Wirtschaftsentwicklung
Ein „Wachstumsturbo“ mit Ladehemmung!
Einen „Wachstumsturbo“ zünden will Bundeskanzler Olaf Scholz jetzt mit der Ampel-Regierung. Dadurch soll die deutsche Wirtschaft endlich wieder ordentlich Fahrt aufnehmen. Scholz sieht auch schon „Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung“ - hat doch das „Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz“ (BMWK) eine „spürbare Aufhellung der Stimmungsindikatoren“ festgestellt. So hätte die „Konsumlaune“ sich verbessert, oder der Geschäftsklima- und der Einkaufsmanagerindex würden mehr Optimismus der Unternehmer signalisieren. An der Wirksamkeit der Maßnahmen des geplanten „Dynamisierungspakets“ sind allerdings aus mehreren Gründen erhebliche Zweifel angebracht. Erstens muss das BMWK selbst feststellen, dass sich die erfragten Stimmungen kaum „in den realen Daten widerspiegeln“. So erklären seine Experten, dass „die Produktion im produzierenden Gewerbe ... noch keine nachhaltige Belebung“ zeigt. Dabei ist das selbst eine starke Beschönigung des seit Jahren anhaltenden Rückgangs der Industrieproduktion.
So schrumpfte sie erst im Mai 2024 wieder um 6,7 Prozent gegenüber Mai 2023¹ und liegt mehr als 15 Prozentpunkte unter dem Niveau von Mai 2018. Zweitens werden die Ursachen der Wirtschaftskrise von den bürgerlichen Ökonomen und Politikern nicht ausgehend von der im Kapitalismus gesetzmäßig erzeugten Überproduktion gesucht (s. u.). Stattdessen sollen vor allem „zu hohe Arbeitskosten“, Steuern und Strompreise die Krise verursachen. Dabei liegen z.B. die Industriestrompreise in Europa im Mittelfeld. Und die Unternehmenssteuern haben sich seit 2008 nicht geändert – wieso sollen sie jetzt Ursache der Krise sein? Drittens sehen die bürgerlichen Experten den Wald vor lauter Bäumen nicht – für sie existiert gar keine Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Durch die Internationalisierung der Produktion können die Wirtschaftskrisen in hoch entwickelten und stark exportorientierten imperialistischen Ländern wie Deutschland kaum noch isoliert überwunden werden. Kurzum: Die bürgerlichen Ökonomen und Politiker stochern im Nebel herum und müssen deshalb mit ihrem Krisenmanagement scheitern.
So ist Scholz mit ähnlich markigen Sprüchen in der Praxis schon mehrfach an die Wand gefahren. Erst im März verpuffte das „Wachstumschancengesetz“ nahezu wirkungslos. Ein Jahr vorher hatte Scholz sogar ein „neues Wirtschaftswunder“ angekündigt. Stattdessen musste bald danach wegen des monatelangen Rückgangs des Bruttoinlandsproduktes (BIP) eine „Rezession“ festgestellt werden. Auch Scholz' großspurig angekündigten Krisen-Rettungen wie dem „Doppel-Wumms“ 2022 oder der „Bazooka“ 2020 war es nicht besser ergangen.
Die Wirtschaftskrise in Deutschland ist in Wirklichkeit Teil einer schon seit Mitte 2018 währenden weltweiten Überproduktionskrise. Deren Ursache ist, dass sich große Teile der Profite der internationalen Monopole nicht wieder maximalprofitbringend neu anlegen lassen, weil die Absatzmärkte mit der Ausdehnung der Produktion nicht Schritt halten. Denn im Verhältnis zur produzierten Warenmenge verdient die arbeitende Bevölkerung immer weniger. Wenn sich keine neuen Kapitalanlagen und Absatzmärkte erschließen lassen, muss deshalb die Produktion einbrechen.
Dieses Problem ist mit keinen Maßnahmen des „Wachstumsturbos“ wie dem „Bürokratieabbau“, „großzügigen Abschreibungsregeln“ oder „besserer steuerlicher Forschungsförderung“ zu beheben. Tatsächlich ist weder in Deutschland noch weltweit ein Wirtschaftsaufschwung in Sicht. Während die technologische Umwälzung eines großen Teils dieses „fixen Kapitals“ bisher scheitert, ist auch eine Ausdehnung der Produktion kaum möglich. Das zeigt sich daran, dass weltweit die grenzüberschreitenden Investitionen unter das Niveau von 2017 gefallen sind. Der Kapitalexport durch Fusionen und Übernahmen ist bis zum Mai 2024 gar auf ein Niveau von 2002 abgesackt.
Alle großen alten imperialistischen Länder, die G7-Staaten², stecken tief in einer sich erneut verschärfenden Krise. Ihre gesamte Industrieproduktion liegt heute erheblich unter dem Vorkrisenstand von Mitte 2018! Deutschland und ähnlich auch Japan sind als stark exportorientierte Länder am stärksten betroffen. In Italien, Frankreich und Großbritannien verharrt die Industrieproduktion etwa 5 Prozent unter dem Vorkrisenstand. In Kanada und den USA befindet sie sich leicht unter dem Niveau von 2018. In den USA werden aber viele industrielle Monopole hoch subventioniert, was mit einer explodierenden Staatsverschuldung erkauft wird. Seit 2018 hat sie sich auf 45 Billionen Dollar verdoppelt.³ Das verschärft auf Dauer die Krise nur. Die Industrieproduktion der mit den G7-Staaten eng verbundenen OECD-Länder⁴ liegt ebenso unter dem Vorkrisenstand, obwohl einige von ihnen, wie Polen, Dänemark und die Türkei, ihre Produktion deutlich steigern konnten.
Die Weltwirtschaftskrise erfasste 2019 auch alle neuimperialistischen Länder⁵. Die meisten konnten ihre Produktion aber durch eine Ausdehnung und Intensivierung der kapitalistischen Produktionsweise in ihren Ländern seit Mitte 2020 relativ schnell wieder deutlich erhöhen. China steigerte seine Industrieproduktion um fast 25 Prozent, die anderen Länder zusammen um etwa 8 Prozent. Außer in China stagniert die Industrieproduktion in den meisten dieser Länder aber seit Mai 2023. Argentinien, Südafrika und Saudi-Arabien stecken aktuell in tiefen Wirtschaftskrisen. In China verlangsamt sich zurzeit die Wachstumsrate. Die umfassende Krise im Immobiliensektor und eine massive Überproduktion an Autos signalisieren auch für China einen bevorstehenden Übergang in eine Wirtschaftskrise.
Die in fast allen imperialistischen Ländern hochgeschraubte Rüstungsproduktion, neue Investitionen in Digitalisierung und Entwicklung künstlicher Intelligenz sowie die extreme Spekulation, die der Überproduktion an Kapital noch momentane Abzugskanäle liefert, verzögern bisher noch einen weiteren tiefen Einbruch der Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Er ist aber auf Dauer nicht aufzuhalten.