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Zehntausende auf der Straße gegen AfD-Parteitag – Tausendfache Diskussionen: „Wer AfD wählt, wählt Faschismus“

Seit dem frühen Morgen haben sich viele zehntausend Menschen auf den Weg gemacht, um gegen den AfD-Parteitag in der Essener Gruga-Halle zu demonstrieren. Im gesamten muss man sicherlich von 70.000 Beteiligten* ausgehen, die bei Demonstrationen, Blockaden und Kundgebungen dabei sind. Insgesamt waren etwa 30 unterschiedliche Aktivitäten organisiert worden.

Von fh
Zehntausende auf der Straße gegen AfD-Parteitag –  Tausendfache Diskussionen: „Wer AfD wählt, wählt Faschismus“
Abschlusskundgebung (rf-foto)

Sehr viele junge Menschen prägten die Großdemonstration, die sich aus der Innenstadt in Bewegung setzte. Aber es gab auch zahllose Arbeiter, einen starken Gewerkschaftsblock, viele selbstgemalte Schilder, Leute unterschiedlichster Herkunft, Kurden, Palästinenser, türkische Revolutionäre. Aus ganz Deutschland reisten Leute in die Arbeiterstadt Essen. In einer Pressemitteilung erklärte einer der Sprecher des Bündnisses „Widersetzen“, Alassa Mfouapon, dass schon um sechs Uhr 2000 Menschen in Richtung Gruga-Halle unterwegs waren. Er sprach auch auf der Bühne von „Widersetzen“ zu den Demonstranten.

Kundgebung des Internationalistischen Bündnisses am Rüttenscheider Stern

Am Rüttenscheider Stern startete um Viertel nach Neun das Warm-up für die Kundgebung des Internationalistischen Bündnisses mit Kurzinterviews, Musik und Sprechchören. Um 10 Uhr begann dann die Kundgebung, moderiert von Süleyman Gürcan von der ATIK und Lisa Gärtner vom Internationalistischen Bündnis und MLPD. Mindestens 300 Menschen sammelten sich um die kleine Bühne am Demonstrationszug. Da der Rüttenscheider Stern an diesem Tag Endstation der U 11 war, zogen im Laufe der Kundgebung schon vor der Demo tausende vorbei. Immer wieder kamen ganze Gruppen dazu, hunderte blieben auch gegenüber stehen, klatschten mit. Unsere Kritik wurde oft unterstützt, dass der CDU-Oberbürgermeister von Essen auf der Hauptkundgebung sprechen kann, der sich für Abschiebungen stark macht, sowie der Vorstandsvorsitzende des Weltkonzerns Evonik. Breite antifaschistische Aktionseinheit ist über die Parteigrenzen hinweg nötig, aber das Monopolkapital ist kein Bündnispartner! Umso mehr wird es begrüßt, dass sich die revolutionären und marxistisch-leninistischen Kräfte selbstbewusst und überzeugend zu Wort melden.

 

Beteiligt waren mit ihren Fahnen und vielen selbstgemalten Schildern Gewerkschafter von IG Metall, IGBCE oder Verdi, MLPD, REBELL, Rotfüchse Frauenverbände, Revolutionärer Jugendbund, YDG, Yeni Kadin, Der Kurdische Verein Essen, VVN, Solidarität International, BIR KAR, ATIK, Kurdisches Zentrum Essen, Wahlbündnisse aus Witten oder Gelsenkirchen, Linkes Forum oder Kumpel für AUF.

"Rechtspopulisten" ist eine Verharmlosung - das sind Faschisten!

Gabi Fechtner, die MLPD-Vorsitzende, betonte, dass die Kundgebung Teil des großen antifaschistischen Demonstrationszuges ist Sie hob aber auch hervor, dass unbedingt auch die revolutionären und marxistisch-leninistischen Kräfte an diesem Tag zu Wort kommen müssen. Es ist nicht richtig, wenn immer verharmlosend von „Rechtspopulisten“ die Rede ist oder wenn antikommunistisch „Rechts- und Linksextremisten“ gleichgesetzt werden. Es muss Tacheles geredet werden. Wir haben deshalb ein Plakat gemacht: „Wer AfD wählt, wählt Faschisten!“ Dafür ist vor allem Aufklärungsarbeit nötig, dass die AfD faschistisch ist und was Faschismus ist. Die Faschisten geben sich heute modern, tarnen sich demagogisch. Aber darauf darf die Menschheit nicht nochmal hereinfallen! Die AfD ist weder eine Freiheits- noch eine Friedenspartei! Faschismus bedeutet die offen terroristische Herrschaft des Finanzkapitals, hat im Zweiten Weltkrieg 60 Mio. Tote verursacht und heißt brutale Unterdrückung von Demokraten, Kommunisten und Gewerkschaftern. Faschismus bedeutet Krieg. Diese Gefahr müssen wir klar beim Namen nennen. Gabi Fechtner betonte, dass es vor allem Kommunisten waren, die Hitler besiegt haben, das sowjetische Volk und die Rote Armee. Marxisten-Leninisten kämpfen in der Türkei gegen Erdogan, die revolutionären kurdischen Befreiungskräfte besiegten die IS-Faschisten. Deshalb sind all diese Kräfte das Rückgrat der antifaschistischen Einheit.

 

Wir wollen weder zurück zum Faschismus, dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte, noch zurück zur bürgerlichen Demokratie und ihren Berliner Parteien von denen sich gerade so viele abwenden. Sondern vorwärts zum echten Sozialismus. Denn nur so kann dem Faschismus dauerhaft der Boden entzogen werden.

Der Kampf gegen den Faschismus führt uns auch international zusammen

Weitere Redebeiträge von ATIK, REBELL, BIR KAR, vom Revolutionären Jugendbund, von einer Reíhe Industriearbeitern von Stahl, Autoarbeitern, von Evonik oder von Courage wurden immer wieder von Sprechchören unterbrochen, die der REBELL anstimmte. Sie berichtete auch von den Erfahrungen mit dem Faschismus in der Türkei und rassistischen Attacken bis zu Morden an Migranten wie in Hanau. Ein kurdischer Kollege meinte: „Wir waren lange nicht zusammen, aber der Antifaschismus hat uns heute wieder zusammengebracht“. Kritisiert wurde auch die Rechtsentwicklung der bürgerlichen Parteien, an der Spitze die ultrarechte CDU, die der AfD erst Aufwind gegeben hat. Dazwischen spielte eine Musikgruppe der ATIK kämpferische Lieder.

 

Monika Gärtner-Engel, Hauptkoordinatorin der revolutionären Weltorganisation ICOR und Co-Präsidentin der United Front, trat mit Palästinensertuch und kurdischer Fahne auf die Bühne: Der Kampf gegen den Faschismus führt uns zusammen, auch international. In vielen der 70 Ländern, von wo Mitgliedsorganisationen unserer internationalen Zusammenschlüsse herkommen, gibt es bereits faschistische Regierungen. Dagegen müssen wir die internationale sozialistische Revolution vorbereiten! Auf ihren Vorschlag stimmte die Kundgebung die „Internationale“ an.

Riesiger Demozug mit einem Block des Internationalistischen Bündnisses

Dann begann der riesige Demozug an der Kundgebung vorbeizuziehen. Auch darin war ein Block des InterBündnis, das bereits vom Hauptbahnhof mitgezogen war und in den sich die Kundgebung anschloss. Zehntausende hörten also eine Zeitlang die Kundgebung. Es gab eine sehr offene, solidarische Atmosphäre und man merkte das Interesse daran, dass es bei dieser Kundgebung auch wirkliche Argumente, vielfältige Redner und internationalistische Kultur gab.

 

Besonderen Beifall gab es für Forderungen nach einem politischen Streikrecht, aber auch für die Perspektive des echten Sozialismus: Es traf den Nerv, dass nicht jeder hier für Sozialismus ist, aber der echte Sozialismus und auch die MLPD fester Bestandteil des antifaschistischen Kampfes sein müssen. Da gab es massenhaft Applaus. Immer wieder blieben Leute stehen, klatschten oder sangen mit oder filmten unsere Kundgebung. Natürlich gab es auch Kontroversen. So hatte die Demoleitung Antideutsche mitdemonstrieren lassen, aber palästinensische Fahnen versuchten Ordner aus der Demo zu verbannen.  In jedem Block des langen Zuges, der fast eine Stunde lang an der Kundgebung vorbeizog, gab es Beifall für die Redebeiträge, wurden Parolen mit gerufen. Selbst aus dem SPD-Block sangen etliche Demonstranten begeistert die Internationale mit.

700 Exemplare des Rote-Fahne-Magazins „Wer AfD wählt, wählt Faschismus“ verkauft

Während der Demozug an der Kundgebung vorbeizog, wurde das Rote-Fahne-Magazin mit dem Titel "Wer AfD wählt, wählt Faschismus" etwa 700 mal verkauft, dazu weitere Literatur, etliche neue Kontaktwünsche. Die Diskussion drehte sich vor allem darum, wie man mit von der AfD beeinflussten Leuten richtig argumentiert, die Meinungen drehen kann und über die Perspektive des Sozialismus.

 

Antikommunistische Fahnenverbote gegen MLPD und REBELL wurden nicht mal versucht. Auch beim „Markt der Möglichkeiten“ im Anschluss war der Stand des Verlags Neuer Weg und der MLPD gleichberechtigt beteiligt. Der Wunsch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach antifaschistischer Kampfeinheit ließ antikommunistischen Ausgrenzungsversuchen keine Chance. Darüber scheint der notorische Antikommunismus des bürgerlichen Antifaschismus, der viele Jahre lang für üble Spaltung gesorgt hatte, gehörig in der Defensive. Da erschienen einzelne Schilder der CDU „kein Platz für Extremismus“ eher wie das Pfeifen im Walde.

Polizei muss Störversuch abbrechen

Ein schwaches Nachhutgefecht versuchte die Polizei gegen das Internationalistische Bündnis zu starten: Nachdem sie es laut BILD-Zeitung zu ihrem obersten Ziel erklärt hatte, den AfD-Parteitag zu schützen, ging sie an verschiedenen Stellen auch dazu über, die Gegendemonstrationen einzuschränken und zu stören. So wollte sie dem Internationalistischen Bündnis verbieten, sich mit dem LKW in die Demonstration einzureihen. Dagegen protestierte nicht nur die Kundgebung mit einer einstimmigen Forderung nach Freigabe des LKW, sondern auch viele der Demonstranten des großen Zuges. Als der Block des Internationalistischen Bündnisses sich einreihen wollte, stoppte die Polizei den ganzen Demonstrationszug und machte die Straße mit zwei Polizeiketten zu. Alle anderen, zahlreichen LKW wurden nicht beanstandet. Das ganze Theater erhöhte im Grunde nur die Aufmerksamkeit für unseren Block.

 

Wir informierten Demonstranten und Passanten über diese rein antikommunistisch motivierte Schikane. Letztlich kam heraus, dass die Polizei sich auch noch auf die Demoleitung berief, die unseren LKW nicht haben wolle, beteiligt ein Vertreter der Grünen Jugend. Bei allem Meinungsunterschieden ist inakzeptabel, gegen die Teilnahme der MLPD an einer AntiFa-Demo die Polizei einzusetzen. Das spaltet! Die Demoleitung Alassa Mfouapon als Sprecher von „Widersetzen“ erklärte, dass Revolutionäre im Bündnis nicht ausgegrenzt werden. Auch die Delegation der PARTEI solidarisierte sich. Der massiven Kritik der Demoteilnehmer mussten sich dann Polizei und anwesende Demoleiter beugen und unter dem Kommentar „wir gehen dann nach rechts raus“ räumte die Polizei die Straße. Die Stimmung im kämpferischen Block war entsprechend auf dem Höhepunkt. Wir hatten uns durchgesetzt. Solche antikommunistischen Scharmützel, die eh nicht durchkommen, kann man sich künftig einfach sparen!

Massenhaft intensive Gespräche

Am Gruga-Gelände war mittlerweile die Großkundgebung im Gang. Während der Abschlusskundgebung, die weitere hunderte erreichte, wurden zwei Teilnehmer unseres Blocks, von BirKar und Revolutionärem Jugendbund von der Polizei festgenommen, wogegen wir ebenfalls sofort eine Kundgebung auf dem Gelände machten. Am Stand der MLPD und auf dem ganzen Kundgebungsgelände wurden im Laufe des Nachmittags massenhaft intensive Gespräche geführt. Von der Hauptbühne wurde bekannt gemacht, dass viele Beschäftigten der Grugahalle heute aus Protest nicht zur Arbeit kamen. Auch eine Form des politischen Streiks.

 

An der Hauptbühne brandete am meisten Applaus auf, wenn Klartext gegen Faschismus gesprochen, die AfD offensiv angegriffen und ihr abgesprochen wurde, die Bevölkerung zu vertreten. Auffällig war, dass mehrere Redner auch den Begriff des Faschismus verwendeten. Besonders viel Applaus auch für einzelne Redner, die die reaktionäre Politik der anderen bürgerlichen Parteien, etwa in der Flüchtlingspolitik kritisierten. Kullmann und OB Kufen bekamen dort auch Applaus, allerdings auch Zwischenrufe. Die MLPD ist gut sichtbar mit Schildern „Wer AfD wählt, wählt Faschismus“ und Fahnen sichtbar. Der ganze Tag war eine gelungene Massenauseinandersetzung über unsere Losungen, über das Wesen des Faschismus und über die Perspektive des echten Sozialismus. Zahlreiche Kontakte für die organisierte Zusammenarbeit wurden geknüpft.

 

* Hier stand in einer früheren Fassung "100.000"; diese Zahl kursierte am Samstag. Die Veranstalter haben mittlerweile die Zahl von 70.000 herausgegeben