russischen Imperialisten müssen sich ernsthaft mit dem Problem der Kampfmoral auseinandersetzen: Videos von der Front, in denen russische Soldaten gegen unmögliche Zustände und selbstmörderische Missionen protestieren, nehmen zu. Dagegen wollte die russische Führung ein Gesetz erlassen, das aber im ersten Anlauf an breitem Widerstand scheiterte.

Der Bombenterror beider Seiten

Während die Kämpfe am Boden an Intensität immer weiter zunehmen, investieren beide Seiten zunehmend in Fernangriffe auf zivile Ziele. Das russische Regime setzt täglich Dutzende Gleitbomben, Raketen, Marschflugkörper und Drohnen ein, sowohl gegen militärische Ziele als auch gegen die zivile Infrastruktur. Ein Schwerpunkt dieser Angriffe bleibt Charkiw, aber faktisch wird das ganze Land bombardiert.

 

Ein Teil der aktuellen Strategie der ukrainischen Handlanger der westlichen Imperialisten ist definitiv eine Verschärfung, denn anstatt ihre Ressourcen auf die Abwehr zu konzentrieren, investiert sie, um gleichzuziehen und das russische Hinterland zu treffen. Und das Selenskyj-Regime argumentiert dabei genauso menschenverachtend: Jedes Ziel sei legitim, das in irgendeinem Zusammenhang mit den russischen Kriegsbemühungen stehen könnte. So wurden in den letzten Tagen vermehrt Einrichtungen der Ölindustrie angegriffen, unter anderem am 27. Juli wieder die Raffinerie und der Flugplatz bei Rjasan, aber auch die Region Moskau, wobei die meisten Drohnen abgewehrt werden konnten. Erfolgreich waren diese Terrorangriffe scheinbar später auf die russische Großstadt Kursk, wo mehrfach der Strom ausgefallen sein soll. Satellitenbilder zeigten außerdem Brände am Flughafen.

Selenskyj und Gebietsabtretungen

Die russische Führung hat derweil die dritte Phase ihrer Atomübungen eingeleitet. Dabei ist das Besondere, dass sie Formationen mit einbezieht, die bereits in der Ukraine im Einsatz sind. Ihr Schwerpunkt ist der Einsatz von sogenannten taktischen Atomwaffen. Die Drohungen beider Seiten sind in dieser Situation durchaus ernst zu nehmen und kein reines Säbelrasseln. 

 

Wohl unter dem Eindruck sowohl der militärischen Lage, als auch der Lage an der ukrainischen „Heimatfront“ mit wachsendem Widerstand gegen das Kriegsregime der Selenskyj-Regierung, hat dieser in einem Interview mit französischen Medien erklärt, dass eine Abtretung von Gebieten nur mit Zustimmung der Bevölkerung infrage käme. Dabei ist zu beachten: Selenskyj hat nicht etwa angekündigt, darüber zu verhandeln, sondern schiebt den schwarzen Peter dem ukrainischen Volk zu – als würde er es nach seiner Meinung fragen!

 

Dennoch ist es zur Kenntnis zu nehmen, dass er überhaupt über eine solche Frage stellt, während die NATO und die diversen bilateralen Unterstützungsverträge für die Ukraine klar das Maximalziel einer russischen Niederlage vorgeben und auch daran festhalten. Letztlich zeigt sich auch daran, dass der NATO zunehmend die Kontrolle entgleitet.