Von langer Hand vorbereitet
Serbien: Olaf Scholz und der Lithium-Gipfel
Am gestrigen Freitag, dem 19. Juli 2024, fand in Belgrad eine Konferenz zum Thema "Kritische Rohstoffe" statt.
Der illustre Teilnehmerkreis: der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz; der frischgewählte EU-Vizekommissionspräsident Maros Sefvovic, für Klimapolitik zuständig; Vertreter des britisch-australischen Bergbaukonzerns Rio Tinto; Abgesandte der serbischen Regierung und Vertreter sogenannter Investoren wie Daimler Benz. Es wurde eine Absichtserklärung zur Förderung von Lithium in Westserbien unterzeichnet.
Lithium spielt eine Schlüsselrolle für die Automobilindustrie bei ihrer gegenwärtigen Umstellung auf E-Autos. Es wird geschätzt, dass im Jadartal Lithium im Wert von 4 Milliarden Euro liegen. Dem BRD- und dem EU-Imperialismus geht es darum, mit dem Zugriff auf das serbische Lithium seine Position im Konkurrenzkampf gegen den chinesischen Imperialismus zu stärken. Dieser kann auf die größten Vorräte weltweit zugreifen. Scholz tut jedoch so, als sei er im Namen des Umweltschutzes nach Serbien gereist. Das Ersetzen von fossilen durch E-Antriebe ist ein Fortschritt. In der heutigen Umsetzung durch die Autokonzerne ist das E-Auto jedoch keine ausgereifte Alternative, u.a. wegen der umweltschädlichen Batterieproduktion.
Olaf Scholz sagte schon 2022 zur Süddeutschen Zeitung: „Wir können es uns nicht leisten, etepetete zu sein.“ Im Klartext: dem BRD-Imperialismus den Zugriff auf Lithium und Seltene Erden sichern, wo immer sie zu finden sind; die schädlichsten Abbaumethoden in Kauf nehmen; rücksichtslos gegen die einheimische Bevölkerung vorgehen. Sei es in Serbien, im Kosovo, in Lateinamerika. Die Vereinbarung von Belgrad schmückt sich mit Versprechungen vom umweltverträglichen Abbau. Sie weckt Hoffnungen auf Arbeitsplätze durch Produktionsketten im Land.
Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen
Siehe Seite 381: Zerstörerische Abbaumethoden
469 Seiten
29 €
Über die Vorbereitung des Lithium-Gipfels wurde lange der Mantel des Schweigens gehängt. Der Coup gegen Mensch und Natur war von langer Hand geplant. 2022 waren die Abbaupläne am breiten Volkswiderstand gescheitert: "Ne damo Jadar – Wir geben Jadar nicht auf". So erschallte der Ruf hunderttausendfach. Als hier der Konzern Rio Tinto 2021 begann, nach Lithium zu bohren, begannen die Bauern, das Tal zu blockieren. Die Proteste erfassten Hunderttausende, weiteten sich bis Belgrad aus, legten das Land lahm. Sie zwangen das Übermonopol - es zählt 50 000 Beschäftigten und 60 Milliarden Dollar Jahresumsatz - zum Rückzug. Der reaktionäre Präsident Aleksandar Vucic zog seine Zustimmung angesichts bevorstehender Wahlen zurück.
Das Jadartal ist ein fruchtbares Tal, in dem die Menschen ihr Auskommen in der Landwirtschaft haben. Der Lithium-Abbau würde diese Existenzen vernichten, Bohrlöcher in einer unfruchtbaren und mit Arsen vergifteten Landschaft zurücklassen. Er würde aber nicht nur das Tal verwüsten, sondern über die Flüsse die Trinkwasserversorgung großer Gebiete des Landes gefährden, das Wasser mit Schwermetallen und anderen Giften ungenießbar machen. 45 Hektar Primärwald, 37 Hektar Naturwald, drei Hektar Grünfläche und 703 Hektar landwirtschaftliche Fläche würden der Vernichtung preisgegeben. "Wir wollen keine Versuchskaninchen sein", so eine Lehrerin, die sich in der Bürgerinitiative engagiert. "Wir geben Jadar nicht her".
305 000 Serben hatten mit einer Petition das Ende der Lithium Abbaupläne gefordert. Der sozialdemokratische spanische Staatspräsident, ein großer Befürworter des Lithium-Abbaus in Spanien und Serbien, diffamierte den Widerstand als reaktionär-nationalistisch und fortschrittsfeindlich und rückte ihn in die Nähe des großserbischen Nationalismus.
Aber die Menschen haben ihre Erfahrungen. In 100 km Entfernung liegt die gigantische Kolubara-Mine des Energiekonzerns Elektroprivreda Sribije mit 30 000 Beschäftigten. Ein riesiger Braunkohletagebau mit dem Aussehen einer Mondlandschaft. Fast jeder Serbe kennt die Geschichte des vergeblichen Widerstands tausender Dorfbewohner gegen die ständigen Umsiedlungen mit jeder neuen Erweiterung. Millionen von Krediten von Europäischer Investitionsbank und Deutscher Kreditanstalt für Wiederaufbau zur Beseitigung von Umweltschäden haben nichts bewirkt.
Rio Tinto verteidigt seine Profitinteressen mit Zähnen und Klauen. „Wir glauben weiter daran, dass Jadar das Potential hat, ein Weltklasseprojekt zu werden. Und wir wollen alle Beteiligten einbeziehen.“
Auch die EU-Imperialisten und die reaktionäre serbische Regierung wollten von ihren Plänen nicht ablassen. Deshalb wurde die jetzige Vereinbarung mit einem Coup eingeleitet. Das Verfassungsgericht fasste am 11. Juli 2024 ein bestelltes Urteil. Der Regierungsbeschluss vom Januar 2022 zum Ende des Rio-Tinto-Projektes sei verfassungswidrig gewesen.
Die Mehrheit der Bevölkerung ist dagegen. Es wird davon gesprochen, dass es in den nächsten Wochen und Monaten zur Rebellion kommen könne. Ansetzend an den Erfahrungen von 2022 gilt es, den aktiven Volkswiderstand höherzuentwickeln. Die Arbeiterklasse mit ihrer ruhmreichen Tradition im antifaschistischen Partisanenkampf muss ihre führende Rolle wahrnehmen.
In den Leitlinien der MLPD für ein erweitertes Kampfprogramm der Sofort- und Schutzmaßnahmen gegen die globale Umweltkatastrophe heißt es: "Verbot der Lagerung von Giftmüll unter Tage, in den Seen und in den Meeren. Verbot von Tiefseebergbau und Tiefseebohrungen, Fracking, Abbau von Ölsand und von umwelt- oder gesundheitsschädlichem Abbau von Rohstoffen wie Kohle, Gold, Lithium usw."
Siehe auch:
Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert aggressive Rohstoffbeschaffung
Heftiger Konkurrenzkampf um Lithium und Seltene Erden