KI, TikTok und Google

KI, TikTok und Google

Neue Formen der Manipulation der öffentlichen Meinung

Wahlmanipulation. Da denkt man an das Verschwinden lassen von Stimmzetteln oder plötzlich auftauchende Wahlurnen mit gefälschten Stimmzetteln. Da denkt man an afrikanische Regime, die oppositionelle Kandidaten in Gefängnissen einsperren lassen. Doch Wahlmanipulation geschieht heute in allen Ländern der Welt weitaus eleganter und raffinierter. Ein zunehmender Teil der Wahlkämpfe wird von den bürgerlichen Parteien, dabei insbesondere den Faschisten, mit riesigen finanziellen Budgets ins Internet verlagert.

Von pib/gg
Neue Formen der Manipulation der öffentlichen Meinung
(grafik: shutterstock_678583375)

Indien als Testlabor

Die Parlamentswahlen in Indien vor Kurzem  - die mit den weltweit meisten Wählerinnen und Wählern - mutierten zu einem Testlabor für den Einsatz künstlicher Intelligenz, wie die Frankfurter Rundschau kürzlich aufdeckte. Das könnte laut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin „Wegweiser auch für andere Staaten sein“. Die Agenturen wetteifern jetzt um die Republikaner und Demokraten in den USA. Nachdem Indien noch vor einigen Jahren ein Zielgebiet von Großkonzernen wie IBM oder Microsoft auf ihrer Suche nach billigen Programmierern war, ist es inzwischen eines der weltweit führenden Länder in der Softwareentwicklung – speziell der KI.

 

Vor einiger Zeit entwickelte dort eine genossenschaftlich organisierte Softwarefirma ein KI-Programm, mit dessen Hilfe Videoübertragungen eines Redners automatisch in Echtzeit in eine andere Sprache übersetzt werden können. Eigentlich eine tolle Sache! Beim Wahlkampf in Indien nutzten jetzt auch reaktionäre Politiker wie der faschistische Regierungschef Modi, dessen Regierungsmethode auf Hindu-nationalistischen Völkerhass beruht, diese Technik. Das bisherige Problem, dass viele Inder seine Hetzpropaganda wegen der Sprachbarriere gar nicht verstanden, umging er jetzt, indem seine Reden mithilfe von KI automatisch in vielen Sprachen auf Sendung gingen. So schreibt die Frankfurter Rundschau: „Im Rahmen eines regelrechten Personenkults um ihn sprach er dank KI zum Wahlvolk in gleich mehreren Sprachen - die er gar nicht spricht.“ (RF, 1.6.24.) Diese Entwicklungen zeigen exemplarisch, dass es bei technischen Entwicklungen darauf ankommt, in wessen Händen sie genutzt wird, ob zum Wohl der Massen oder zum Betrug und zur Unterdrückung der Massen. Es zeigt aber auch, dass die KI nicht allmächtig ist, denn obwohl die neuen technischen Möglichkeiten so intensiv von seinem Wahlkampfteam genutzt worden sind, hat Modi relativ an Stimmen verloren.

 

Dass aber auch massive Fakes zur Täuschung der Massen mit KI verbreitet wurden, zeigen die Beispiele: „Harikrishnan Vasanthakumar ist seit vier Jahren tot. In einem Video aber lobt er seinen Sohn mit quicklebendigem Eifer.“ (FR, 1.6.24). An anderer Stelle gingen Videos mit berühmten Bollywood-Schauspielern für die ein oder andere Partei viral. Problem dabei: Die Schauspieler hatten sich nie in dieser Art geäußert. Die Statements waren KI-generiert von Wahlkampfagenturen eingesetzt worden.

 

Die Beratungsfirma Rajneethi Political Management wiederum schickte personalisierte Videobotschaften von prominenten Politikern direkt an die WhatsApp-Nummern von 6 Millionen Indern. Diese Telefonnummern stammten aus Datenbanken. Der Inhalt der Botschaften orientierte sich daran, was den Menschen in dieser Region die größten Sorgen machte. Mit der KI wurde frauenfeindlichen Politikern plötzlich frauenpolitisches Engagement im wahrsten Sinne „in den Mund gelegt“ und an junge Frauen geschickt.

 

Ein Marketing-Agent berichtet von Anfragen einer Partei, KI-generierte Porno-Videos von gegnerischen Politikern zu verbreiten, was er ablehnte.

 

Solche Wahlkampfmethoden sind Ausdruck der Dekadenz und Krise des bürgerlichen Parlamentsbetriebs. Können sie mit ihrem wirklichen Wahlprogramm, Know-how und Politiker nicht mehr überzeugen und trauen sich nicht unters Volk, wird auf derartige manipulative Methoden zurückgegriffen.

Wie TikTok die AfD und den Faschismus in Deutschland fördert

Die Jugendpolitische Sprecherin der MLPD, Lisa Gärtner, berichtet der Redaktion: „Unter dem Video von Stefan Engel zur Europawahl schrieb ein „Heiko141163“ an Stefan gerichtet: „Gesicht ist gescannt, du bist auch bald dran.“ Ich meldete diese Drohgebärde an TikTok, da sie gegen die Community-Richtlinien verstößt. 30 Minuten später erhielt ich von TikTok die Nachricht: „Keine Verstöße gefunden“. Genauso erging es mir bei elf anderen Beschwerden, die ich wegen faschistischer, antikommunistischer und beleidigender Kommentare eingereicht habe. So zeigte ich einen Kanal an, der sich „SS-Beule“ nannte und offene Volksverhetzung betreibt. Immer dasselbe: Kein Verstoß gefunden.

 

Mir ging es anders: Unter dem Video von Monika Gärtner-Engel hatte ein User geschrieben: „Schon mal daran gedacht, in Rente zu gehen?“. Ich antwortete: „Schon mal dran gedacht, den Mund zu halten?“. Prompt wurde mein Kommentar gelöscht und ich erhielt von TikTok eine Abmahnung wegen „Belästigung und Mobbing“.

 

An anderer Stelle wurde ein ganzes Video von mir von TikTok gelöscht. Darin hatte ich die Verstrickungen von Beatrix von Storch (AfD) und ihrem Mann Sven Storch mit den chilenischen Verfechtern der Militärdiktatur und dem damaligen faschistischen Präsidenten Brasiliens Bolsonaro dargelegt. Auch hier war TikTok der Meinung, das sei Mobbing und Belästigung! Nach meiner Beschwerde wurde das Video pseudodemokratisch zwar wieder freigegeben – aber ganz undemokratisch inoffiziell mit einem Shadowban belegt, denn ich erhielt anschließend keine weiteren Klicks (trotz des vorherigen großen Interesses).

 

Es gibt bei den Nutzern von TikTok eine breite Kritik an diesem Verhalten durch den Konzern. Es werden mehr, die uns unterstützen. So wurde ein Video von mir gegen die rechte Propaganda nach dem Messerstecher-Attentat in Mannheim von 900 Usern – vor allem Afghanen – auf ihren Kanälen wiederveröffentlicht und so unter fast 80.000 Menschen verbreitet.“