Montagsdemo Gelsenkirchen

Montagsdemo Gelsenkirchen

"Was haben die Leute denn von Sozialplänen?"

Stefan Engel, Leiter der Redaktion des theoretischen Organs der MLPD, des Revolutionären Weg, spricht regelmäßig auf der Gelsenkirchener Montagsdemo, so auch am 15. April. Er hat jetzt drei Redebeiträge zur Veröffentlichung auf "Rote Fahne News" zur Verfügung gestellt. Hier der zweite Beitrag, der sich mit Sozialplänen auseinandersetzt. Sie sind eine Methode der Unternehmer und der Monopole, um Zeit zu schinden und die Leute erstmal ruhig zu stellen.

"Was haben die Leute denn von Sozialplänen?"
Stefan Engel (rf-foto)

Ich möchte etwas zu dem Problem der Sozialpläne sagen. Ich habe selbst den Streikaufruf der Bergleute 1997 mit verfasst, als der damalige Kanzler Helmut Kohl 60.000 Bergleute entlassen wollte. Viele Bergleute sind diesem Streikaufruf gefolgt, obwohl die Gewerkschaftsführung gesagt hat, man müsse mit Kohl verhandeln und mit der Menschenkette seien die Kampfmittel ausgeschöpft. Es wurde dann sieben Tage lang von 130.000 Bergbaubeschäftigten selbständig gestreikt, bis sie ihre Forderungen durchgesetzt haben. Kohl musste seinen Plan zurücknehmen und der Plan, den größten Teil des deutschen Bergbaus 1997 stillzulegen, ist gescheitert. Auch der selbständige Kampf bei Opel Bochum 2004 brachte die Stilllegungspläne für die Bochumer Werke zum Scheitern.

 

Die Sozialpläne sind eine Methode, dass die Arbeiter auf den Kampf verzichten. Was haben die Leute denn davon? Erstens sind die Zahlungen aus einem Sozialplan voll steuerpflichtig. Je höher die Summe ist, umso mehr geht für die Steuer weg. Die Sozialpläne werden auch angerechnet auf das Arbeitslosengeld, das gezahlt wird. Du kriegst eine ganze Zeit lang kein Arbeitslosengeld, bis diese Gelder aus dem Sozialplan aufgebraucht sind. Es ist eine Methode, um Zeit zu schinden und die Leute erst mal ruhig zu stellen.

 

Gelsenkirchen ist die Großstadt mit der größten Arbeitslosigkeit in Deutschland. Es ist auch die Stadt mit der höchsten Kinderarmut, diese liegt bei 43 Prozent. Hier findet man inzwischen nicht so einfach eine Arbeit. Als ich 1977 aus Bayern hier hin gezogen bin, da hatten wir noch 120.000 Industriearbeitsplätze. Heute sind es weniger als 8000. Warum? Weil die Ruhrkohle AG ihren Dreck nicht weg macht! Die ganzen Industriebrachen sind so verseucht, dass sich kein Industriebetrieb hier ansiedelt. Vor zwei Jahren hat der Unternehmerverband BDI gesagt: „Wir können in München, Frankfurt, Stuttgart, Hamburg, Berlin usw. nicht mehr investieren, weil die Grundstückpreise so hoch sind. Wir müssen nach Ostdeutschland oder ins Ruhrgebiet.“ Kurz darauf sagten sie: „Ins Ruhrgebiet können wir nicht, da sind die Grundstückpreise zwar niedrig, aber wir müssen die ganze Sanierung des Bodens finanzieren und dann kommen wir auf noch höhere Preise als in Stuttgart, Hamburg usw.“

 

Das alles hat etwas mit der Politik der verbrannten Erde der RAG zu tun. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die Arbeitslosigkeit in Gelsenkirchen regelrecht hausgemacht ist. 1970 hatten wir noch 400.000 Einwohner in Gelsenkirchen, heute sind es 260.000. Die Leute ziehen in den Süden, nach Berlin, Hamburg usw, weil sie dort Arbeit finden. Und dann kommen sie als Rentner zurück, weil sie die Mieten dort nicht mehr zahlen können und auch zurück wollen in den Ruhrpott. Gelsenkirchen altert immer mehr, obwohl wir eine top Infrastruktur und ausgebildete Arbeiter haben.

 

Man muss die grundsätzliche Frage aufwerfen, was hier für eine Politik gemacht wird. Ich war elf Jahre im Ausschuss für Wirtschaftsförderung in Gelsenkirchen. Da wurde nur Stuss-Politik gemacht und nicht an der Ursache der Probleme gearbeitet. Wenn man Arbeitsplätze schaffen will, muss man sich gegen die herrschenden Monopole richten, anstatt die Stadt auf den Hund zu reiten und nur noch Politik der verbrannten Erde zu betreiben.