Wahlen in Großbritannien

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Ohrfeige für Sunak - Kräftiger Zuwachs für Labour

Mit 412 Mandaten zieht die sozialdemokratische Arbeiterpartei Großbritanniens in das britische Parlament ein. Ein Zuwachs von 214 Sitzen. Die konservative Regierungspartei von nun Ex-Premierminister Rishi Sunak bekam eine schallende Ohrfeige von den Wählerinnen und Wählern. Sie verlor 251 Sitze und stürzte auf 121 Sitze ab.

Von js
Ohrfeige für Sunak - Kräftiger Zuwachs für Labour
(grafik: rf unter Verwendung von KI-Software)

Interessant an dieser Wahl: Die Rechtsentwicklung anderer europäischer Länder, wo rechte bis faschistische Parteien Mehrheiten bei Wahlen erreichen konnten, hat sich bei dieser Wahl in Großbritannien nicht fortgesetzt. Zwar erreichte die faschistoide Partei Reform-UK von Nigel Farage 14,3 Prozent und Farage selber hat einen Sitz im Unterhaus sicher. Von Ergebnissen, wie sie die AfD in Deutschland oder Melonis Fratelli d’Italia in Italien eingefahren haben, ist das aber entfernt. Die antifaschistische Bewusstseinsbildung muss trotzdem auch in Großbritannien ein größeres Gewicht bekommen. Das Wahlergebnis zeigt, dass die Massen ihre Erfahrungen mit der brutalen Rechtsentwicklung der Regierung Sunak verarbeitet haben.

Das britische Parlament im Palace of Westminster in London (foto: David Hunt from Warwickshire, UK - CC BY 2.0)
Das britische Parlament im Palace of Westminster in London (foto: David Hunt from Warwickshire, UK - CC BY 2.0)

Vorläufige Wahlergebnisse in Prozent:

Labour: 33,8 Prozent

Konservative: 23,7 Prozent

Reform-UK: 14,3 Prozent

Liberale Demokraten: 12,2 Prozent

Grüne: 6,8 Prozent

Andere: 6,1 Prozent

Scottish National Party: 2,4 Prozent

Man erinnert sich: Nach dem korrupten Trump-Fan Boris Johnson, der unter anderem während der Corona-Pandemie Partys feierte, während die Massen im Land im Lockdown und der Isolation sitzen mussten, und der nur sechs Wochen regierenden Liz Truss war Rishi Sunak der dritte Premierminister seit September 2022. Unter seiner Regierung nahm die Verarmung der Massen genauso weiter zu, wie die rassistischen Gesetze seiner faschistischen Innenministerin Suella Braverman, die für die Deportation von Flüchtlingen nach Ruanda verantwortlich ist. Die Mehrheit der Werktätigen in Großbritannien hatte offensichtlich die Nase voll von dieser Politik. "Die Steuern sind zu hoch. Mir bleibt kaum etwas Geld am Monatsende übrig. So geht das nicht weiter. Ich habe gegen Sunak gestimmt und hoffe, dass sich jetzt etwas ändert", so eine Londonerin heute.

 

Vordergründig ist mit der Wahl die offene Regierungskrise beigelegt, aber die latente politische Krise verschärft sich weiter. Der ökonomische Hintergrund ist der, dass Großbritanniens Wirtschaft nach der bereits 2008 ausgebrochenen Weltwirtschafts- und Finanzkrise weder durch die massive Kürzung staatlicher Leistungen auf dem Rücken der Arbeiter noch durch staatlich schuldenfinanzierte Subventionsprogramme wieder auf die Beine kam. Das alte imperialistische Großbritannien fiel - wie auch Deutschland und andere alte imperialistische Länder - im Konkurrenzkampf mit den neuimperialistischen Ländern dauerhaft zurück.

 

Der politische Hintergrund besteht in den Streiks und Protesten - insbesondere der Arbeiter, aber auch von Angestellten, Ärzten, usw. gegen die Regierung Sunak, an denen sich in den letzten beiden Jahren Millionen beteiligten und die eine tiefe und anhaltende Vertrauenskrise in die bürgerlichen Parteien und den Staat hervorbrachten. Sie richteten sich gegen die wachsende Armut, die verheerende Gesundheitsversorgung und Angriffe auf das Streikrecht. 2023 lebten 3,8 Mio. Briten in dauerhafter Armut. Das stellt eine Verdoppelung gegenüber 2017 dar. Millionen umfassende Proteste richten sich auch direkt gegen die Unterstützung der israelischen Regierung in ihrem Krieg gegen die Palästinenser durch die britische Regierung.

 

Der Wahlsieg von Labour stand im Zeichen der niedrigsten Wahlbeteiligung seit hundert Jahren mit nur 60 Prozent. In Großbritannien herrscht Mehrheitswahlrecht: Der Kandidat mit den meisten Stimmen erhält den Sitz, die Stimmen für die anderen Kandidaten verfallen. Das erklärt, warum Labour trotz der geringen Wahlbeteiligung den entsprechenden Sitz des jeweiligen Wahlkreises gewonnen hat: Wegen der extrem unbeliebten Politik der Tories haben die Wählerinnen und Wähler den jeweiligen Labour-Kandidaten bevorzugt. Labour-Spitzenkandidat Keir Starmer, der heute von König Charles III. zum neuen Premierminister ernannt wurde, verlor allerdings in seinem Wahlkreis rund 10.000 Stimmen (= -17 Prozentpunkte) an einen unabhängigen Kandidaten, der sich für die Solidarität mit den Palästinensern aussprach. Trotzdem ging der Sitz an Starmer, da er die meisten Stimmen erhielt.

 

Die Wahl ist Ausdruck der Krise der Tories, aber der Sieg der Labour Party wird an der Krisenhaftigkeit in Großbritannien und der Verarmung der Massen nichts ändern. Im Rahmen der Weltwirtschafts- und Finanzkrise greifen die herrschenden Monopole die Belegschaften mit immer neuen Arbeitsplatzvernichtungen und Attacken auf die Löhne an. So sollen zum Beispiel in Port Talbot (Wales) im örtlichen Tata-Stahlwerk 2800 Arbeitsplätze bis Ende September vernichtet werden. Der britische Gesundheitsservice NHS ist heruntergewirtschaftet, das Personal schlecht bezahlt und komplett überlastet. Ein prägendes Beispiel, wie es in vielen Bereichen Großbritanniens aktuell aussieht. Da kann Labour in ihrem Wahlmanifest vom 13. Juni noch so sehr "ein Jahrzehnt der Erneuerung herbeizuführen, (...) was vom Glauben an unser Land und seinen Zukunftspotentialen getragen wird".  Diese Krise ist ein Bestandteil der Krisenhaftigkeit des kapitalistischen Weltsystems, das nichts mehr in der Hand hat, um diese Krisen zu bewältigen. 

 

Etliche wählten Labour ohne Überzeugung, nur um die Konservativen abzuwählen. Eine marxistisch-leninistische Partei mit der Perspektive des echten Sozialismus stand nicht zur Wahl, wird aber dringend gebraucht.