Antifaschismus
Auch auf dem Hof und in der Waschküche: Keinen Fußbreit den Faschisten
Gut gelaunt kam ich vor klurzem von der antifaschistischen Demo in Essen nach Hause. Eigentlich wollte ich etwas ausruhen, aber dann klingelte das Telefon. „Sag mal, ist das die AfD-Tussi, die da bei dir vor dem Balkon sitzt, mit ein paar Leuten? Machen die da etwa eine Versammlung?“, so meine besorgte Nachbarin ein paar Balkons weiter, Mitglied bei Die Partei. „Ich geh mal gucken, vielleicht ist es ja auch eine private Feier meiner Nachbarin, die AfD-Ratsfrau ist ja leider deren Freundin“, so meine Antwort.
Und tatsächlich, knapp neben meinem Balkon, vor dem Balkon der Nachbarin, saßen sie in einer Runde: Die Nachbarin (nach eigenen Aussagen immer SPD), Bekannte von ihr, die ich auch flüchtig kenne und die eher nicht AfD sind, die AfD-Ratsfrau und noch zwei mir unbekannte Leute.
Ich geh auf den Balkon und wie so üblich von Nachbar zu Nachbar erzählte ich: „Ich komme gerade von der Essener Demo gegen den AfD-Parteitag, war klasse. Wir waren mehr als die und haben klargemacht: Keinen Fußbreit den Faschisten!“. Der eine Bekannte freundlich: „Na, dass sie sich so was noch zutrauen …“. Dann legte die AfD-Tante los: „Die ist von der Antifa, die uns an unserem Info-Stand immer angreifen.“ Und die mir unbekannte Frau daneben, offenbar mindestens Sympathisantin der AfD: „Ja, inzwischen kann man als Frau ja schon nicht mehr allein auf die Straße gehen“.
Da reichte es mir: „Hören sie mal, mir passt es nicht, wenn hier direkt vor meinem Balkon faschistische Sprüche und Hetze losgelassen werden, halten sie sich zurück“. Die Unbekannte: „Ich hab doch gar nichts gesagt“. Die AfD-Frau aggressiv zu mir: „Halten sie doch die Klappe“. Ich: „So hat hier auf dem Hof noch niemand mit mir geredet, mit dieser typischen AfD-Streitmethode bleiben Sie lieber hier weg“. Danach ignorierten sie mich, sagten nichts mehr. Die Nachbarin von Die Partei, die nicht alles hören konnte, hob die Faust und rief rüber: „Hoch die internationale Solidarität!“. Sehr schön.
Am nächsten Morgen traf ich meine Nachbarin in der Waschküche. Ich fragte sie, warum sie solche Leute auf unseren Hof mit einer international geprägten Nachbarschaft einlädt. „Es ist nicht alles falsch, was die sagen. Die Flüchtlinge liegen uns nur auf der Tasche. Und die Messerstecher sind meistens Syrer“. Ich hielt natürlich dagegen, dass sie, die jahrzehntelange SPD-Wählerin, nun offensichtlich zunehmend die AfD-Argumente übernimmt. „Früher hat man oft gesagt, dass Jugendliche in schlechte Gesellschaft geraten, aber offenbar geht das im Alter auch noch. Ich mache mir richtig Sorgen um Sie, dass Sie plötzlich faschistische Sprüche loslassen. Wir waren doch zu Anfang eigentlich ganz gute Nachbarn.“ „Das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun“, ruderte sie zurück, der offenbar trotzdem noch an guter Nachbarschaft gelegen ist.
Ich argumentierte noch mit der Rentenpolitik der AfD, die keineswegs für die kleinen Leute ist, sondern auf eine alleinige Rentenfinanzierung durch die Arbeiter und Angestellten zur Entlastung der Kapitalisten hinausläuft. Das hat sie nachdenklich gemacht. Auf jeden Fall weiß sie jetzt, dass sie sich ihren Umgang mal genauer ansehen muss, dass die Nachbarschaft keine AfD-Gesprächsrunden auf unserem Hof duldet und dass sie bei mir Argumente gegen die AfD-Hetze bekommt, wenn sie will.
Unter den Nachbarn müssen wir jetzt besprechen, dass wir nächstes Mal organisierter vorgehen, z.B. auch einen gemütlichen Tisch mit antifaschistisch eingestellten, international gemischten Nachbarn dann vor meinem Balkon aufbauen und denen die Gemütlichkeit, solange versauen, bis sie vom Hof verschwinden.